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BGH stärkt Rechte von Unverheirateten

Die wilde Ehe wird gezähmt: Der Bundesgerichtshof erleichtert es Paaren ohne Trauschein, nach der Trennung Ausgleichsansprüche zu stellen. In Zeiten hoher Scheidungsquoten wertet der BGH die ehelose Partnerschaft immer weiter auf.

"Wilde Ehe" heißt es, wenn ein Paar zusammenlebt, ohne dass ein Standesbeamter ein Papier unterschrieben oder ein Pfarrer seinen Segen gegeben hat. Wild, das klingt ein bisschen nach frei und gesetzlos. Aber die wilde Ehe wird gezähmt: Der Bundesgerichtshof hat ein Grundsatzurteil gesprochen über die Rechte unverheirateter Partner. Sie sollen, wenn sie sich trennen, künftig leichter Vermögenswerte zurückfordern können.

Wer mit seinem Partner ohne Trauschein zusammenlebt, setzt in der Regel auch keinen Vertrag auf, wenn das Paar zusammen etwas kauft. Ein Schriftstück in doppelter Ausführung für die gemeinsam angeschaffte Einbauküche - wer pflegt schon eine solche Beziehungs-Bürokratie? Einem Mann aus Thüringen wurde allerdings zum Verhängnis, dass er auf eine solche Regelung verzichtet hatte - er musste sich bis zum BGH klagen.

Lebenspartnerschaft ist kein rechtsfreier Raum

Er hatte gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin ein Grundstück gekauft und ein Haus gebaut - alles auf den Namen der Frau. Vier Jahre später setzte sie ihn auf die Straße. Die Klage des Thüringers, der einen Ausgleich für seinen Anteil an dem Haus wollte, wurde von zwei Gerichten abgewiesen. Denn bisher war die Rechtsprechung der Meinung: Wer auf die Ehe verzichtet, wie es aktuell 2,4 Millionen Paare in Deutschland tun, will kein rechtliches Korsett für seine Beziehung - und deshalb auch keine Gegenleistungen oder Entschädigungen für Dinge, die er für das Zusammenleben kauft oder tut. Erst seit dem neuesten Urteil des BGH ist das anders.

"Der Bundesgerichtshof macht klar, dass auch eine nichteheliche Gemeinschaft kein rechtsfreier Raum ist", sagt Rechtsanwalt Thilo Wagner. Die Richter schreiben das so: Wer einen wesentlichen Beitrag leistet, mit denen ein Vermögenswert von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung geschaffen wurde, dessen Alleineigentümer der andere Partner ist, hat Ausgleichsansprüche.

Konkret heißt das, die gemeinsam gekaufte Sache muss wertvoll sein. Bei einem Fernseher greift die neue Rechtsprechung nicht, aber es muss auch nicht gleich eine Immobilie sein. Nach Einschätzung von Rechtsanwalt Wagner könnten die neuen Ausgleichsansprüche durchaus auch für ein gemeinsames Aktiendepot oder das Familienauto gelten. Er hält auch für möglich, dass Ex-Partner aus bereits beendeten Beziehungen nach dem neuen Urteil nun Nachforderungen stellen.

Schon wieder gesteht der Bundesgerichtshof Unverheirateten damit mehr Rechte zu. Erst 2006 hatte er neue Leitsätze entwickelt, um das Recht lediger Mütter auf Unterhalt an die Rechte geschiedener Mütter anzugleichen. Deutlich schreiben die Richter das auch in ihrem aktuellen Urteil: "Dass nur das Vertrauen von Ehegatten in die lebenslange Dauer ihrer Verbindung rechtlich geschützt ist, vermag mit Blick auf die hohe Scheidungsquote eine unterschiedliche Behandlung nicht überzeugend zu begründen." Wenn das Ja vor dem Standesbeamten also eigentlich nur "wahrscheinlich" heißt, dann ist sie auch juristisch nicht mehr als etwas ganz anderes zu beurteilen als eine Lebenspartnerschaft. Die Scheidungsquote, das Verhältnis zwischen geschlossenen und geschiedenen Ehen, lag im Jahr 2006 bei mehr als 50 Prozent - auf etwa 300.000 Hochzeiten kamen mehr als 200.000 Scheidungen.

Sicherheit mit Partnerschaftsvertrag

Trotzdem weist Rechtsanwalt Thilo Wagner darauf hin, dass auch mit den jüngsten Urteilen eine ehelose Beziehung immer noch ein loses Bündnis bleibt - und empfiehlt unverheirateten Paaren, einen Partnerschaftsvertrag zu schließen. Darin kann etwa festgelegt werden, welche Sachen den Partnern gemeinsam gehören sollen, es können Kontovollmachten erteilt oder Rechte etwa auf Einsicht in Krankenakten gewährt werden. Dass die Gerichte die wilde Ehe der echten immer mehr angleichen, hält Wagner für gar nicht so erstrebenswert: "Das käme praktisch einer Zwangsverheiratung durch den Gesetzgeber oder die Rechtsprechung gleich." (Az. XII ZR 179/05)



Ist es richtig, dass der BGH die Ehe ohne Trauschein der echten Ehe angleicht? Schreiben Sie einen Kommentar!

Text: Swantje Wallbraun Foto: Fotolia.com

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