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Rauswurf und Redeverbot: Jürgen fliegt aus seinem Altersheim

Wer sich beschwert, fliegt raus: Rentner Jürgen E., der auf Facebook schlimme Mängel in der Altenheim-Versorgung angeprangert hat, musss die Residenz nun verlassen.

Für Frührentner Jürgen geht es nun um die Wurst: Nachdem er auf Facebook zeigte, wie widerlich seine täglichen Mahlzeiten aussehen, zog sein Altersheim Konsequenzen: Acht Wochen Zeit hat er, sich eine neue Bleibe zu suchen, bevor er aus der Senioren-Residenz rausfliegt.

Heimleitung fürchtet um Ruf

31.000 Fans hat Jürgen E. mittlerweile auf Facebook, und auch in den etablierten Medien war das Echo auf seine Bilder gewaltig. Dass seine unappetitlichen Teller so berühmt werden würde, hatte niemand erwartet, und die Stimmen im Netz schwanken zwischen Wut, Mitleid und Vorwürfen an sein Altersheim. Manche Reaktionen richteten sich aber auch gegen den "Störenfried" Jürgen E. persönlich.

Video: Nachricht auf Jürgen E.'s Anrufbeantworter

Dabei hatte Jürgen extra betont, wie nett das Pflegepersonal zu ihm ist, trotz Zeitmangel. Und auch den Namen seiner Senioren-Residenz verriet er bewusst nicht. Vorführen wollte er niemanden - nur auf die menschenunwürdigen Bedingungen hinweisen, unter denen zu viele alte Menschen leben müssen. Aber im Netz bleibt nichts geheim: Ehemaliges Pflegepersonal erkannte das Geschirr und Jürgen wurde zur Heimleitung zitiert.

"Verbreiten Sie nichts mehr über ihre persönliche Situation im Internet"

Was genau in diesem Gespräch passierte, ist unklar. Jürgen selbst sagt, dass man ihn rausgeworfen habe. Gegenüber der Nürnberger Zeitung erzählter er ferner, dass man ihm auch mit einer Klage gedroht habe und ihm geraten habe "nichts mehr über seine persönliche Situation im Internet" zu verbreiten. Und tatsächlich gibt es auf seiner Facebook-Seite seit längerem keine aktuellen Fotos mehr zu sehen.

"Da ist Bösartigkeit im Spiel"

Die Heimleitung bestreitet diese Vorwürfe: In einem Folgeartikel der Nürnberger Zeitung erzählt ein Unternehmenssprecher, dass die mündliche Kündigung nicht ausgesprochen wurde, und Jürgen ein "schwieriger Bewohner" sei. Ausgerechnet die gezeigten Teller, die zu Jürgens "Überführung" geführt haben, gäbe es gar nicht in dem Haus, dass Essen stamme nicht aus der hauseigenen Küche. "Da ist Bösartigkeit im Spiel", so eine Zwischenbilanz des Sprechers.

Oder ist alles nur Satire?

Schnell stellten viele Facebook-User fest, dass Jürgens Vertraute Eva Rußegger, die die Fotos für ihn ins Netz stellt, Vize-Vorsitzende von "Die Partei" ist - dem politischen Arm des Satiremagazins "Titanic". Angesichts der Dementi der Leitung könnte man fast vermuten, dass die Bilder vielleicht ein Fake sind, Teil einer Online-Satire, die auf die schlechten Zustände in Pflegeheimen hinweisen möchte.

Genau das streiten Rußegger und Jürgen E. aber ausdrücklich ab. "Es stimmt, dass wir Mitglieder bei der Partei Die PARTEI sind", schrieben sie auf Facebook. "ABER: Es hat nichts mit dieser Seite zu tun. Es wurde in einem Interview mal erwähnt. So haben wir uns kennen gelernt. Diese Seite ist aber keine Parteiseite."

Von außen ist schwer zu beurteilen, welche Seite in diesem Konflikt Recht hat. Aber die vielen Fotos, die andere Altersheim-Bewohner mittlerweile auf der Facebook-Seite veröffentlicht haben zeigen deutlich, dass Jürgens Mahlzeiten kein Einzelfall sind, sondern vielerorts eher den Standard abbilden.

Ob Satire oder nicht: Die Aufmerksamkeit, die Jürgen E. für die Problematik erzeugen wollte, hat er nun auf jeden Fall. Bleibt zu hoffen, dass sich bald etwas ändert - auch in anderen Senioren-Residenzen.

heh

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