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Zoe Noble Nicht alle Frauen wollen Mutter sein

Zoe Noble: Zoe Noble
© Jakob Hoff / imago images
Frauen, die sich bewusst gegen das Muttersein entscheiden, sind öffentlich fast unsichtbar. Fotografin Zoë Noble gibt ihnen eine Bühne

Vor fünf Jahren brachte Zoë Noble einen Berliner Taxifahrer fast dazu, einen Unfall zu bauen – als sie ihm erzählte, dass sie verheiratet sei, aber keine Kinder wolle. Der Mann verriss vor Empörung fast das Steuer. Sie solle erst mal eines bekommen, ab dem zweiten fände sie schon Gefallen daran, belehrte er sie. Für die Fotografin war das so etwas wie ein Erweckungsmoment; sie beschloss, dem Thema mit ihren Mitteln nachzugehen. Seither porträtiert sie Frauen, die sich wie sie bewusst für ein Leben ohne Kind entschieden haben, und investiert jede freie Minute in ihr Herzensprojekt, die Communitiy "We are Childfree".

Frausein bedeutet nicht gleich Mutterschaft

Viele der Frauen erzählen ihr, dass Mutterschaft schlicht nie ein Thema für sie war. Andere durchlitten eine schlimme Kindheit und haben Angst, die Fehler ihrer Eltern zu wiederholen. Wieder andere nennen die Klimakrise als Argument oder wollen sich auf ihre Karriere konzentrieren. "Je mehr Stimmen es gibt, die sagen: ,Das ist normal, es ist alles in Ordnung mit dir‘, desto besser", sagt beispielsweise Jane, eine der Porträtierten, auf der englischsprachigen Website der Community (wearechildfree.com). Eine andere, Rebecca, sieht in dem Projekt eine aktivistische Dimension: "Ich habe mich nicht nur für mich sterilisieren lassen. Ich habe mich für die Bewegung sterilisieren lassen." Aber es gibt auch ganz individuelle, psychologische Gründe. Léa etwa berichtet von ihrer Essstörung. Sie habe Jahre gebraucht, um mit ihrem Körper ins Reine zu kommen, und befürchte, ein Kind könne sie wieder aus dem Gleichgewicht bringen.

Noble kommt aus Newcastle, seit elf Jahren lebt sie mit ihrem Mann, einem Publizisten, in Berlin, sie sehen für sich dort beruflich mehr Möglichkeiten. Als Beauty- und Still-Life-Fotografin arbeitete sie für "Elle" und "Vogue", inzwischen auch für Make-up-Artist:innen und unabhängige Modemagazine. "Unsere Medien und unsere Kultur konzentrieren sich noch immer sehr auf das Familienmodell aus Mann, Frau und Kindern", sagt sie. "Es gibt kaum positive Darstellungen kinderloser Menschen." Mit dem Sammeln und Teilen der Geschichten möchte sie das ändern, und das Interesse an ihrem Projekt ist groß. Nachdem die "New York Times" im Frühjahr darüber berichtete, haben sich laut Noble rund 1500 Frauen aus der ganzen Welt bei ihr gemeldet. Deren Tenor: Frausein solle nicht länger automatisch mit Mutterschaft assoziiert oder gar der Wert einer Frau daran gemessen werden, ob sie Mutter ist. Und sie wollten sich nicht mehr dafür rechtfertigen müssen, dass sie im Leben andere Prioritäten setzen. Ganz frei von diesem Rechtfertigungsdruck ist auch Noble nicht: Am Anfang des Gesprächs erklärt sie wohl aus Gewohnheit, dass sie weder Kinderhasserin noch gefühlskalt sei – sie habe einfach von klein auf gewusst, dass sie keine Kinder möchte.

Kinderlose Männer kommen auf ihrer Seite nicht vor. Sie würden ganz anders behandelt, sagt Noble. Ihr Ehemann etwa sei nie gefragt worden, warum er keinen Nachwuchs wolle. Als er sich vor ein paar Jahren habe sterilisieren lassen wollen, sei das problemlos möglich gewesen – Noble dagegen bekomme fast täglich Mails und Posts von Frauen, denen eine Sterilisation sogar dann verweigert wurde, wenn der Eingriff medizinisch notwendig war. Sie selbst habe fünf Jahre lang Schmerzen aushalten müssen, bevor man ihr die Gebärmutter aufgrund eines Myoms mit 37 entfernte. "Frauen haben immer noch keine vollständige Autonomie über ihre Körper", sagt sie.

Ein Kampf um Respekt

Aus dem Fotoprojekt ist eine Online-Community gewachsen, über die sich Frauen auch zu Meet-ups in ihrer Nähe verabreden können. Noch finanziert Noble alles selbst, will aber bald eine neue Website einrichten, auf der man ihre Mission auch finanziell unterstützen kann. Wichtig ist ihr, das Thema international zu sehen. "Auf der ganzen Welt kämpfen Frauen darum, dass ihre Entscheidung gegen Kinder respektiert wird", sagt sie. Sobald wie pandemiebedingt möglich will sie daher Frauen in Ländern fotografieren, in denen Religion und strikte Geschlechterrollen das Leben von Frauen stärker einengen als bei uns. "Man muss die Regeln brechen", sagt sie, "und sich den Erwartungen der Gesellschaft an Frauen entgegenstellen."

Zoë Noble, 39, ist Britin und lebt seit elf Jahren in Berlin. Sie arbeitet für Modemagazine und Independent-Projekte und ist Trainerin für Bildbearbeitungssoftware. Dass sie keine Kinder möchte, wusste sie immer; auf ihrer Website wearechildfree.com porträtiert sie Frauen, die ähnlich denken.

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21/ 2021 Brigitte

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