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Wie wir aus Schwächen Stärken machen

Sich ausnutzen lassen oder empfindlich auf Kritik reagieren: Sieben typische Schwächen, aus denen Sie eine Stärke machen können.

Sie können nicht Nein sagen, weil Sie niemandem vor den Kopf stoßen wollen

Wie wir aus Schwächen Stärken machen
© Ferran Traite Soler/istockphoto.com

Nach drei Tagen Überstunden haben Sie sich fest vorgenommen, pünktlich zu gehen. Da stürmt zehn Minuten vor Feierabend Ihr Kollege ins Büro und bittet Sie, ausgerechnet jetzt länger zu bleiben, weil er mit seinem Sohn dringend zum Fußball muss. Ohne es zu wollen, sagen Sie Ja und ärgern sich später, dass Sie schon wieder Rücksicht genommen haben.

Ihr Problem: Nur zu gerne würden Sie auch mal Nein zu sagen, aber irgendwie trauen Sie sich nicht.

Menschen, die nicht Nein sagen können, sagen gerne Ja. Die Stärke der Ja-Sager besteht darin, zu Ihren Mitmenschen eine gute Beziehung zu pflegen. Mit Ihrer Zustimmung möchten Sie anderen signalisieren, dass Sie sie wertschätzen und unterstützen möchten. Bei einem Nein befürchten Sie, der andere könne Sie als schroff und ablehnend einschätzen.

Diese Vorsicht und Rücksichtnahme ist nur dann eine Schwäche, wenn sie Sie daran hindert, auch mal Nein zu sagen. Wenn Sie diese Vorsicht jedoch nutzen, um respektvoll Nein zu sagen, dann machen Sie aus der eigentlichen Schwäche eine persönliche Stärke.

Das können Sie tun:

Achten Sie in Zukunft beim Nein-Sagen besonders darauf, unterstützend und wertschätzend zu bleiben. So gehen Sie sicher, dass keiner vor den Kopf gestoßen wird. Ganz nach dem Motto "der Ton macht die Musik" sollten Sie Nein-Sage-Formulierungen finden, die freundlich und zugewandt wirken. So wird daraus eine ihrer persönlichen Stärken.

Zum Beispiel so:

"Tut mir Leid, Frank, heute kann ich nicht länger bleiben. Ich habe schon drei Tage hintereinander Überstunden gemacht und brauche dringend Ruhe. Kann ich Dich anders unterstützen? Ich könnte Sabine fragen, ich weiß, dass sie diese Woche noch Minus-Stunden hat."

Wenn Sie die Fünf-Punkte-Strategie des Nein-Sagens beachten, brauchen Sie nicht zu befürchten, andere mit einer Absage vor den Kopf zu stoßen:

- Sagen Sie eindeutig Nein - Zeigen Sie Mitgefühl für die Lage des anderen - Zeigen Sie Interesse am anderen, indem Sie anschließend nachfragen, wie das Problem gelöst werden konnte. - Geben Sie eine Begründung für Ihr Nein. - Helfen Sie, Alternativen und Lösungen für das Problem des anderen zu finden.

Sie wollen immer alles selbst machen

Monatelang haben Sie sich in das neue Arbeitsgebiet eingearbeitet. Plötzlich kommt ein neuer Kollege ins Team, dem Sie einen Teilbereich abgeben sollen. Kommt gar nicht in Frage, denken Sie, der Mann kennt sich doch gar nicht aus.

Ihr Problem:

Gerade ausgewiesene Spezialisten tun sich schwer, Arbeit abzugeben. Auch viele Führungskräfte erledigen Aufgaben lieber selbst, bevor sie zusehen müssen, wie der Mitarbeiter doch wieder alles falsch macht. Dahinter steckt meist die Angst, keinen Einfluss auf das Ergebnis zu haben. Deswegen sind Menschen, die alles selbst machen wollen, irgendwann chronisch überlastet. Oder sie machen sich unbeliebt, weil sie dem Team und ihren Kollegen nichts zutrauen. Dieser Kontrollwunsch ist nur dann eine Schwäche, wenn er dazu führt, dass sie gar nichts mehr abgeben. Sie können das Bedürfnis nach Kontrolle und Ergebnissicherung aber auch konstruktiv einsetzen, um professionell zu delegieren.

Das können Sie tun:

Besprechen Sie mit dem Mitarbeiter, der Ihre Arbeit übernimmt, wie Ihre Vorstellungen vom Ergebnis und von der Qualität der Aufgabe aussehen. Nutzen Sie Ihren Kontrollwunsch, um strukturiert und planvoll zu delegieren.

Zum Beispiel so:

- Stellen Sie sicher, dass der Kollege oder Mitarbeiter fachlich kompetent genug ist, die Aufgabe zu übernehmen. - Erklären Sie genau, wie aus Ihrer Sicht ein gutes Ergebnis aussieht. - Legen Sie Teilziele der zu delegierenden Aufgabe fest. Vereinbaren Sie in jedem Teilabschnitt einen Ergebnis-Check. So stellen Sie sicher, dass nichts schief geht. - Besprechen Sie das Endergebnis. Entspricht es Ihren Qualitätsansprüchen, sparen Sie nicht mit Lob.

Sie lassen sich zu schnell ausnutzen, weil Sie gerne für andere da sind

Wundern Sie sich manchmal, dass immer Sie es sind, die im Team die unliebsamen Aufgaben erledigt? Ganz gleich, ob es um die Urlaubsplanung, das lästige Protokoll schreiben oder das Arbeiten am Brückentag geht - immer bleibt es an Ihnen hängen.

Ihr Problem:

Vielen Menschen, die sich chronisch ausgenutzt fühlen, fällt es schwer, eigene Ansprüche anzumelden und durchzusetzen. Anstatt die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, konzentrieren sie sich lieber auf die Bedürfnisse und Interessen der Kollegen. Was die anderen wollen ist oft einfacher zu sehen als das, was man selbst will. Diese Einseitigkeit wird leider schnell ausgenutzt. Ihre Fähigkeit, Bedürfnisse von anderen schnell zu erkennen, sollten Sie ab sofort auf sich selbst anwenden.

Das können Sie tun:

Drehen Sie den Spieß einfach um. Nicht die Bedürfnisse der anderen stehen ab heute im Mittelpunkt, sondern auch die eigenen. Erstellen Sie Ihre persönliche Bedürfnis-Liste, und achten Sie darauf, den Kollegen mindestens einmal pro Tag zu erzählen, was Sie wollen.

Zum Beispiel so: "Den Brückentag im Mai möchte ich dieses Jahr frei haben." "Nächste Woche Freitag werde ich pünktlich gehen, weil ich zum Sport will." "Wenn ich mit Kunden telefoniere, bin ich gerne ungestört. Ich mag es nicht, wenn die Kollegen zuhören."

Am besten erzählen Sie von Ihren Bedürfnissen und Interessen, bevor sie von anderen in Frage gestellt werden. Wenn Sie öfter berichten, was Sie mögen und nicht mögen, wundert es keinen mehr, wenn Sie im kritischen Moment nicht zur Verfügung stehen. Sie haben es ja schließlich lange genug angekündigt.

Denken Sie daran, dass Hilfsbereitschaft und die Fähigkeit, die Bedürfnisse der anderen im Blick zu haben, eine großartige Stärke ist. Nur dann, wenn Sie Ihre eigenen Bedürfnisse dabei aus dem Auge verlieren, wird Ihre Hilfsbereitschaft von anderen ausgenutzt.

Sie können keine Kritik vertragen, weil Sie alles auf sich beziehen

"Nehmen Sie's nicht persönlich", sagt der Vorgesetzte, "aber Sie sind einfach eine schlechte Verkäuferin". Doch die Mitarbeiterin nimmt es persönlich, denn nach dieser Kritik fühlt sich als Person abgewertet.

Ihr Problem:

Wenn Menschen mit Kritik schlecht umgehen können, fangen sie in der Regel sofort an, sich zu rechtfertigen. Ein Teufelskreis, denn dadurch wirken sie erst recht unsouverän. Menschen, die keine Kritik vertragen, neigen dazu, alles viel zu persönlich zu nehmen. Und genau das ist ihre Stärke, denn sehr oft wird Kritik, sei es von Vorgesetzten oder Kollegen, unsachlich und unprofessionell vorgetragen. Als feinfühliger Mensch bemerken Sie schneller als andere, wenn Kritik abwertend formuliert wird. Nutzen Sie diese Schwäche als Stärke und denken Sie daran, dass Sie ein Recht auf professionell und sachlich vorgebrachtes Feedback haben.

Das können Sie tun:

Checken Sie, ob die Kritik an Ihnen professionell formuliert wurde - denn nur dann können Sie daraus lernen und Fehler künftig vermeiden.

Gute Kritik formuliert man zum Beispiel mit Hilfe der drei W's :

1. Stufe: Wahrnehmung: Kritik sollte niemals pauschal, sondern immer anhand eines Beispiels formuliert werden: "Letzte Woche, als Sie das Verkaufsgespräch mit Herrn Müller geführt haben, ist mir aufgefallen, dass Sie ihm am Ende des Gesprächs gar kein konkretes Angebot gemacht haben."

2. Stufe: Wirkung: Beschreiben Sie die Auswirkungen des oben beschriebenen Verhaltens: "Dadurch konnten Sie die Verkaufsentscheidung nicht weiter voran treiben."

3. Stufe: Wunsch: Was soll der andere in Zukunft ändern, damit er den Fehler nicht nochmal macht? Z.B. "Denken Sie nächstes Mal daran, am Ende des Gesprächs zusammenzufassen und immer ein konkretes Verkaufsangebot zu formulieren."

Falls nicht, drehen Sie den Spieß einfach um und fragen die drei Stufen beim anderen ab:

1. Nenn mir ein konkretes Beispiel! 2. Welche Auswirkungen hat mein Fehlverhalten? 3. Was soll ich nächstes Mal anders machen?

Wenn Sie trotz konstruktiv formulierter Kritik immer noch gekränkt sind, dann kann es nur einen Grund haben: An der Kritik muss etwas Wahres dran sein. In dem Fall führt leider kein Weg daran vorbei, die Kritikpunkte ernst zu nehmen und etwas zu verändern.

Sie haben an allem etwas auszusetzen

Die Präsentation war zu langweilig, der Kollege redet zu viel, Ihr Chef kann sich nicht durchsetzen und die Geschäftsführung hätte schon lange umstrukturieren müssen... Gehören Sie zu den Menschen, die immer ein Haar in der Suppe finden?

Ihr Problem:

Wenn Sie an allem etwas auszusetzten haben, machen Sie sich bei anderen schnell unbeliebt. Auch wenn ihre Kritik Hand und Fuß hat, auf Dauer stehen Sie als chronischer Nörgler da, dem keiner mehr zuhört.

Das können Sie tun:

Wer an allem etwas auszusetzen hat, ist gut darin, Kritik zu äußern. Wenn Sie diese Schwäche als Stärke nutzen möchten, sollten Sie sich angewöhnen, positives und negatives Feedback zu geben. Ganz nach dem Motto "Wo Schatten ist, ist auch Licht", sollten Sie ab morgen immer dann, wenn Sie an jemandem etwas auszusetzen haben, auch etwas Positives sagen.

Das funktioniert mit dem 3-Stufen-Feedback sehr gut:

1. Stufe: Behalte bei...: sagen Sie Ihrem Gegenüber etwas, was Ihnen an ihm/ihr gefällt. Das kann eine Verhaltensweise oder eine persönliche Eigenschaft sein. 2. Stufe: Zeige mehr von...: sagen Sie Ihrem Gegenüber, was er noch mehr als bisher tun könnte. Häufiger pünktlich sein, den anderen öfter ausreden lassen oder noch öfter so wie gestern ruhig bleiben, wenn der Kunde ausflippt. Mit der Stufe 2 weisen Sie auf Potenziale hin, die weiter ausgebaut werden können. 3. Stufe: Zeige weniger von...: auf der dritten und letzten Stufe können Sie ihre eigentlichen Kritikpunkte unterbringen. Achten Sie darauf, immer anhand von konkreten Beispielen zu argumentieren.

Beim 3-Stufen-Feedback kommt es auf die Reihenfolge an. Wenn Sie zunächst das Positive an anderen erwähnt haben, wird es Ihnen keiner übel nehmen, wenn Sie auch noch Kritisches erwähnen möchten. Wenn es Ihnen gelingt, sowohl das Positive als auch das Negative zu erkennen, können Sie Ihre Fähigkeit, Situationen und Menschen genau zu beobachten, als wahre Stärke nutzen. Erst dann, wenn Sie beides sehen können, werden Sie als geschätzter Ratgeber von anderen gefragt sein.

Sie wollen alles perfekt machen

Ein Perfektionist zu sein ist an sich keine Schwäche. Im Gegenteil: Menschen, die super-genau arbeiten sind vor allem bei Vorgesetzten beliebt, denn sie machen weniger Fehler als andere.

Ihr Problem:

Für Perfektionismus haben Sie im heutigen Berufsleben kaum noch Zeit - wenn Sie trotzdem jeden Tag alles perfekt erledigen möchten, leiden Sie schnell unter Stress.

Das können Sie tun:

Wenn Sie also zum Perfektionismus neigen, sollten Sie als ergänzende Stärke eine gewisse Großzügigkeit entwickeln. Das ist leichter gesagt als getan, denn kein Perfektionist gibt freiwillig seine Stärke auf. Überlisten Sie sich selbst mit einem kleinen Experiment! Nehmen Sie sich in einer Woche vor, an zwei Tagen mal eine andere Einstellung zur Arbeit zu zeigen. Wenn Sie in besagter Woche also dreimal die perfekte Lehrerin, Verkäuferin oder Projektleiterin sind, so nehmen Sie sich an zwei ausgewählten Tagen vor, die Lehrerin, Verkäuferin oder Projektleiterin mit Mut zur Lücke zu sein.

Das kann dann folgendermaßen aussehen:

- Sie suchen sich Aufgaben aus, die Sie nur mit 80 Prozent anstatt mit 100 Prozent Einsatz ausführen. - Sie lassen eine oder zwei Aufgaben unbearbeitet liegen. Wenn jemand nachfragt, sagen Sie: "das habe ich nicht mehr geschafft". - Sie bitten einen Kollegen um Hilfe. Sagen Sie: "Ich weiß nicht genau, wie das geht". Am Ende des Tages notieren Sie Ihre Beobachtungen. Schreiben Sie auf, wie Sie sich gefühlt haben und wie Ihre Umwelt reagiert hat. - Wahrscheinlich werden Sie feststellen, dass Ihre Befürchtungen unbegründet sind. Sie verlieren weder Ihr Ansehen noch die Anerkennung der Kollegen, wenn Sie mal etwas nicht können oder schaffen. Diese Erfahrung hilft Ihnen, vom 100-Prozent-Einsatz ab und zu abzuweichen.

Sie sind zu bescheiden und lassen den anderen immer den Vortritt

Sie sitzen im Meeting, gut vorbereitet wie immer. Ihre Vorschläge sind mehrfach durchdacht, die Argumente sind stichhaltig. Doch bevor Sie zu Wort kommen, hat sich der vorlaute Kollege mal wieder vorgedrängelt. Seine Vorschläge und Argumente sind viel schlechter, aber er schafft es, sich gut zu verkaufen und erntet sofort Zustimmung. Warum haben Sie sich nicht als Erste zu Wort gemeldet? Mal wieder waren Sie zu bescheiden und sagen, völlig frustriert, bis zum Ende der Sitzung lieber gar nichts mehr.

Ihr Problem:

Bescheidenheit ist heute wie früher eine wichtige Charaktereigenschaft, es sei denn, eine falsch verstandene Bescheidenheit führt dazu, dass Sie sich unter Wert verkaufen. Wer die eigene Bescheidenheit als Stärke einsetzt, lässt anderen zwar den Vortritt, rückt anschließend aber nach.

Das können Sie tun:

- Lassen Sie in Diskussionen und Verhandlungen die anderen zuerst zu Wort kommen. Nutzen Sie die bescheidene Zurückhaltung, um sich die Argumente der anderen genau anzuhören, umso besser können Sie anschließend dagegen argumentieren. - Treten Sie ruhig zurückhaltend auf. Genießen Sie es, das Kollegen und Vorgesetzte Sie unterschätzen. Wenn dann der richtige Moment gekommen ist, trumpfen Sie auf und zeigen sich in Ihrer ganzen Größe und Stärke. - Setzen Sie Ihre Bescheidenheit nach dem David-und-Goliath-Prinzip ein. Konzentrieren Sie sich auf das, was Sie gut können und setzen Sie diese Stärken gezielt ein. Indem Sie Ihre Präsentation besser vorbereitet haben, die besseren Argument haben, die besseren Kontakte im Hintergrund, usw.

Bescheidenheit kann authentisch und stark wirken, vorausgesetzt Sie sind sich Ihrer Stärken bewusst. Wem das schwer fällt, dem hilft eine selbst erstellte Liste der 10 wichtigsten Stärken. Schauen Sie sich Ihre Stärken vor dem eigenen Auftritt noch einmal genau an. Auf diese Art und Weise gestärkt kann der Kollege ja ruhig als erster dran kommen, Sie setzen dann als Zweite wirkungsvoll nach.

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Die Autorin Ute Zander ist Diplom-Psychologin und als Unternehmensberaterin in Hamburg und Kiel tätig (www.teamthink.de). Sie berät u.a. Firmen und Teams bei Konflikten im Job. Ihr aktuelles Buch: "Das David-Geheimnis – Schwierige Situationen meistern" ist im Orell Füssli Verlag erschienen und kostet 19,90 Euro.

Text: Ute Zander Foto: iStockphoto.com

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