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Frau als Chef: Erfolgreich und beliebt - wie geht das?

Respektiert, aber wenig beliebt: Chefin kann nur sein, wer das aushält. Worauf es beim Aufstieg in die Führungsetage ankommt, erklärt Management-Trainerin Doris Hartmann.

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BRIGITTE: Kann eine Frau im Job zugleich beliebt und erfolgreich sein?

Doris Hartmann: Ob sie gleichermaßen erfolgreich und beliebt ist, hängt davon ab, worüber sie ihren Erfolg definiert. Wenn die Autorität fachlich nicht angezweifelt wird und die Kolleginnen und Kollegen dank ihrer Persönlichkeit für sie eingenommen sind, ist das optimal. Allerdings ist das immer ein Balanceakt zwischen Person und Sache. Und balancieren kann nicht jede.

BRIGITTE: Muss sie sich dann irgendwann zwischen der Beliebtheit bei Kollegen und bei Vorgesetzten entscheiden?

Doris Hartmann: Das hängt davon ab, wie souverän sie ist, worauf ihr Rollenverständnis beruht. Wenn sie sich von der Anerkennung des Teams abhängig fühlt, werden Vorgesetzte das nicht schätzen. Wenn sie sich statt dessen stark an Autoritäten anpasst, leidet das Verhältnis zum Team. Nur wer souverän seinen Job macht und in Konflikten klare, gut begründete Positionen einnimmt, kann von Chef und Kollegen gleichermaßen geschätzt werden.

BRIGITTE: Beruht übertriebenes Harmoniebedürfnis auf falschen Erwartungen an den Arbeitsplatz?

Doris Hartmann: In der Single-Kultur gerät die Firma oft zu dem Ort, an dem Menschen eine Ersatz-Familie suchen. Die Konsequenz: Teams werden umfunktioniert für die eigenen, persönlichen Interessen.

BRIGITTE: Ist Frauen eine harmonische Atmosphäre im Job wichtiger als Männern?

Doris Hartmann: Nein. Männer lernen allerdings schneller, nach den Gesetzen des Wettbewerbs zu leben. Sie haben zudem ein gutes Gespür dafür, was sie tun müssen, um in einem Unternehmen etwas zu erreichen. Dieser funktionale Blick fehlt vielen Frauen. Sie tun sich auch schwerer als Männer damit, ihre Leistung gut zu verkaufen. Für sie ist der Beruf vor allem ein Stück Selbstverwirklichung, sie wollen nicht in erster Linie Macht und Einfluss, sondern Anerkennung, um sich entfalten zu können.

BRIGITTE: Sind Frauen damit leichter erpressbar?

Doris Hartmann: Das kommt auf die Frau an, aber von der Tendenz her schon. Frauen haben das Gefühl, sie müssen mehr arbeiten als andere, um darüber mehr Anerkennung zu bekommen. Das ist ein Irrtum. Wer alles macht, verspielt seine Qualitäten. Frauen werden dann zu fleißigen Mädchen, zu einer angeblich unersetzlichen Schnittstelle im Team.

BRIGITTE: Was ist daran negativ?

Doris Hartmann: Wer sich in diese Rolle drängen lässt - oder sie freiwillig annimmt -, verliert an Profil. Wenn eine Frau im Job ständig damit beschäftigt ist, es allen recht zu machen, verschwimmt ihre fachliche Kernkompetenz. Wenn sie erst mal das fleißige Mädchen für alle ist, bleibt sie auf dieser Position auch meistens hängen. Sie arbeitet viel, wird aber nie befördert und auch nie besser bezahlt.

BRIGITTE: Wie können Frauen denn vermeiden, dauernd von anderen eingespannt zu werden?

Doris Hartmann: Frauen müssen schneller sein. Wenn sie schon wissen, dass der Chef sie gern zum Wochenend-Dienst einteilt, müssen sie eben vorher zu ihm gehen und über andere Möglichkeiten reden. Es hilft nicht, einfach Nein zu sagen, denn so entsteht ein Machtkampf, den sie nicht gewinnen können. Sie sollten statt dessen drei alternative Lösungen für das Problem präsentieren. Das schärft zudem das Profil, weil die Lösungskompetenz der Mitarbeiterin deutlich wird. Das heißt aber nicht, dass sie nie Nein sagen sollen. Bei unangemessenen Anweisungen ist das sogar wichtig. Sie machen sich zwar nicht beliebt, gewinnen aber etwas viel Kostbareres: Respekt.

BRIGITTE: Wie wichtig ist es für die Karriere, Spannungen mit Kolleginnen und Vorgesetzten aushalten zu können?

Doris Hartmann: Es ist entscheidend. Wer weiterkommen will, muss nicht nur seine Aufgabe stringent verfolgen, sondern auch die Entscheidungen der Unternehmensleitung vertreten können, selbst gegen die eigene Position. Das mag in Konfliktsituationen - bei Entlassungen oder Umstrukturierungen - ziemlich schwer sein. Aber es gibt dazu keine Alternative.

BRIGITTE: Man muss also dem Unternehmen gegenüber in jedem Fall loyal bleiben?

Doris Hartmann: Oder man muss gehen, wenn man die Geschäftspolitik nicht mehr mittragen kann.

BRIGITTE: Karrieristen wird nachgesagt, sie empfänden es als Lob, bei Kollegen und Untergebenen unbeliebt zu sein. Ist das tatsächlich ein Gradmesser für erfolgreiches Arbeiten?

Doris Hartmann: Nicht, wenn man langfristig mit einem Team zusammenarbeiten will oder muss. Viele Prozesse sollen ja heute schneller und effizienter ablaufen, und das geht nur, wenn ein Team gut geführt wird. Positionshaie sind dazu in der Regel nicht geeignet. Wer auf seinem Weg nach oben einkalkuliert, sich Feinde zu machen, sollte wissen, dass man sich im Leben immer zweimal sieht. Das kann für die Karriere sehr hinderlich werden.

BRIGITTE: Gerade Führungskräfte, die neu in ihrer Funktion sind, finden häufig Mitarbeiter vor, die ihnen diesen Job missgönnen, womöglich sogar Intrigen anzetteln. Wie bleibt man da gelassen?

Doris Hartmann: Führungskräfte dürfen überhaupt nicht gelassen bleiben, sie müssen hoch aufmerksam sein und jeden Morgen wissen: "Jetzt betrete ich Feindesland." Das bedeutet auch, dass sie Konflikte sehr offen und sehr direkt angehen und immer in der Offensive bleiben. Sie müssen ständig prüfen, ob der Gegner der Sache oder ihnen schadet. Und das geht bis zu einer Entscheidung so: für oder gegen einen.

BRIGITTE: Das klingt hart.

Doris Hartmann: Das ist es auch. Aber es gibt keine Alternative. Wenn Frauen Führungskraft sein wollen, müssen sie einfach wissen, dass sie nie beliebt sein werden. Respektiert ja, aber nicht beliebt. Das ist nicht persönlich gemeint, das liegt einfach an der Rolle. Führungskraft kann nur sein, wer das aushält. Und sie müssen auch aushalten können, dass sie allein sind mit ihren Entscheidungen. Selbst unter Kollegen auf der gleichen Ebene können sie sich selten austauschen, weil die mit ihnen um die nächsthöhere Position konkurrieren. Deswegen erlebt Coaching einen solchen Boom: weil viele Führungskräfte diesem Druck allein nicht standhalten und einen Rückhalt suchen.

Führung lernen

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Doris Hartmann, langjährige Leiterin der BRIGITTE-Berufsseminare, veranstaltet in Hamburg jetzt auch das Job-Coaching "Führen durch Persönlichkeit". Infos und Anmeldung unter www.dorishartmann.de, Tel. 040/41 70 51, Fax 040/44 42 96 oder E-Mail:

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