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Herzklopfen und Hirnrasen: Das Vorstellungsgespräch

Welcher Berufsanfänger hätte es nicht gern: Das Rezept für den perfekten Auftritt beim Vorstellungsgespräch. Man nehme eine Prise Selbstvertrauen, mische sie unter die gekonnte Präsentation der eigenen Stärken und Schwächen, dazu noch die ein oder andere berufspraktische Erfahrung, alles gut durchmixen und dann klappt's auch mit dem Traumjob. Doch so einfach ist das leider nicht. Darum haben wir bei den Experten nachgefragt
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Gute Frage. Nächste Frage?

Die Tür fällt ins Schloss, du auf den dir zugewiesenen Stuhl, und dann kann's auch schon losgehen: Das Vorstellungsgespräch. Deine Anfahrt war natürlich unproblematisch und du hast alles sofort gefunden. Dein Lebenslauf, der vor deiner vielleicht zukünftigen Chefin liegt, weist die ein oder andere Ungeradlinigkeit auf, doch die kannst du selbstverständlich kurz und überzeugend begründen und ins rechte Licht rücken. Alles läuft perfekt, und als dein Gegenüber zielstrebig auf dein Steckenpferd "Auslandsaufenthalte" zuschreitet, lehnst du dich entspannt zurück.

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Doch dann kommt alles anders. Wie hieß gleich die Region Italiens, in der Mailand liegt und in der du immerhin zwei Semester verbracht hast? Und der Name des neu gewählten Ministerpräsidenten? Moment. Aufsteigende Panik. Keinen blassen Schimmer. Nächste Frage. Oder besser doch nicht?

Damit du nicht mit dem schalen Nachgeschmack einer mehr oder weniger gelungenen Schadensbegrenzung den Raum verlassen musst, haben wir bei zwei Experten nachgefragt: Uwe Schnierda und Christian Püttjer haben schon vielen Bewerbern zu einem gelungenen Auftritt verholfen. Mit ihrer neu erschienenen "Trainingsmappe Allgemeinbildung" könnt ihr Wissenslücken erkennen und füllen. Und was sind die Fragen, auf die ich vorbereitet sein sollte? Wie breitgefächert muss mein Wissen sein und welche sind die Bereiche, in denen besonders gern nachgehakt wird? Gute Frage? Hier kommen die Antworten!

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Welche Fragen mich erwarten

BYM.de: Inwiefern ist eine gute Allgemeinbildung in einem Vorstellungsgespräch denn überhaupt von Belang?

Uwe Schnierda: Eine gute Allgemeinbildung ist durchaus von Belang! Die Zielgruppe für unsere Trainings-Mappe sind Ausbildungsplatzsuchende und Hochschulabsolventen. Bewirbt man sich beispielsweise als Reiseverkehrskauffrau, dann sollte man natürlich auch Kenntnisse im Bereich Geographie mitbringen. Ebenso ist das mit wirtschaftsnahen Berufen. Wer sich für eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich bewirbt, sollte Grundkenntnisse dieses Bereichs haben.

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BYM.de: Wonach richten sich die Fragen, die dem Bewerber gestellt werden? Gibt es bestimmt 'Punkte', bei denen gern genauer nachgehakt wird?

Uwe Schnierda: Generell haben wir sehr viele unterschiedliche Arbeitgeber: Vom kleinen Unternehmer über mittelständische Unternehmen bis hin zu den großen Konzernen. Je größer ein Unternehmen ist, desto professioneller wird ja eigentlich die Personalauswahl betrieben. Zum Beispiel mit Einstellungstests. In diesen können dann, das muss aber nicht immer sein, auch Fragen aus dem Bereich Allgemeinbildung gestellt werden. Konkret im Vorstellungsgespräch sieht es dann so aus, dass es natürlich darauf ankommt, für welchen Job sicher der Bewerber vorstellt: Ist es ein Beruf mit viel Kundenkontakt? Dann muss ich mit Fragen aus dem Bereich Kultur rechnen. Oder bin ich Hochschulabsolvent und bewerbe mich als Investmentbanker? Dann sollte ich mich wohl mit den aktuellen Aktienkursen auskennen. Und auch mit allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen. Wo nachgehakt wird, entscheidet sich also immer wieder neu.

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BYM.de: Und in Bezug auf den Lebenslauf? Fragen Personaler da gern mal genauer nach, beispielsweise in puncto Hobbys?

Uwe Schnierda: Das ist durchaus möglich! Je weniger Berufserfahrung Bewerber mitbringen, desto interessanter sind Hobbys. Man sollte sie jedoch auch nicht überbewerten: Erfahrungen aus Praktika sind natürlich höher gewichtet. Gerade bei Ausbildungsplatzsuchern ist es jedoch so, dass sie nicht so viel an praktischen Erfahrungen mitbringen. Dann versuchen Personaler schon mal rauszufinden, wie's aussieht: Hat derjenige mal etwas organisiert, veranstaltet oder mal eine Gruppe geleitet? Spannend ist, dass wir in den von uns angebotenen Bewerbungstraining-Seminaren immer wieder feststellen, dass die meisten viel mehr zu bieten haben, als sie in den Unterlagen angeben. So schreiben manche z.B. als Hobby "tanzen", und hinterher kommt dann raus, dass sie ein Tanzturnier organisiert und die Flyer selbst gestaltet haben. Warum sollte man das nicht in den Lebenslauf mit aufnehmen? Oder ins Gespräch mit einbringen?

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Was heißt das: Gute Allgemeinbildung?

BYM.de: Welche Bereiche sollte meine Vorbereitung abdecken? Was macht eine gute Allgemeinbildung eigentlich aus?

Uwe Schnierda: Letztere ist eine Frage, die man nicht beantworten kann. Es gibt ja auch nicht den AQ, also den Allgemeinbildungsquotienten. Da spielen viele Dinge zusammen. Ein hoher IQ allein hilft ja auf der Suche nach einer Anstellung auch nicht weiter. Man sollte sich immer vor Augen führen: Ich kann nicht alles wissen und nicht alles lernen. Damit möchte ich jetzt auch nicht Frustration predigen oder demotivieren nach dem Motto "Die Jugend von heute". Im Gegenteil: Jeder sollte gucken, was er für ein berufliches Ziel hat und dann ganz gezielt an die Sache rangehen. In diesem Sinne ist auch die Trainingsmappe aufgebaut: Wer im naturwissenschaftlichen Bereich etwas machen will, z.B. als MTA, der kann in diesem Kapitel auffrischen. Wer sich für Wirtschaft interessiert, in einem anderen. Die meisten Fragen hat man vielleicht so oder so ähnlich schon einmal gehört und kann sie trotzdem nicht mehr einordnen. Da sollte man auffrischen und das Langzeitgedächtnis aktivieren. Wir predigen keinen Perfektionismus sondern sagen: Gib das, was du geben kannst!

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BYM.de: Gibt es Bereiche, nach denen Personalchefs besonders gern fragen? Gibt es also etwas, auf das ich mich im Speziellen vorbereiten sollte?

Uwe Schnierda: Ein Tipp, den wir unseren Kunden immer wieder geben: Schaut euch die Homepage des Unternehmens an. Dort kann man sehr interessante Informationen finden, und somit später im Gespräch mit Wissen punkten. Wo findet in dem Unternehmen Sponsoring statt? Jede größere Firma hat da so ihr Steckenpferd, dann hat man schon mal einen Anhaltspunkt.

BYM.de: Wie und mit welchen Hilfsmitteln kann ich mich optimal vorbereiten?

Uwe Schnierda: Zuerst sollte man sich erstmal klar machen, dass ein Vorstellungsgespräch aus mehreren Elementen besteht. Es geht zum einen um das berufliche Profil, das man mitbringt. Außerdem sollte man in der Lage sein in zwei Minuten kurz zu begründen: Was bring ich für die Stelle mit? Das können die Wenigsten aus dem Stehgreif und verlangt Übrung. Was für Stärken bring ich mit? Das sollte man ausarbeiten und sich so seiner eigenen Stärken bewusst werden. So fühlt man sich weniger gestresst und schafft neues Selbstbewusstsein. Die Allgemeinbildung kann man mit unserer "Trainngsmappe" trainieren, z.B. mit Schulfreunden. Ich habe selbst eine Tochter in der 10. Klasse Realschule, da ist das Thema Bewerbung sehr aktiv. Meine Tochter hat sich mit Freunden die Fragen gestellt, die fanden das sehr spannend.

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Trainingsmöglichkeiten

BYM.de: Was halten sie davon, wenn man mit Freunden ein Bewerbungsgespräch nachstellt? Ist das auch ein gutes Hilfsmittel?

Uwe Schnierda: Ja, das finde ich sehr gut! Das ist eigentlich auch mit der Hauptbestandteil unserer Arbeit: Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung mal abzugleichen. Es gibt zwei typische Stressreaktionen: Die einen neigen zu Wadenbeißerei und Aggression, d.h. sie antworten patziger als sonst. Die anderen sind eher eingeschüchtert und sagen nichts oder ringen nach Worten. Man selbst bekommt sein eigenes Verhalten oft gar nicht so mit. Viele denken, dass sie in einem Vorstellungsgespräch heftig in die Mangel genommen und vorgeführt werden. Aber darum geht es gar nicht! Beim spielerischen Trainieren dieser Stress-Situation kann man sich mal gegenseitig ein bisschen unter Druck setzen. Dadurch gewinnt man Sicherheit. Und was Bewerber oft gar nicht glauben: Es sind tatsächlich bekannte Fragen, die auf sie zukommen: Warum diese Stelle? Warum glauben Sie, der oder die Richtige für uns zu sein?

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BYM.de: Werden eher Fragen zum tagesaktuellen Geschehen gestellt oder zu den großen Themen, die immer wieder über einen längeren Zeitraum in den Medien erscheinen?

Uwe Schnierda: Beides, das hängt von den Vorlieben der Firma ab. Das Aktuelle ist immer interessant, gerade bei großen Unternehmen: Wie ist der Aktienkurs? Wie ist insgesamt die wirtschaftliche Entwicklung in der Branche? Solche Fragen beantworten zu können, ist wichtig. Bewirbt man sich z.B. auf eine Stelle im journalistischen Bereich, klar, dann sollte man die Knackpunkte kennen: Man sollte wissen, was die Leute bewegt.

BYM.de: Sucht Ihrer Meinung nach jeder Arbeitgeber nach einem ganz bestimmten Wissenstyp?

Uwe Schnierda: Das ist eine schöne Frage! Arbeitgeber wären gut beraten, wenn sie ihre Teams mischen. Es gibt bestimmt eher diese Detailverliebten und auf der anderen Seite die Visionäre. Ich denke: Die Mischung sollte es ausmachen. Es wäre nicht verkehrt, nach einem bestimmten Wissenstyp zu suchen, aber nicht immer nach dem gleichen, das könnte sonst problematisch werden. Nach welchem Wissenstyp ein Personaler bei einer konkret frei werdenden Stelle sucht, hängt eben ganz stark von der Stelle ab. Und ob er die bekommt, hängt nicht nur vom Stand seiner Allgemeinbildung ab, sondern auch von anderen Faktoren wie Berufserfahrung, (Hoch)Schulleistungen, Auftreten, Persönlichkeit.

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Und wenn ich mal etwas nicht weiß?

BYM.de: Wie sollte ich mich verhalten, wenn mir in einem Vorstellungsgespräch eine Frage gestellt wird, die ich nicht beantworten kann?

Uwe Schnierda: Man sollte erstmal versuchen, noch mal nachzufragen und einzugrenzen. Also nicht gleich aufgeben! Ansonsten kann man auch ruhig zugeben, dass man etwas nicht weiß. Wichtig sind dann aber Sätze wie: "Ich kann das aber gerne nachgucken, kein Problem!" So signalisiert man Interesse.

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BYM.de: Gibt es Angaben im Anschreiben oder Lebenslauf, die ich vermeiden sollte, wenn ich ein genaueres Nachfragen verhindern möchte?

Uwe Schnierda: Ja, es gibt bestimmte Knackpunkte in Lebensläufen, die öfter mal auftauchen. Das ist aber von Bewerber zu Bewerber unterschiedlich. Die Angabe häufiger Schulwechsel z.B. kann man weglassen und einfach nur den Abschluss angeben. Bei Hobbys ist es wichtig, dass man nicht übertreibt. Damit meine ich, dass man nicht möglichst viele Hobbys angeben soll, denn so entsteht schnell der Eindruck einer stark freizeitorientierten Grundausrichtung - so nach dem Motto: Sieben Hobbys aber nur ein halbes Praktikum. Ein weiteres Problemfeld sind abgebrochene Ausbildungen. Wenn es der Fall ist, dass der Ausbildungsbetrieb Insolvenz anmelden musste, dann sollte das auch so im Lebenslauf stehen. Da fehlt Bewerbern häufig das taktische Geschick. Man sollte immer das Warum des Abbruchs deutlich machen, sonst zieht der Personaler schnell falsche Rückschlüsse und denkt: Aha, erst probiert sie das eine, dann schmeißt sie einfach alles hin und testet 'was Neues. Das soll so nicht passieren. Die Firmen sind gerne bereit, so etwas zu akzeptieren, wenn es entsprechend aufbereitet und glaubwürdig ist.

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BYM.de: Was sind Ihrer Meinung nach Gründe dafür, dass immer weniger Absolventen eine gute Allgemeinbildung haben?

Uwe Schnierda: Die Anforderungen an Bewerber sind in den letzten 20 Jahren stark gestiegen. Ich nehme da erstmal die Bewerber in Schutz, denn gerade im Bereich Fremdsprachen und PC-Wissen bringen sie heute deutlich mehr mit, als noch vor ein paar Jahren. Es gibt dazu sehr schön Untersuchungen von der Bundeswehr im Bereich Hauptschule, Realschule und Gymnasium, die seit Jahrzehnten jährlich veröffentlicht werden. In diesen Untersuchungen sieht man: Es ist tatsächlich so, dass bestimmte Sachen nicht mehr so gut funktionieren, ein Dreisatz beispielsweise nicht mehr so geläufig ist. Bei Fremdsprachen und PC-Kenntnissen sieht das aber, wie gesagt, deutlich anders aus. Jeder Arbeitgeber sucht natürlich irgendwie nach der 'Eier legenden Wollmilchsau', die wäre allen am liebsten. Wünschen kann man sich viel. Aber muss die Menschen eben so nehmen, wie sie sind.Wenn ich mir heute bestimmte Ausbildungsberufe angucke, für die Gymnasiasten gesucht werden, dann stelle ich erschrocken fest: Das sind Anforderungen, die früher an Fachhochschul-Absolventen gestellt wurden! Man soll beispielsweise auf Englisch kommunizieren können. Und das als Schulabgänger! Das ist schon ein ordentliches Niveau... Früher wurde auch sehr viel nur ins Kurzeitgedächtnis gepaukt. Das hat man dann eben schnell wieder vergessen. Heute in Zeiten von zentralen Schulprüfungen sieht das anders aus. Jetzt wird gezielt daran gearbeitet, Dinge ins Langzeitgedächtnis zu bringen, indem Tests zum Stoff der vergangenen Klassen geschrieben werden. Das halte ich für sehr sinnvoll.

BYM.de: Sie können also feststellen, dass Berufsanfänger häufig Dinge schon können müssen, die sie eigentlich in ihrer Ausbildung erst lernen sollen?

Uwe Schnierda: Das wird gewünscht, ja. Viele Bewerber bringen aber auch viel mit, sie haben an Schulaustausch-Programme teilgenommen oder mal einen Ferienkurs gemacht. Eins ist ganz klar: Deutschland bewegt sich in den letzten Jahrzehnten hin zu anspruchsvollen Berufsfeldern. Und da müssen die Leute entsprechend geschult werden. Gut für den, der von zu Hause entsprechend unterstützt wird. Das zeigt ja die aktuelle Bildungsdiskussion: Da, wo's nicht klappt, Stichwort Haupt- und Realschule, da haben es die Schüler dann einfach schwer. Die Ansprüche sind definitiv gestiegen.

Die Autoren

Herzklopfen und Hirnrasen: Das Vorstellungsgespräch
© Campus Verlag

Christian Püttjer und Uwe Schnierda gelten im Bereich "Bewerbung" als Deutschlands bekannteste Ratgeber-Autoren. Die wertvollen Erkenntnisse, die sie während ihrer mittlerweile sechzehnjährigen Tätigkeit als Berater zu den Themen Karriere, Bewerbung und Rhetorik gewinnen konnten, haben sie in zahlreichen Büchern veröffentlicht. Die Trainingsmappe Einstellungstest ALLGEMEINBILDUNG ist im August 2008 bei Campus erschienen und kostet 17,90 Euro.

Text & Interview Julia Windhövel

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