'Speakerinnen.org' ist eine Plattform für Frauen, die ihre Kenntnisse, Erfahrungen und Meinungen auf Konferenzen und Podiumsdiskussionen teilen wollen. Zugleich ist die Datenbank eine Anlaufstelle für alle Organisatoren von Konferenzen, die eine Referentin suchen. Anne Roth, eine der Initiatorinnen, kritisierte häufig auf Veranstaltungen, dass keine weiblichen Referentinnen eingeladen wurden. "Dann kommt ganz schnell die Reaktion, es gäbe dafür keine Expertin. Oder ob ich etwa eine kennen würde?"
Anne Roth war sich sicher, dass es genügend Expertinnen gibt - auch in der Quantenphysik, in der IT und in der Politik. Man muss sie nur sichtbar machen. Am 8. März 2014, dem Weltfrauentag, startete sie ihr Projekt, und schon einen Monat später haben sich bereits mehr als 400 Frauen auf Speakerinnen.org registriert, fast 200 weitere Profile sind in Arbeit.
Ein feministisches Projekt? "In jedem Fall", erklärt die Intiatorin. "Das bedeutet nicht, dass Frauen und Männer in allem immer gleich sind. Es bedeutet aber, dass Frauen nicht dümmer sind als Männer. Es gibt keinen Grund dafür, dass mehr Männer als Experten wahrgenommen werden als Frauen." Ein Beweis dafür sind die vielen unterschiedlichen Frauen, die sich bereits registriert haben. Fünf Speakerinnen stellen sich vor:
Ich bin bei Speakerinnen.org, weil es zu jedem Thema Fachmänner und -Frauen gibt. Die Veranstalter von Diskussionen haben allerdings oft Probleme, Expertinnen zu finden. Denn sie treten seltener bei Diskussionen auf und stehen weniger in der Öffentlichkeit - ein Teufelskreis. Ich will keine Minderheit darstellen wegen meines Geschlechts. Es sollte selbstverständlich sein, mich zu hören, ohne dass ich einen "weiblichen" Blick auf die Dinge vertreten muss.
Warum sich viele Frauen nicht für mehr eigene Präsenz einsetzen? Weil es zu wenige Vorbilder gibt. Natürlich haben viele Männer zu vielen Themen wichtige Dinge zu sagen. Öffentlich-rechtliche Talkshows kommen aber gern mit fünf Männern und einer Frau aus. Ich will keine Quote, ich will die Einsicht, dass es dumm ist, das halbe Potenzial eines Landes zu verschenken.
Frauen bringen viele Kompetenzen mit und sind trotzdem in der Öffentlichkeit weniger präsent als Männer. In Österreich hat sich z.B. der Österreichische Frauenring (ÖFR) dafür stark gemacht, dass das Fernsehen mehr Frauen in den Sendungen zu Wort kommen lässt. Deswegen bin ich auch persönlich daran interessiert, als Speakerin meine Erfahrungen weiterzugeben, und trage damit hoffentlich als Expertin und Frau dazu bei, dass sich etwas ändert. Für mich beruflich und mein Unternehmen ist Sichtbarkeit sehr zentral. Je öffentlichkeitswirksamer wir sind, desto mehr werden wir in unseren Kompetenzen nachgefragt. Besonders Frauen erkennen uns wieder und fragen konkret nach Kursen, Qualifizierungen und Beratungen. Dass manche Frauen sich nicht für mehr eigene Präsenz einsetzen, hat mehrere Gründe: Frauen sind oftmals mehr an der Sache selbst interessiert als an öffentlicher Präsenz. Sie sind sich oft nicht bewusst, dass ihr Thema in einer mediengesteuerten Welt durch ihre eigene Präsenz sichtbarer wird.
Öffentliche Präsenz macht es möglich, mein Thema, meine Leidenschaft voranzutreiben und in der Sache erfolgreich zu sein. Es ist auch nach wie vor so, dass Mädchen in Österreich nicht darin bestärkt werden, zu zeigen, was sie können und wissen. Es fehlt an Vorbildern. Damit auch unsere Kinder sehen, dass Frauen etwas zu sagen haben, braucht es mehr Präsenz von Frauen in den öffentlichen Medien.
Ich interessiere mich für Vorträge, Panels und Podiumsdiskussionen über Journalismus. Oft gibt es aber einen deutlichen Männerüberschuss. Als hätten nur ältere Männer im Journalismus das Sagen, auch heute noch. Speakerinnen.org hat mich überzeugt, weil die Initiatorinnen nicht lamentieren, sondern etwas unternommen haben. Es geht darum, ein Netzwerk zu schaffen, einen Pool von Expertinnen. Damit sich kein Organisator von Panels mehr herausreden kann. Ich möchte mit meinen Kenntnissen diesen Pool bereichern.
Öffentliche Präsenz im Beruf bedeutet für mich alles. Gerade heute ist es für Nachwuchsjournalisten wichtig, aufzufallen. Gut zu recherchieren und zu schreiben allein reicht nicht mehr. Das Schlüsselwort ist "Selbstmarketing". Sichtbar bin ich zum Großteil dank Twitter. Der Umgang dort miteinander ist anders als im realen Leben. Es gibt keine Hierarchieren. Da kann die Praktikantin dem Chefredakteur flapsig antworten, alles ist möglich.
Wenn Frauen vor öffentlicher Präsenz zurückschrecken, dann aus unterschiedlichen Gründen. Einige wollen gar keine Präsenz. Andere werden beruflich von testosteronstrotzenden Platzhirschen kleingehalten. Eine Journalistin sagte mir einmal: "Die wahren Personalentscheidungen werden immer noch am Pinkelbecken getroffen." Und dann gibt es Frauen, denen eingeredet wurde, dass sie beruflich sowieso nicht so weit kommen werden wie ihre männlichen Kollegen. Darauf gibt es zwei Arten von Reaktionen: Sich damit abfinden oder eine "Jetzt erst recht!"-Haltung einnehmen.
Bei Speakerinnen.org habe ich mich registriert, weil ich auf vielen Podiumsdiskussionen die einzige Frau war oder mich als Zuschauerin geärgert habe, dass gar keine Frau "da oben" mitdiskutiert. Es macht mir nichts aus, für Vorträge angefragt zu werden "weil ich eine Frau bin". Ich werde ja angefragt, weil ich kompetent UND eine Frau bin. Sichtbarkeit im Beruf ist unglaublich wichtig, ob in der akademischen, wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Karriere. Es setzt die Einstellung voraus, mitreden zu wollen und zu können, und erfordert immer wieder Mut.
Ich muss permanent zeigen, dass ich gut bin. Meistens ist das aber nicht bedrohlich für mich, es spornt mich eher an. Ich habe schon sehr viele "Dampfplauderer" (meist Männer) kennengelernt, die über ein unerschütterliches Selbstbewusstsein und wenig Fachkenntnis verfügen. Offensichtlich kommt man damit sehr weit – ein Vorbild ist das aber nicht. In meinem Berufsfeld sind Frauen sehr selten. Ich habe mich als Mädchen schon gewundert, warum sonst nur Jungs im Bereich Technik bei "Jugend forscht" mitgemacht haben. Ich glaube, viele Frauen trauen sich nicht genug zu, das wurde ihnen so anerzogen. Sie sind sich zu wenig ihrer eigenen Stärken bewusst und stellen diese zu wenig heraus. All dies kann man aber trainieren. Wir müssen uns fragen, was man ändern muss, um Mädchen nicht mehr so unvorteilhaft zu sozialisieren.
Als ich den ersten Tweet von Speakerinnen.org gesehen habe, wusste ich: Ich will dabei sein. Das Thema "Frauen auf die Podien!" ist mir durchaus präsent. Ich bin gerne Teil einer beeindruckenden Liste spannender Frauen. In meinem Berufsfeld ist Sichtbarkeit wichtig. Sie macht mich für die Menschen greifbar. Sichtbarkeit bedeutet, mit meinen Kunden in Verbindung zu bleiben und Impulse zu setzen. Dazu nutze ich neben Facebook und Twitter auch Whatsapp oder Threema. Gerade in einem Berufsfeld wie meinem geht es neben der fachlichen Qualifikation um die Persönlichkeit. Deshalb verstehe ich Wettbewerb als Inspiration.
Als Coach komme ich viel mit Menschen zusammen. Mittlerweile sind 90 Prozent meiner Kunden weiblich. Das schärft den Blick für das eigene Geschlecht. Und für mich zeichnet sich ab: Männer und Frauen sind definitiv unterschiedlich, ticken in ihrem Rhythmus und handeln nach individuellen Maßstäben. Für uns Frauen bedeutet das, endlich in unsere Kraft zu gehen, unser „Anders-Sein“ positiv zu sehen, und vermeidliche Schwächen als Stärken zu erkennen.
Viele Frauen setzten sich nicht für mehr Präsenz ein, weil sie oft selbstkritische Perfektionistinnen sind. Während sie noch überlegen, wie sie wirken, hat der Mann bereits angefangen zu reden. Wichtig ist aber, dass Perfektion nicht zur Prokrastination wird. Die berühmte 80/20 Regel besagt, dass 80 Prozent der Leistung ausreichen. Die letzten 20 Prozent kosten am Ende die meiste Arbeit. Wenn mehr Frauen dieser Regel folgen würden, dann wären auch mehr Frauen präsent. In diesem Sinne wünsche ich mir mehr Frauen mit Mut zur Lücke, frei nach dem Motto "Just do it!"