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Entscheiderinnen: Frauen, die mit Millionen jonglieren

Drei Frauen, die richtig viel Geld haben - im Job. Sie treffen Entscheidungen, die richtig viel Geld kosten können - und vielleicht den Job.

Sigrid Fortkord kauft Drucklizenzen für Romane

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Für die Reparatur ihres Golfs musste Sigrid Fortkord kürzlich zweieinhalbtausend Euro bezahlen. "Dass ein Auto so viel Geld verschlingt - darüber habe ich mich tagelang geärgert..." Obwohl sich die Kfz-Rechnung geradezu lächerlich ausnimmt, gemessen an den Summen, mit denen sie im Job umgeht. Doch die Vorstellung, dass ihr Privatsaldo einmal ähnlich viele Stellen vor dem Komma aufweisen könnte wie das Firmenkonto, ist selbst für die gut verdienende Angestellte reine Utopie.

Sigrid Fortkord kauft für "Der Club Bertelsmann" bei anderen Verlagen Drucklizenzen für Romane ein, die dann als Clubausgaben erscheinen und den Mitgliedern zu einem Vorteilspreis angeboten werden. Ihr Etat: rund neun Millionen Euro pro Jahr. Der Umsatz der Romane bringt später ein Vielfaches - vorausgesetzt, dass Sigrid Fortkord mit ihrer Auswahl richtig liegt. Wunderbar einfach wäre ihr Job, wenn sich der Geschmack ihrer Leser im Voraus berechnen ließe. Dann könnte sie klar durchkalkulieren, wie viele Menschen "Die Schuld" von John Grisham oder "Ein kleiner Freund" von Donna Tartt kaufen werden - und zu welchem Preis. Aber das funktioniert nur dann relativ zuverlässig, wenn das Buch schon vor dem Lizenzkauf ein Bestseller war.

Bei den meisten der rund 350 Titel, die pro Jahr bei "Der Club Bertelsmann" erscheinen, zählen vor allem Erfahrung und Gefühl für den Geschmack und die Interessen der Kundschaft. Deshalb beschäftigt Sigrid Fortkord Testleser - Hausfrauen und Studenten, die nach der Lektüre ein Feedback abgeben. Natürlich liest sie selbst -zig Bücher und checkt regelmäßig die Topseller-Listen, unter anderen die des Internet-Buchhändlers Amazon.de.

Trotzdem bleibt bei fast jeder Kaufentscheidung das Risiko, später auf den Büchern sitzen zu bleiben. Deshalb musste die ausgebildete Verlagskauffrau und studierte Literaturwissenschaftlerin auch "ziemlich schlucken", als sie das erste Mal eine Lizenz für 100000 Euro einkaufte. Zum Glück ist dies die Preisklasse für Bestseller-Autoren wie John Grisham, Elizabeth George, Dan Brown oder Minette Walters, da kann also nicht viel schief gehen. Und natürlich ist sie froh, dass sie den Apparat des Buchclubs im Rücken hat. Entscheidungen stimmt sie mit ihrer Chefin ab, wie z. B. die Lizenz für "Eddies Bastard" von William Kowalski, ein unbekannter Titel, auf den Sigrid Fortkord von Anfang an gesetzt hatte und der sich dann sehr gut verkaufte. Ein ähnlicher Überraschungserfolg übrigens wie jetzt der Island-Krimi "Nordermoor" von Arnaldur Indridason, ein Insider-Tipp aus dem Verlag. Und der Vertrieb sorgt schließlich dafür, dass möglichst keine Clubausgabe zum echten Ladenhüter wird.

Vor sechs Jahren, als Sigrid Fortkord bei Bertelsmann anfing, "wurde öfter mal für einen Titel wesentlich mehr Geld ausgegeben, als das jetzt bei uns üblich ist". Und wenn was in den Sand gesetzt wurde? "Dann musste eben der nächste Titel erfolgreicher sein..." Damals waren es fast ausschließlich männliche Kollegen, die das Buchclub-Programm machten. Inzwischen sind im Programmbereich vor allem Frauen in der Verantwortung.

Brigitte Behrens entscheidet über Geld für Umweltprojekte

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Brigitte Behrens hätte manchmal am liebsten gar nichts mehr mit Greenpeace zu tun. Endlich mal nicht mehr vom Bäcker, beim Friseur oder in der Arztpraxis auf die aktuellen Aktionen der Umweltorganisation angesprochen werden. Jeder kennt Greenpeace, jeder hat eine Meinung, jeder teilt sie ihr mit. Ihre Freunde stellen sie auf Partys meist auch gleich so vor: "Das ist Brigitte Behrens, die Geschäftsführerin von Greenpeace." Keine Chance, einfach mal nur sie selbst zu sein, Beruf und Privatleben ganz normal zu trennen, wie es andere Berufstätige auch tun.

Greenpeace ist eben nicht normal. Brigitte Behrens weiß das - sie ist seit 1986 dabei. Jahrelang war sie stellvertretende Geschäftsführerin, seit 1999 trägt sie die Verantwortung allein, unter anderem für einen Jahresetat von aktuell 41 Millionen Euro. Erschreckt sie der Gedanke an so viel Geld? Oder ist sie eher stolz auf so viel Macht? Nein, sagt sie, weder noch. Seit sie damals bei den Demos gegen das Atomkraftwerk Brokdorf mitmarschierte, ist sie durch nichts mehr leicht zu beeindrucken. Schon gar nicht durch Geld.

41 Millionen sind sowieso nicht viel, um globale Kampagnen zu finanzieren, findet sie: "Was wir im ganzen Jahr ausgeben, das reicht bei manchen Konzernen gerade mal für den Werbe-Etat."

Das Ziel der Umweltschützerin: Greenpeace schlagkräftig zu halten und die Einnahmen zu erhöhen, zum Beispiel durch Brief- und Mail-Aktionen, mit denen sie bisherige und potenzielle neue Förderer ansprechen will, mit projektbezogener Spendenwerbung, mit Anzeigen und mit Straßenwerbung. In den letzten beiden Jahren ist ihr das gelungen. Obwohl immer häufiger das Ende der Umweltbewegung beschworen wird. "Bisher waren wir immer froh, wenn wir unsere Einnahmen gehalten haben." Neuerdings gibt es ein erweitertes Controlling, und die Bereichsleiter müssen genau berichten, wofür sie wie viel Geld ausgeben.

Professioneller und effektiver soll Greenpeace künftig wirtschaften. Wie ein ganz normales Unternehmen? Wohl kaum. Nicht, solange ein Erfolg wie der Atomausstieg dazu führt, dass bei Greenpeace Förderer abspringen, weil für sie ein wichtiges Ziel erreicht ist. Nicht, solange Brigitte Behrens entscheiden muss, ob in eine Kampagne gegen Gentechnik mehr Geld investiert werden darf als in eine Kampagne zum Schutz der Urwälder. Das, findet sie, ist die größte Herausforderung in ihrem millionenschweren Alltag: den Kopf frei bekommen. Nicht fürs Privatleben. Sondern für die wirklich wichtigen Fragen.

Anja Rey ordert noble Designermode

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An manchen Tagen sitzt Anja Rey abends im Hotelzimmer und fragt sich: "Mensch, was hab ich heute bloß alles eingekauft?" Blazer, Kostüme, Kleider, Röcke - für eine komplette Million Euro. Zum Glück leidet sie nicht an einem Kaufrausch. Die Million, die sie ausgegeben hat, ist sorgfältig kalkuliert. Aber: Eine Million bleibt viel Geld. Auch wenn es die dritte Saison ist, in der Anja Rey für das Haus Peek & Cloppenburg Designermode einkauft, checkt sie nach solchen Großeinkäufen noch mal ihre Aufträge: Hab ich wirklich die richtigen Stückzahlen geordert? Die richtigen Farben? Die richtigen Stoffe?

Escada, Armani Collezioni, Hugo, Strenesse: Aus den Kollektionen verschiedener Hersteller wählt sie Modelle und Qualitäten aus, die sie für besonders geeignet hält, legt die Farben fest und taxiert, wie oft sich die einzelnen Teile vermutlich verkaufen lassen. Wenn sie sich verschätzt hat, fehlen der Abteilung von Anja Rey gleich ein paar Millionen. Das tut weh - auch einem großen Unternehmen. "Wer schlechte Zahlen hat, steht natürlich unter riesigem Druck", sagt die studierte Betriebswirtin.

„Ich muss mich in die Zielgruppen hineinversetzen und ihren Geschmack treffen." Und zwar immer schon zwei Saisons im Voraus. Dafür gibt es Messen, Inforeisen und Fachzeitschriften, aber keine spezielle Ausbildung. "Man muss Mode mögen und ein Gefühl dafür haben." Außerdem hat sie gründlich studiert, was ihre Vorgängerin hinterließ. Jeden Abend saß sie anfangs zu Hause über den Verkaufszahlen, bearbeitete Aufträge und analysierte die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen der einzelnen Lieferanten.

„In der ersten Saison hatte ich wirklich schlaflose Nächte", das kann sie jetzt, eineinhalb Jahre später, zugeben. Direkt nach der Traineezeit übernahm Anja Rey den Job. "Hoffentlich kann ich das", dachte sie. Denn P & C in Frankfurt ist das größte Haus der Kette in Deutschland. Es war ein Sprung in die übernächste Liga. Doch inzwischen mag die Job-Millionärin ihre Millionen gar nicht mehr missen. "Mit großen Summen kann ich einfach ein besseres Sortiment zusammenstellen. Wenn ich nur die Hälfte oder noch weniger ausgeben könnte, würde es viel weniger Spaß machen."

Text: Gudrun Sonnenberg Fotos: Christoph Gödan, André Heeger, Bärbel Högner

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