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Freude, Überforderung, Zweifel Warum wir über den Welpenblues reden müssen – ein Erfahrungsbericht

Freude, Überforderung, Zweifel: Warum wir über den Welpenblues reden müssen – ein Erfahrungsbericht
© Likee68 / Shutterstock
Ein Welpe zieht ein! Das sollte doch eigentlich eines der schönsten Erlebnisse sein, oder? Das Problem: Ich habe nicht damit gerechnet, dass mir meine Psyche einen solchen Streich spielen würde. Die ersten Wochen mit meinem Hund Loui verliefen völlig anders, als ich es jemals gedacht hätte – ein Erfahrungsbericht.

Es ist noch dunkel, als ich an einem Samstagmorgen zu meiner Mutter aufbreche, die mich begleitet, um meinen kleinen Welpen abzuholen. Draußen löst ein tristes Grau die nächtliche Dunkelheit ab – es beginnt ein Wechsel aus Regen und Schnee. Die Stimmung im Auto ist trotzdem gut, wir freuen uns riesig auf das neue Familienmitglied. Endlich ist es so weit.

Die Freude ist riesig: Endlich zieht der Welpe bei mir ein

Wieder zu Hause schaut er sich interessiert um, frisst sogar und legt sich in meinen Schoß. Ist doch alles prima! Doch dabei blieb es nicht.

In der Nacht begann er unruhig zu werden. Er hatte Durchfall, was aber nicht ungewöhnlich ist bei dem Stress. Für mich hieß das mehrfach nachts raus in den Regen und die Einlagen in der Hundebox wechseln, wenn doch etwas daneben ging. Der Boden auf der Wiese vor dem Haus war so aufgeweicht, dass ich wegrutschte, im Matsch landete und mir das Knie verdrehte – um 2.15 Uhr. Gegen 5.30 Uhr dachte ich mir: Ach komm, wieder ins Bett gehen lohnt jetzt auch nicht mehr. Also saßen wir auf der Couch, ich mit einem Becher Kaffee und einem Kühlkissen auf dem Knie, Loui schlief erschöpft neben mir.

Wenn ein Welpe einzieht, ist die Überforderung nicht weit

Nach dieser Nacht kam die Frage das erste Mal: War das wirklich die richtige Entscheidung? Ich wischte sie schnell weg, sah meinen kleinen Hund an und rief mir ins Gedächtnis, dass ich mir das so lange gewünscht und mich so intensiv auf alles vorbereitet hatte.

Am nächsten Tag humpelte ich mindestens alle zwei Stunden mit dem Kleinen nach draußen. Ich wollte ihn bespaßen, hatte viel über Tricks und Spiele gelesen, doch er war noch zu klein, er verstand mich und ich ihn nicht. Und jetzt? Wieder kuscheln? Neue Situationen schienen ihn zu überfordern, er war schnell überdreht, lief wie ein Blitz durchs Wohnzimmer und beruhigte sich kaum. Besuch fand er nicht gut, er knurrte sogar meine Hunde-Trainerin an. Draußen das gleiche: bellen und knurren. Ich wusste nicht, was ich machen sollte.

Wenn sich auf einmal alles nur noch um den Hund dreht

Und wieder kam der Gedanke, ist es die richtige Entscheidung gewesen? Und dazu gesellte sich: Ist er der richtige Hund für mich? Ich wusste nicht mehr ein noch aus, nichts funktionierte. War da überhaupt so was wie eine Bindung? Ich spürte nichts. Wir mussten in den ersten Tagen schon zur Tierärztin, der Durchfall hörte nicht auf und er wollte nicht trinken. Hatte ich etwas falsch gemacht?

Ich funktionierte nur noch: Hauptsache den Kleinen am Leben halten, war mein Motto. Ich machte ihm sein Essen und Trinken schmackhaft und vergaß dabei, dass auch ich vielleicht was zwischen die Zähne brauchte. Ich blieb auf dem Sofa sitzen, solange er schlief, auch wenn ich auf Toilette musste. Mein gesamter Tagesablauf drehte sich nur noch um Loui. Dabei soll der Hund ja eigentlich in meinen Tagesablauf integriert werden. Und wann habe ich eigentlich das letzte Mal geduscht? Keine Ahnung.

Wenn Frauchen unruhig ist, dann ist es der Hund erst recht

Der erste Heulkrampf ließ nicht lange auf sich warten. Schuld war nicht der Hund, sondern ich. Er war gerade aufgewacht, also musste er jetzt raus. Ich nahm ihn hoch und ging noch kurz ins Schlafzimmer, um mir einen Pullover überzuziehen. Ich setzte ihn für eine Sekunde auf mein Bett und da war es schon zu spät – der Kleine pinkelte. Schnell nahm ich ihn hoch und ging nach draußen, dort angekommen pinkelte er vorbildlich weiter, ich lobte ihn, doch die Tränen liefen schon. Ich war mit den Nerven am Ende, warum fiel mir das alles so schwer?

Ich wusch die Bettwäsche und weinte weiter vor mich hin, der Hund wurde immer unruhiger. Kein Wunder, die Person, an der er sich orientierten soll, war ein seelisches Wrack und konnte noch ebenso geradeauslaufen. Das hatte ich mir alles anders vorgestellt, ich wusste, es wird hart, ich wusste, ich bekomme wenig Schlaf und es wird mich Nerven kosten. Was war denn los mit mir? Ich kannte doch das Leben mit einem Hund – nur war unser erster Hund nicht als Welpe zu uns gekommen und ich hatte nicht die Hauptverantwortung.

Zu viel Wissen in der Praxis manchmal eher hinderlich

Es folgten noch einige solcher Weinausbrüche. Ich war einfach völlig überfordert und wusste nicht weiter. Mir fehlte eine Anleitung, eine Verbindung zu diesem kleinen Fellknäuel und der Mut, einfach mal zu machen, ohne viel zu denken.

Denn genau da lag mein Problem. Ich habe mich so intensiv, fast schon über Jahre, darauf vorbereitet, meinen ersten eigenen Hund zu haben, dass ich völlig überfordert damit war, dass nichts so lief, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich hatte so viel Wissen, aber irgendwie schien nichts von dem anwendbar zu sein. Hatte ich mich überschätzt? Sollte mein Traum lieber ein Traum bleiben und ich kehre in mein altes Leben zurück?

Hallo Welpenblues: Zwischen Angst, Freude, Zweifel und Überforderung

Das Problem in dieser Gleichung ist nicht der Hund, sondern ich und mein Wunsch, alles perfekt machen zu wollen. Nach etwas mehr als eineinhalb Wochen veränderte sich etwas, ich verstand ihn auf einmal in manchen Situationen besser, konnte sein Verhalten deuten und wusste, wann er mich nur veräppeln wollte.

Diese eineinhalb Wochen steckte ich mitten in einem Welpenblues, das kommt tatsächlich gar nicht so selten vor, aber darüber sprechen, das wollen nur wenige. Ähnlich wie beim Babyblues stellt man alles infrage – sich, seine Entscheidungen, die Veränderungen. Das Leben mit einem Welpen ist wie eine Achterbahnfahrt zwischen Freude, Lachen, Weinen, Wut, Angst, Geduld, Scheitern und von vorne beginnen. Der Vierbeiner gleicht einem Schatten, ans allein sein ist vorerst nicht mehr zu denken. Das Gute ist, diese Phase geht vorbei, doch sie dauert bei jedem unterschiedlich lange an und meist ist die Zeit schneller vergessen, als man denkt.

Ob ich aufgegeben habe? Nein. Während ich diesen Text schreibe, liegt er auf meinem Fuß unter dem Schreibtisch und schlummert seelenruhig vor sich hin. Denn als ich ruhiger wurde und mein Inneres zu ordnen begann, wurde auch er ruhiger. Wir haben noch viele Baustellen, es gibt noch immer Momente, in denen ich zweifle, ich bin immer noch manchmal überfordert oder genervt und ganz vorbei ist die Zeit des Welpenblues noch nicht, aber ich lache wieder – vor allem wenn er vor Freude um mich herumflitzt oder sich zum Schlafen auf dem Sofa eng an mich kuschelt.

Brigitte

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