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Faultier-Strategie: Weniger Stress!

Stress ist ungesund - und Fleiß wird vom Chef eh nicht belohnt, meint Autorin Susanne Reinker. Sie rät: Mit der Faultier-Strategie für weniger Stress sorgen.

BRIGITTE.de: Die Welt steckt mitten in der Finanzkrise, Unternehmen gehen pleite, Mitarbeiter werden entlassen. Ist jetzt wirklich der richtige Zeitpunkt, um zum Faultier zu mutieren?

Susanne Reinker: Jetzt ist der günstigste Zeitpunkt überhaupt. Den Gürtel enger schnallen, sein Bestes geben, nur nicht durch den Rost fallen - das hören die Mitarbeiter ja schon seit knapp zehn Jahren, ohne dass es sich für sie ausgezahlt hätte. Manche Arbeitgeber sagen ihren Mitarbeitern heute: Wir wissen ja, dass ihr euer Bestes gegeben habt, aber am Ende hat es leider nicht gereicht, um euch zu retten. Da ist es schon aus gesundheitlichen Gründen angebracht zu überlegen, wie weit das Prinzip Leistung noch trägt. Ich behaupte, es trägt nicht mehr.

BRIGITTE.de: Irgendjemand muss die Arbeit ja nun mal tun. Wenn die fest Angestellten weniger arbeiten - geht das nicht auf Kosten der vielen Praktikanten, befristet Angestellten und Scheinselbständigen?

Reinker: Faul zu sein bedeutet nach meiner Definition ja nicht, dass man von 9 Uhr bis 5 Uhr in der Nase bohrt. Es bedeutet, dass man anstatt der 150 Prozent, die heute praktisch jeder Arbeitgeber fordert, nur 70 bis 80 Prozent gibt. Den Rest spielen Sie Ihrem Chef geschickt vor. Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie, dass auch befristet Angestellte und Praktikanten kleine Faultierstrategien haben, mit denen sie sich ein paar Minuten Ruhe verschaffen. Am häufigsten können Sie solche Strategien übrigens bei Chefs beobachten.

BRIGITTE.de: Klar, auf Dauer kann niemand 150 Prozent geben - aber warum nicht 100 Prozent?

Reinker: Wer jung ist, eine Ausbildung hat in einer Zukunftsbranche und es ganz nach oben bringen will, kommt um seine 150 Prozent Leistung nicht herum. Aber wenn Mitarbeiter tatsächlich 100 Prozent geben, ist das erstens einem Chef meist zuwenig und zweitens wird es auch dann irgendwann sehr ungesund. Vorgeben, man arbeite am Limit, ist legitime Selbstverteidigung im Job - denn sonst wird der Chef noch das letzte Quäntchen Leistungsfähigkeit aus Ihnen rausquetschen.

BRIGITTE.de: Aber ist das nicht unehrlich?

Reinker: Die wenigsten Leute sind sich darüber im Klaren, dass Stress die Konzentrationsfähigkeit vermindert und die Anfälligkeit für Fehler erhöht. Wer ständig 100 Prozent oder mehr gibt, bringt am Ende vermutlich weniger zustande als jemand, der es ruhig angehen lässt. Außerdem: Stresskrankheiten sind inzwischen der wichtigste Grund für betriebliche Krankschreibungen. Wenn ich mich richtig reinhänge, behalte ich vielleicht meinen Job und sorge dafür, dass meine Rente stimmt - aber ich kann mir nicht sicher sein, ob ich die Rente überhaupt erlebe!

BRIGITTE.de: Es gibt doch Möglichkeiten, ganz offiziell nur 60 bis 70 Prozent zu geben - zum Beispiel, indem man Teilzeit arbeitet oder Downshifting betreibt, sich also einen weniger stressigen Job sucht.

Reinker: Wenn man will, kann man sich natürlich eine Teilzeitstelle suchen. Aber etwas Neues finden ist in jetzigen Zeiten nicht gerade einfach. Warum also nicht versuchen, durch einen bestimmten Eindruck zu überzeugen statt durch Leistung? Alle Karriere-Ratgeber wissen, dass Leistung vom Chef sowieso nicht angemessen wahrgenommen wird.

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BRIGITTE.de: Es gibt auch Ratgeber, die dafür werben, effizienter zu arbeiten - und sich dadurch Freiräume zu verschaffen.

Reinker: Das Problem ist: Die meisten Chefs glauben automatisch, ein Mitarbeiter, der lange an seinem Arbeitsplatz sitzt, sei besonders fleißig. Wir können natürlich versuchen, Stress zu reduzieren, indem wir nur noch einmal am Tag E-Mails angucken und Meetings kürzen. Früher nach Hause gehen können wir deshalb aber trotzdem nicht. Die Vorgesetzten bleiben demonstrativ bis in die Puppen im Büro - und deshalb tun es auch die Kollegen. Wenn man dieses kollektive Überstundentheater nicht irgendwann abschaffen kann, dann bleibt einem nichts anderes als mitzuspielen - und in dieser Zeit verdeckten Freizeitaktivitäten nachzugehen.

BRIGITTE.de: Warum ist es überhaupt erstrebenswert, faul zu sein?

Reinker: Mein Buch habe ich nicht für Leute geschrieben, die sich diese Frage stellen. Sondern für Leute, die sagen: Diese ganze Anstrengung bringt doch nichts, ich werde unterbezahlt, der Chef interessiert sich eh nicht für mich - ich fahre meine Leistung lieber so unauffällig zurück, dass die Balance aus Einsatz und Entgelt wieder stimmt. Und ich habe es für Leute geschrieben, die sich als Job-Guerilleros, als subversive Büro-Untergrundkämpfer, verstehen und sich sagen: Hier findet ein neuer Klassenkampf statt.

BRIGITTE.de: Wie meinen Sie das?

Reinker: : Es gibt zunehmend Bespitzelungs- und Abhörskandale in Unternehmen, es gibt dubiose Kündigungen, es gibt Seminare für Arbeitgeber zum Thema "Wie knacke ich den Kündigungsschutz von Betriebsräten und Schwerbehinderten". Manche Arbeitnehmer wollen da nicht mehr mitspielen. Für sie ist die gezielt eingebrachte Leistungsverweigerung, die ihnen zu mehr Entspannung verhilft, ohne sie der Gefahr einer Kündigung auszusetzen, legitime Notwehr.

BRIGITTE.de: Gerade Frauen sind ja dafür bekannt, Fleißarbeiten zu verrichten und ihren hohen Einsatz auch noch bescheiden unter den Teppich zu kehren. Richtet sich das Buch besonders an sie?

Reinker: Die Mehrzahl der Frauen glaubt immer noch: Ich muss nur fleißig sein, dann merkt der Chef ganz von selbst, was er an mir hat, und irgendwann werde ich befördert. Das stimmt aber nicht. Die Vorgesetzten sind zu 70 Prozent Männer, und die beherrschen das Spielchen "Mit wenig Einsatz viel Eindruck schinden" perfekt. Gerade von männlichen Vorgesetzen können Frauen eine Menge lernen.

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Susanne Reinker Die Faultier-Strategie Clever durch den Arbeitsalltag Econ Verlag, 16,90 Euro

Interview: Swantje Wallbraun Foto: Getty Images

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