Der Klaps auf den Po, die Hand auf dem Knie – Frauen fällt es oft schwer, sich gegen solche sexuellen Übergriffe am Arbeitsplatz zur Wehr zu setzen. Dabei muss und darf man sich sexuelle Belästigung nicht gefallen lassen. Doch das ist natürlich oft einfacher gesagt als getan. Wir haben Christine Lüders, die ehemalige Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes nach ihren Tipps im Umgang mit sexueller Belästigung gefragt.
Etwas zu sagen, fällt vielen schwer
Sexuelle Belästigung kann in vielen Formen auftreten. Von einer unpassenden Bemerkung oder einem "Witz" bis hin zu Berührungen. Im Jahr 2020 haben sich laut Statista 89 Prozent der Frauen und 29 Prozent der Männer durch Worte sexuell belästigt gefühlt. Unerwünschte, körperliche Berührungen lagen bei den Frauen bei 86 Prozent und bei den Männern bei 34 Prozent. Weitere Möglichkeiten waren beispielsweise unangenehme Situationen mit Voyeurist:innen oder unangebrachte Nachrichten über direkte Nachrichtendienste. Insgesamt hatten 97 Prozent der Frauen eine der aufgeführten Formen von sexueller Belästigung erlebt. Bei den Männern waren es 55 Prozent. Die Agentur für Arbeit berichtet, dass jede:r elfte Beschäftigte in den vergangenen Jahren sexuelle Belästigung erlebt hat (Stand August 2022).
Die folgenden Tipps erklären dir, wie du dich erfolgreich zur Wehr setzen kannst:
Kompliment, Flirt oder doch Belästigung? Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz definiert ganz klar, wann aus vermeintlichem Spaß Ernst wird: Diskriminierung beginnt, wenn die Würde einer Person verletzt wird. Das kann zum Beispiel eine Berührung sein, aber auch eine Bemerkung oder das Zeigen von pornografischem Bildmaterial.
Ganz wichtig ist es, deine:n Chef:in zu informieren, denn er:sie hat die Pflicht, die belästigte Person zu schützen. Sollte dich dein:e Chef:in dennoch nicht ernst nehmen oder sogar die Person sein, die sich dir unangemessen nähert, dann gehe zur Beschwerdestelle.
Viele Menschen, die sich dir aufdrängen, haben ähnliches vermutlich auch schon bei anderen Mitarbeiter:innen versucht. Sprich deine Kolleg:innen doch einfach mal darauf an, ob diese bestimmte Person sich ihnen gegenüber auch schon einmal seltsam verhalten hat.
Führe zum Beispiel Protokolle darüber, wann, wie oft und wo es zu sexuellen Belästigungen kommt. Hebe unangemessene SMS oder frivole E-Mails unbedingt auf, um beweisen zu können, dass du bedrängt wurdest.
Mache dir klar, dass sexuelle Belästigung keine Bagatelle ist. Laut Studien wurde jede zweite Frau schon einmal sexuell belästigt – gut, dass inzwischen eine öffentliche Debatte angestoßen wurde, die den Frauen Mut gibt, darüber zu sprechen.
Viele Frauen fühlen sich als "Spaßbremse", wenn sie bei schlüpfrigen Bemerkungen nicht mitwitzeln, aber fest steht: Anzüglichkeiten haben am Arbeitsplatz nun einmal nichts verloren. Tipp: Gehe keinesfalls auf dümmliche Bemerkungen deines Gegenübers ein, indem du mit einem ähnlich geschmacklosen Spruch konterst. Wenn du mitmachst, begibst du dich damit auf das gleiche Niveau wie dein:e Gesprächspartner:in.
Sende nicht nur Abwehrsignale, sondern stelle verbal unmissverständlich klar, dass du dich von dem Verhalten belästigt fühlst. Wenn ein einfaches "Ich fühle mich davon belästigt" nicht ausreicht, mache der Person ruhig die rechtlichen Konsequenzen ihres Verhaltens deutlich.
"Es liegt an mir...", "mein Rock war wohl zu kurz" oder "habe ich vielleicht die falschen Signale gesendet?" Suche die Schuld für sexuelle Belästigung nicht bei dir selbst und mache dir bewusst, dass die "richtige" Kleidung in einem würdevollen Umgang miteinander sowieso keine Rolle spielt.
Nimm dir eine:n Anwält:in und gehe juristisch gegen die belästigende Person vor. Ihm:ihr drohen Folgen, die von einer Abmahnung bis zur Kündigung reichen können. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet gerne eine rechtliche Beratung an.
Leider ist die Dunkelziffer von sexuellen Belästigungsfällen immer noch hoch, da sich viele nicht trauen, diese Vorfälle anzusprechen. Besonders, wenn die Übergriffe von Kund:innen oder Vorgesetzten kommen, lassen sich viele mehr gefallen als nötig. Mache dir keine Gedanken um deine Karriere, sondern wehre dich gegen die Belästigungen – das macht auch anderen Mut.
Folgen sexueller Belästigung
Sexuelle Belästigung wird von Betroffenen oft als erniedrigend empfunden, teilweise auch als bedrohlich. In allen Fällen ist sie aber vor allem belastend. Und das kann sich auch auf die Gesundheit auswirken, sowohl psychisch als auch physisch. Angst, Scham, Ekel, Motivationsverlust und Konzentrationsschwierigkeiten, aber auch Schlafstörungen und Depressionen können laut Arbeitsagentur die Folge sein.
Das Problem ist, dass nicht jedes Unternehmen die nötigen Strukturen hat, um gegen sexuelle Belästigung vorzugehen: "Leider fehlt es in vielen Betrieben immer noch an Prävention und funktionierenden Beschwerdestrukturen zum Schutz vor Diskriminierung", heißt es auf der Seite der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Betroffene können sich auch direkt bei des Bundesstelle melden, wenn sie eine Beratung anfordern oder eine Diskriminierung dokumentieren möchten. Auch Unternehmen können sich auf der Seite direkt dazu informieren, welche Schritte zu einem sichereren Arbeitsumfeld führen können.
Weitere Informationen bietet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.