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"Und was verdienst du so?"

Warum wir nicht über Gehalt reden - und warum wir es tun sollten. Darüber hat sich BRIGITTE.de-Redakteurin Inga Leister Gedanken gemacht.

Manche Fragen höre ich selten: "Bist du untenrum rasiert?" "Liebst du deine Eltern?" "Und was verdienst du so?"

Niemand stellt diese Fragen gerne, weil niemand gerne auf sie antwortet. Dabei ist es nicht mal Denksport, solche Informationen im Gehirn aufzutreiben. Doch zwischen der Frage und der Antwort steht dieser Widerstand des Unbehagens, gegen den sich die Worte erst einmal stemmen müssen, bevor man sie wirklich sagt.

Im Fall Intimrasur und Familienverhältnisse ist das nachvollziehbar: Wir wollen Intimes und Privates nicht jedem preisgeben. Aber warum hört eigentlich beim Gehalt unsere Auskunftsfreude auf?

Über Geld spricht man nicht. Obwohl das Onkel Volksmund behauptet: Das stimmt doch gar nicht! Wie viel Miete man bezahlt? 420 Euro warm. Was die neue Wimperntusche gekostet hat? 12 Euro. Und der Sommerurlaub? 2000 Euro für zwei Wochen Portugal. Darüber plaudern die meisten ganz locker bei einem Tässchen Tee.

Das kann also nicht der Grund für unser gehaltvolles Schweigen sein.

"Und was verdienst du so?" fühlt sich deshalb gemein an, weil wir nicht nur eine Zahl rauskramen, sondern auch eine Menge Zweifel: Hoffentlich verdient sie nicht weniger als ich - oder sogar mehr!? Warum habe ich mit meiner Chefin immer noch nicht über die Gehaltserhöhung gesprochen? Und warum ist meinen Vorgesetzten meine Arbeit eigentlich nicht mehr wert?

Das ist leider kein Klischee von Onkel Volksmund: Frauen neigen dazu, sich nicht gut genug zu verkaufen. Obwohl uns die Arbeit so wichtig ist, verlangt nicht jede den angemessenen Gegenwert.

Weil wir keinen Ärger machen wollen. Weil wir viel zu selten daran glauben, dass wir verdammt unersetzlich sind. Wir haben Angst, zu hoch zu pokern - weil wir uns im verminten Grenzgebiet zwischen "Angemessen" und "Unverschämt" nicht sonderlich gut auskennen.

Deshalb, liebe Kolleginnen: Redet über euer Gehalt! Es geht nicht um ein Schaulaufen mit Kontoauszügen statt mit Designer-Pumps. Selbst wenn Ihr Arbeitsvertrag vorschreibt: "Über Geld reden ist nicht!" Ich würde mir das nicht verbieten lassen. Wer wissen will, was er seinem Chef wert sein MUSS, der sollte den Wert der anderen kennen.

Fragen Sie den Kollegen im Büro oder die Freundin, die in der gleichen Branche arbeitet, die ehemalige Kommilitonin... Überspringen Sie das Unbehagen! Daran ist nichts peinlich! Peinlich ist nur, wenn Sie in der nächsten Gehaltsverhandlung nicht so genau wissen, wie viel sie verlangen können.

Das Schämen können Sie sich für die wirklich unangenehmen Fragen aufheben.

Foto: iStockphoto

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