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Arbeitszeit-Modelle: Chefin in Teilzeit

Deutsche Manager schuften 70 Stunden pro Woche. Dass es auch etwas weniger sein darf, beweisen Teilzeit-Chefinnen. Wie sie damit Erfolg haben, berichtet BRIGITTE-Mitarbeiterin Friederike Stüven.

Politiker und Gewerkschaftsbosse sind sich einig: Mehr Teilzeit-Stellen - das wären auch jede Menge neuer Jobs. Fragt sich nur, wo. Auf der Führungsebene wohl eher nicht. Bei der Frage 'Würden Sie Ihre Stelle teilen?' winken mächtige Männer ab. Nur ein gestresster Boss ist ein guter Boss. Glauben sie. Chefinnen sehen das anders. 40 Prozent aller weiblichen Führungskräfte würden Macht und Verantwortung eines Spitzen-Jobs gern auf mehr als zwei Schultern verlagern. Das hat Michel Domsch, Leiter des Instituts für Personalwesen und Internationales Management an der Bundeswehr-Universität Hamburg, herausgefunden. Aber Frauen, die mit der herkömmlichen Managerkultur nicht viel im Sinn haben, brauchen starke Nerven. Sie müssen besser sein als ihre Vollzeit-Kollegen, dürfen sich von neidischer Anmache und geballten Arbeitsladungen nicht abschrecken lassen. Der Lohn: 'Ein volles Leben.' So sieht es Jeannette von Ratibor. Die 34-jährige Mutter und Managerin bei der Boston Consulting Group in Stuttgart berät Unternehmen, plant neue Strategien, entwickelt Management- und Steuerungssysteme. Und das packt sie auf einer Zwei-Drittel-Stelle.

"Man muss Kollegen und Mitarbeitern vertrauen"

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Nicht nur ihr Leben, auch der Terminkalender ist voll. "Ich komme in der Woche zwar immer noch auf mehr als 40 Stunden, aber mindestens an einem Arbeitstag bin ich zu Hause." Dafür erhält Jeannette von Ratibor etwa 70 Prozent von dem, was sie fulltime verdienen würde. Die freie Zeit gehört ihrer elf Monate alten Tochter Marie-Louise. Ein schlechtes Gewissen, weil sie Kind und Karriere will? "Nein. Ich würde das nicht machen, wenn meine Tochter nicht gut versorgt wäre." Allerdings ist die Kinderbetreuung im Hause von Ratibor privat organisiert. "Wo immer ich berufstätige Frauen treffe, herrscht eine Meinung: Von einem angemessenen staatlichen Angebot sind wir in Deutschland Lichtjahre entfernt." Neben Kinderfrau, Ehemann und Großmutter wird die Teilzeit-Chefin aber auch vom Arbeitgeber unterstützt. Christian Veith, Vice President des Unternehmens: "Der wirtschaftliche Erfolg hängt davon ab, dass wir die Talente unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter optimal nutzen und ihnen ein Umfeld schaffen, in dem sie sich wohl fühlen."

Wo Lust auf Arbeit und Privatleben mit Skepsis registriert wird, ist schnell von Autoritätsproblemen in Konfliktsituationen die Rede, von der Gefahr des Karriereknicks, wenn Manager nicht voll und ganz für die Firma da sind. Darüber kann Jeannette von Ratibor nur lachen: "Was soll das? Gute Leute gibt es nicht wie Sand am Meer. Entweder drucken wir in großem Stil Green-Cards. Oder wir mobilisieren die qualifizierten Mütter, denen bisher nur die richtigen Teilzeitangebote fehlten."

"Wir lassen uns nicht gegenseitig austricksen"

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Neue Modelle erfordern neues Denken. Von einem Karriereknick kann auch bei Monika Otten, 41, und Kathrin Obenlüneschloß, 37, nicht die Rede sein. Die Wirtschaftsfachfrauen leiten seit 1997 gemeinsam den Bereich Verwaltung/Einkauf bei der Landes-Bausparkasse Schleswig-Holstein, die zur LB Kiel gehört. Job-Sharing mit vollem Engagement macht's möglich. Aus ehemals zwei Stellen, einem Chef und einer Assistentin, sind 1,3 Chef-Posten geworden, die das Unternehmen mit zwei Frauen besetzt hat. Das sieht praktisch so aus: Kathrin Obenlüneschloß arbeitet 30, Kollegin Otten 20 Stunden pro Woche. Mindestens an einem Tag sind beide gleichzeitig im Büro - so weiß jede, was gerade ansteht.

Es liegt auf der Hand: Wenn zwei sich einen Führungsjob teilen, muss abgegeben werden. Und zwar Wissen und Einfluss. "Wenn eine auf Kosten der anderen Karriere machen will, geht das Modell schief", sagt Kathrin Obenlüneschloß. "Wir waren uns von Anfang an einig: gemeinsam und nicht gegeneinander."

In Stellenanzeigen und Hochglanz-Selbstdarstellungs-broschüren fordern Unternehmen von Führungskräften der Zukunft genau das, was vor allem Frauen von vornherein mitbringen: Spaß an Teamarbeit und Kommunikation zum Beispiel, Flexibilität, Kreativität, Einsatzbereitschaft. Solche Chefinnen möchte kein Unternehmen verlieren. Deshalb wird ihr Wunsch nach einer anderen Arbeitsorganisation eher akzeptiert als die Kündigung. Aber Frauen haben noch aus einem anderen Grund die besseren Teilzeit-Chancen, weiß Professor Michel Domsch: Familie, Kinder, pflegebedürftige Eltern gelten als edle und anerkannte Motive für den Wunsch, weniger zu arbeiten. Mehr Zeit für Reisen und Hobbys, Ausstellungen und Theater? Da wittern viele Personalchefs einen lauen Lenz. "Wenn Männer in hohen Positionen weniger arbeiten möchten, wird oft unterstellt, sie wollten keine Verantwortung übernehmen."

"Ich muss härter ran als früher"

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Silke Gimpel arbeitet als 80-Prozent-Marketing-Managerin bei Bahlsen hat eine Bilderbuchkarriere hingelegt. Nach ihrem Start als Junior Product Managerin stieg sie - zeitgleich mit ihrer Familiengründung - bis zur Hauptabteilungsleiterin auf.

Deswegen zerstreut sie Einwände gegen eine neue Führungskultur. Klagen über verdichtete Arbeitszeit hält sie für ein selbst gemachtes Problem. "Als Teilzeit-Managerin muss ich eben härter ran. Ich diszipliniere mich wesentlich mehr als früher, und mir gefällt mein Tempo." In ihrem Unternehmen, sagt sie, habe man die Zeichen der Zeit erkannt. Nicht auf die Stundenzahl komme es an, sondern auf die Motivation. Und die buchen erfolgreiche Chefinnen wie Silke Gimpel nicht vom Gehaltskonto ab. 80 Prozent Arbeitszeit bedeuten auch nur 80 Prozent Gehalt. Aber: "Ich brauche keinen Porsche. Ich will Lebenszeit."

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