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Behält Unicef das Spendensiegel?

Nach den Verschwendungs-Vorwürfen gegen das Kinderhilfswerk Unicef und dem Rücktritt von Heide Simonis als Vorsitzende sind die Spenden für Unicef massiv zurückgegangen. Warum trägt die Organisation dennoch weiter das Spendensiegel des renommierten Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI)?

BRIGITTE.de fragte Burkhard Wilke, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des DZI.

BRIGITTE.de: Wie kommt eine gemeinnützige Organisation an ein DZI-Spendensiegel?

Burkhard Wilke: Sie stellen bei uns einen Antrag und werden dann genau überprüft. Wir konzentrieren uns bei der Prüfung auf drei Bereiche: Werbung, Finanzen und Leitung/ interne Kontrolle. Um das Spendensiegel zu bekommen, darf die Werbung zum Beispiel nicht zu gefühlsbetont oder reißerisch sein. Sie muss sachlich bleiben.

Bei den Finanzen prüfen wir, ob die Organisation wirtschaftlich mit den Spendengeldern umgeht. Die Kosten für Werbung und Verwaltung dürfen nicht mehr als 35 Prozent der Gesamtausgaben übersteigen, meist liegt die Summe bei den überprüften Organisationen viel niedriger, im Durchschnitt um die 16 Prozent. Bei Einnahmen über 250.000 Euro im Jahr kontrolliert ein Wirtschaftsprüfer den Jahresabschluss. </frage>

BRIGITTE.de: Was passiert, wenn die Organisationen zu viel Geld für die Verwaltung ausgeben?

<antwort name = "Burkhard Wilke">Normalerweise ist das ein Grund für eine Aberkennung des Spendensiegels. Aber es gibt auch Ausnahmen. Ein Beispiel: Eine kleine Organisation, die jahrelang nur 9 Prozent der Einnahmen ausgegeben hat, verbucht in einem Jahr plötzlich 45 Prozent. Der Grund: Sie haben Überweisungsträger für Spenden für drei Jahre im Voraus drucken lassen, um Druckkosten zu sparen. Da die Einnahmen vergleichsweise niedrig sind, schlägt das auf ihr Budget voll durch. In solchen Fällen wird das Siegel nicht aberkannt.

BRIGITTE.de: Warum trägt Unicef nach wie vor das DZI-Spendensiegel?

Burkhard Wilke: Unicef hat die jährlichen Neuprüfungen des DZI immer bestanden. Es gab zwar immer mal Verbesserungsempfehlungen und Auflagen, aber das kommt häufiger vor. Zum Inhalt dieser Auflagen äußern wir uns nicht öffentlich. Wir haben Mitte November die letzte turnusmäßige Prüfung bei Unicef abgeschlossen. Aufgrund der Ende November veröffentlichen Vorwürfe prüfen wir seitdem wieder. Das Ergebnis wird bald vorliegen - der Entzug des Spendensiegels ist jedoch eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass wir bei erkannten Fehlern Auflagen aussprechen.

BRIGITTE.de: Die Verschwendungsvorwürfe gegen UNICEF beziehen sich neben angeblich zu lukrativen Beraterverträgen auch auf überhöhte Provisionszahlungen.

Burkhard Wilke: Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hat in ihren Prüfungen Mitte Januar den Vorwurf überhöhter Zahlungen widerlegt. Wir überprüfen die Zahlung jedoch davon unabhängig nochmal aus Sicht des Spendensiegels.

Zu den Beraterverträgen: Externe Berater sind normal, auch ein Steuerberater ist ein externer Berater. Allerdings sollten sie nur zeitlich und inhaltlich befristet eingestellt werden. Da ist Unicef ein Fehler passiert, der Berater war länger beschäftigt - deshalb wurde es so teuer.

Provisionen sind bei uns grundsätzlich verboten, zumindest wenn sie dem Spender gegenüber nicht transparent gemacht werden. Meist handelt es sich dabei um eine Vergütung für unseriöse Drückerwerbung. Es gibt aber Fälle, in denen Provisionszahlungen auch bei seriösen gemeinnützigen Organisationen durchaus sinnvoll sind. Wenn beispielsweise ein Fundraiser mit einer tollen Idee kommt, wie er Spenden sammeln könnte und für die Umsetzung 100.000 Euro verlangt. Ist sich die Organisation nicht sicher, ob die Idee wirklich so gut funktioniert, kann sie mit ihm vereinbaren, das er 20.000 Euro als Basissumme bekommt und den Rest - erfolgsabhängig - als Provision. Dann aber mit Deckelung, damit der Betrag nicht unverhältnismäßig hoch wird. Diese Form der Risikoteilung gibt es immer häufiger.

BRIGITTE.de: Was muss Unicef ändern?

Burkhard Wilke: Unicef braucht über das Spendensiegel hinaus mehr Transparenz dem Spender gegenüber. Sie muss der Öffentlichkeit einen besseren Jahresbericht vorlegen, bislang waren die Informationen für die Spender wenig aussagekräftig. Die Führungsstruktur muss sich ändern. Das meine ich nicht unbedingt personell. Es geht darum, sich intern abzustimmen und die Aufgaben besser abzugrenzen.

Eine Übersicht über die Organisationen mit Spendensiegel des DZI finden Sie hier.

Interview: Monika Herbst Foto: Rahel Dinkel

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