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Niedrigste Geburtenrate seit 2009 Würdest du heute noch ein Kind bekommen?

Babyfüße
© sushytska / Adobe Stock
Aktuell werden so wenige Kinder geboren wie seit 2009 nicht mehr. Die Gründe dafür sind die vielfältigen Krisen – Klimawandel, Kriege, Pandemien und Co. Aber das ist noch nicht alles.

Kann man heute noch ein Kind in die Welt setzen? Für immer mehr Menschen ist das keine Option. Während sich Klimaktivist:innen oft bewusst aufgrund ihrer Ideale gegen Nachwuchs entscheiden, sind bei anderen die Angst vor weiteren Ressourcenkriegen oder vor Pandemien entscheidende Faktoren für ein Nein zur Familiengründung. Aber auch die marode Infrastruktur, das Fehlen eines passenden Partners und wirtschaftliche Unsicherheiten spielen eine Rolle. Fakt ist: In Deutschland werden immer weniger Kinder geboren – aktuell so wenige wie seit 15 Jahren nicht.

Niedrigste Geburtenrate seit 2009

Im Jahr 2023 lag die Geburtenrate bei 1,36 Kindern pro Frau. So wenige Kinder wurden zuletzt vor 15 Jahren geboren. Doch auch das laufende Jahr zeigt vorläufigen Hochrechnungen zufolge keine Trendwende. Die Gründe dafür, dass sich immer mehr Menschen gegen Nachwuchs entscheiden, sehen Expert:innen in den derzeitigen Polykrisen. Gegenüber der Tagesschau erklärt Sabine Diabaté, Forscherin am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung: "Durch die derzeitigen multiplen Krisen überdenken viele Menschen nochmal die Familienplanung. Einige schieben ihren Kinderwunsch zumindest erstmal auf". Verschiedene Verunsicherungseffekte spielten dabei eine Rolle. Erst die Pandemie und der Einfluss von Covid und der Impfungen auf Schwangerschaft und Kinder, danach der Ausbruch des Ukraine-Krieges und damit verbunden die Energiekrise und die Inflation. Gleichzeitig sind die Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher zu spüren und die politische Stimmung spaltet das Land. Für die meisten fallen allerdings ökonomische Faktoren wie bezahlbarer Wohnraum, ein sicherer Job oder steigende Kosten im Alltag viel stärker ins Gewicht als beispielsweise die abstrakteren Auswirkungen der Klimakrise. "Je unmittelbarer Menschen von einer Krise betroffen sind, desto stärker ist ihr Einfluss", sagt die Expertin. 

Kein passender Partner in Sicht?

Zum Teil beginnen die Probleme aber auch schon viel früher. Nämlich dabei, eine:e passende:n Partner:in für eine Familiengründung zu finden. So zeigen aktuelle Studien die Diskrepanzen zwischen Männern und Frauen, die zu sogenannte "Matching-Krise" führen. Während Frauen immer unabhängiger werden, gut ausgebildet sind, nicht mehr auf den klassischen Versorger angewiesen sind, sondern sich eine gleichberechtigte Partnerschaft auf Augenhöhe wünschen, sind viele Männer noch sehr viel konservativer eingestellt und halten an den alten, tradierten Rollenbildern fest. Diese gegensätzlichen Tendenzen führen zu Schwierigkeiten in der Partner:innensuche, was sich auch in den Zahlen zu ungewollter Kinderlosigkeit wiederspiegelt. Einer repräsentativen Umfrage des Bundesministeriums für Familie, Senioren Frauen und Jugend zum Thema "Ungewollte Kinderlosigkeit 2020" sind 32,3 Prozent der kinderlosen Frauen im Alter von 20 bis 50 Jahren ungewollt kinderlos. Das sind 6 Prozent mehr als noch als vor zehn Jahren.

Strukturelle Probleme und Krise der Frauen

Gleichzeitig beeinflussen strukturelle Probleme die Familienplanung. In den Kitas mangelt es an Plätzen und Personal, Schulen suchen händeringend Lehrkräfte und Betreuer. Ein gesetzlicher Anspruch auf Betreuung in Schulen und Kitas löst bei Weitem nicht das Grundproblem: Kein Personal, das diesem Anspruch gerecht wird. So werden Eltern weiterhin regelmäßig vor große Betreuungsschwierigkeiten gestellt werden. So, wie es derzeit der Fall ist. Ganz zu schweigen von dem Bildungssystem, das in Vergleichsstudien, wie beispielsweise die Pisa Studie, regelmäßig seinen schlechten Ruf verteidigt. 

Die Leidtragenden dieser Missstände sind meist die Frauen, für die eine Schwangerschaft und Geburt ohnehin einen großen Einschnitt ins Leben bedeutet, sowohl für ihre berufliche Laufbahn, die Karriere und finanziell, aber auch körperlich und mental. Während für die meisten Männer das Leben größtenteils einfach weiterläuft. Denn in der Regel sind es die Mütter, die dieses Missverhältnis ausgleichen und laut Statistischem Bundesamt 44 Prozent mehr Care Arbeit übernehmen als die Väter – auch wenn mal wieder das Betreuungssystem in die Knie geht. Dass sich Männer und Frauen heutzutage sehr genau überlegen, ob sie Kinder bekommen und sich häufiger dagegen entscheiden, verwundert unter diesen Voraussetzungen daher nicht.
 

Quellen: Statistisches Bundesamt, Tagesschau

jba Brigitte

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