Anzeige

Equal Pay Day Am Ende verdienen wir alle weniger als der weiße Mann

An ihm reibt sich die Welt und nicht umgekehrt: der weiße, heterosexuelle cis Mann
An ihm reibt sich die Welt und nicht umgekehrt: der weiße, heterosexuelle cis Mann.
© Panthermedia / imago images
Ob Gender Pay Gap, Gay Pay Gap, Class Pay Gap … Sie alle erzählen dieselbe Geschichte: Jede:r Einzelne von uns verdient weniger Geld für dieselbe Arbeit als der weiße, heterosexuelle cis Kollege.

Wir als Leistungsgesellschaft geben uns schon seit langer Zeit einer gefährlichen Selbstlüge hin: dass mehr Leistung gleichbedeutend sei mit mehr Gehalt. Dieser Logik folgend hat in den vergangenen Jahren niemand mehr geleistet als Sportstars und Unternehmer wie Linde-Chef Steve Angel, der himmlische 19 Millionen Euro im Jahr 2021 verdient hat.

Andere Vorstände der 40 Dax-Unternehmen, einschließlich der Konzernchef:innen, kamen auch nicht gerade mit Kleckerbeträgen davon: Im Schnitt verdienten sie 3,9 Millionen Euro und konnten damit den Abstand zu ihren durchschnittlichen Beschäftigten auf das 53-Fache erhöhen. Im Jahr 2020 war es noch das kaum erwähnenswerte 47-Fache. Sehr leistungsstarke Menschen sind das – und in absoluter Mehrheit weiße Männer.

Aber wer wirklich Leistung sehen will, die eine entsprechende finanzielle Würdigung bekommt, der:die muss nicht weiter schauen als bis zu den großen Sportstars unserer Zeit, die über Beträge wie drei Millionen nur lachen können. Die Top 50 haben 2022 zusammen fast drei Milliarden Dollar verdient – und damit einen Rekord gebrochen (juhu!). Und was haben diese – zumindest teilweise weißen und mehrheitlich männlichen – Sportstars nicht alles in einem Jahr geleistet, über dem die dunklen Wolken von Krieg, Inflation und Energiekrise hingen: Danke, Tom Brady, du hast dir deine 83,9 Millionen Dollar redlich verdient. Und niemand kann wohl sagen, wie der Fußball ohne seine Gesichter Cristiano Ronaldo (115 Millionen Dollar) und Lionel Messi (130 Millionen Dollar) aussehen würde.

Zumindest eine Sache müssen uns diese Menschen und ihre Gehälter klar machen: Die Leistungsgesellschaft existiert nicht in dem Sinne, dass man sich nur anstrengen und totarbeiten müsse, um entsprechend entlohnt zu werden. Die Regeln sind ganz andere, wurden geschrieben von der Person, die logischerweise am meisten von ihnen profitiert.

Wo Macht ist, da ist der weiße Mann im Zentrum

Mit der Welt läuft einiges schief, mit dem Kapitalismus ohnehin. Dabei müssen gerade wir (gemeint sind weiße Europäer:innen und speziell weiße Deutsche) uns darüber im Klaren sein, dass wir zu den Gewinner:innen dieses kaputten Systems gehören. Aber es gibt eine Art Mensch, die selbst auf diesem Podest noch ein kleines Stückchen über den anderen steht. Es gibt ihn in alt, jung, mehrgewichtig, untergewichtig, groß, mit und ohne Haare und in allen Zwischen-, Auf- und Abstufungen. Er schwebt über unser aller Köpfe, bestimmt die Politik, das Weltgeschehen und die gesellschaftliche Norm: der weiße, heterosexuelle cis Mann. 

Schauen wir uns die oben genannten Beispiele noch einmal genauer an: Wo sind eigentlich die Frauen? Queere Menschen? Menschen mit Behinderung? Immerhin People of Color kommen bei den Sportstars vor, auch unter den Top 10. Anders sieht es bei den Frauen aus. Die einzigen (!) beiden Frauen auf der Liste der 50 bestverdienenden Sportstars sind Naomi Osaka auf Platz 19 (Jahresgehalt von 59,2 Millionen Dollar) und Serena Williams auf Platz 31 (45 Millionen Dollar).

Und bei den Dax-Unternehmen? Carla Kriwet wurde 2022 als zweite Chefin überhaupt gefeiert, die sich an die Spitze eines solchen Unternehmens gearbeitet hat. Die zweite Frau. Überhaupt. Jemals. Immerhin gibt es inzwischen Frauen in den obersten Etagen der Dax-Unternehmen: 2008 und 2009 lag der Anteil von Frauen in Vorständen bei 0,5 Prozent. 2022 sind es immerhin 21,8 Prozent. Und "immerhin" sei in diesem Zusammenhang zu verstehen als "besser als 'quasi nicht existent', aber lange noch nicht ausreichend". Im Vorstand börsenorientierter Unternehmen findet sich also nun in Deutschland mehrheitlich mindestens eine Frau – die im Schnitt sieben Männern gegenübersitzt, wie eine EY-Auswertung feststellte. Warum eigentlich?

Warum Frauen so selten in Führungspositionen zu finden sein sollen

Laut einer Umfrage der Personalberatung Odgers Berndtson sehen mehr als die Hälfte der befragten Männer den Grund darin, dass Frauen Top-Führungspositionen ablehnen würden, weil sich diese nicht mit ihren familiären Verhältnissen vereinbaren lassen würden. Die Frau, das kümmernde Wesen, auf die Welt gekommen, um den Nachwuchs zu betreuen und sich ganz und gar der Familie hinzugeben – das scheint für manche tatsächlich auch heute noch die einzige Existenzberechtigung einer Frau zu sein. Übrigens: Weniger als ein Drittel der befragten Frauen glaubten ebenfalls, dass das der Grund sei.

Vielmehr seien es Selbstzweifel an den "weiblichen Talenten ihrer Kompetenz", die laut 87 Prozent der befragten Frauen der Grund sind, warum man so wenige Chefinnen "dort oben" sieht. Auch haben sie offenbar Probleme mit dem Hervorheben ihres Erfolgs, denken 80 Prozent der Frauen und 38 Prozent der Männer stimmen ihnen zu. Was auch immer mit "weiblichen Talenten" gemeint sein mag – klar ist, dass der Mann die eigenen Talente nicht anzuzweifeln, kein Problem mit der Betonung seiner Erfolge zu haben scheint.

Kurzum: Der heterosexuelle, weiße cis Mann ist offenbar recht zufrieden mit sich und seinen Privilegien (zumindest solange diese bitte nicht hinterfragt oder – oh, Schreck – sogar vermeintlich gefährdet sein mögen). Warum sollte er auch nicht? Er ist die Norm.

"Warum haben Männer und Weiße eigentlich so viel?"

In einem Artikel von "Deutschlandfunk Kultur" setzt sich Rafael Schmauch mit seinen Privilegien auseinander. Er ist weiß, heterosexuell, in Westdeutschland geboren, seine Eltern sind Akademiker:innen. Er vereine, wie er selbst sagt, "ungefähr alle Privilegien" in sich, die man in dieser historischen Situation haben könne. Streitbar ist, ob es jemals eine Zeit in der Menschheitsgeschichte gab, in der der heterosexuelle, weiße, cis Mann nicht über alle Privilegien verfügte (ich würde sagen: nein), aber der Kern ist ein anderer: Es geht bei diesem Thema nicht darum, anderen nicht die Butter auf dem Brot zu gönnen. Es geht auch nicht darum, andere wegen Dingen anzufeinden, an denen sie kein direktes Zutun haben.

Welche Hautfarbe wir haben, welche Herkunft und welche Geschlechtsidentität – das sind alles Dinge, die wir uns nicht aussuchen können.

Es geht um Privilegien und die unumstößliche Tatsache, dass der körperlich wie seelisch gesunde, heterosexuelle, weiße cis Mann alle Privilegien der westlichen Gesellschaft in sich vereint. Alle anderen – Frauen, People of Color, Queere, Menschen mit Behinderung etc. – sind dieser Art Mensch untergestellt. Ob das von der einen oder der anderen Seite gewünscht, bedauert, forciert sein mag, ist eine andere Geschichte.

"Als Teil der dominanten Gruppe wirst du als normal betrachtet. Als so, wie es sein sollte", erklärt Wissenschaftlerin Taylor Phillips im Interview mit "Deutschlandfunk Kultur". Sie forscht zur Psychologie von Privilegien. "Die Abweichungen werden als schlecht eingestuft. Das betrifft auch Wissenschaftler. Die behandeln zum Beispiel Männer und Weiße als den Normalfall, den Standard. Wenn wir mit dieser Perspektive brechen, können wir uns fragen: Warum haben Männer und Weiße eigentlich so viel?"

Für den weißen, heterosexuellen cis Mann verläuft das Leben reibungslos

Die Entgeltlücke liegt zwischen Frauen und Männern bei 18 Prozent – selbst bei gleichen Qualifikationen und ansonsten gleichen Merkmalen noch immer bei sechs Prozent, wie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend feststellt und als "versteckte Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt" beschreibt.

Teilzeit ist Frauensache, zeigen Zahlen von Statista: Die Vollzeitquote lag 2019 bei Männern bei 93,6 Prozent, bei Frauen lediglich bei 33,8 Prozent. In Teilzeit sind 66,2 Prozent der Frauen und gerade einmal 6,4 Prozent der Männer. 2021 waren sogar 77,3 Prozent der Frauen teilzeitbeschäftigt. Irgendwer muss sich schließlich um die Kinder kümmern – im Zweifel eben die Frauen. Und wie sieht es bei den anderen "anderen" aus? Die Schwulen verdienen laut einer Studie 2,64 Euro brutto weniger als Heterosexuelle, womit allerdings kein Beweis für Lohndiskriminierung vorliege, sagt der Autor der Studie gegenüber "Zeit". "Das ist erst mal nur ein Indikator", und vermutlich gebe es eine Reihe von Erklärungen für die Lohnlücke.

Laut einer Vorstudie sind ausländische Arbeitskräfte in vielen relevanten Lebensbereichen grundsätzlich zufrieden – insbesondere der Arbeitnehmerrechte –, jedoch gaben zwei Drittel der befragten hochqualifizierten Fachkräfte aus Drittstaaten an, in Deutschland Diskriminierung aufgrund ihrer Herkunft erlebt zu haben.

All diese Erfahrungen kennt der heterosexuelle, weiße, cis Mann nicht. Für ihn ist das Leben reibungslos, denn die Welt schmiegt sich höchstens an ihn. Solange sich das nicht ändert, im Mindesten kritisch hinterfragt und verarbeitet wird, werden sich die Pay Gaps in allihrenVarianten nur vermehren, und in noch nicht absehbarer Zeit haben wir für jeden Tag des Jahres eine andere Version des "Equal Pay Day".

Celebrate Woman
© RTL

Celebrate Women – Gemeinsam einzigartig

Am 7. Und 8. März legt RTL Deutschland unter dem Claim „Celebrate Women – Gemeinsam einzigartig“ einen inhaltlichen Fokus auf Heldinnen unseres Alltags. In TV, Audio, Print, Radio und Online widmet sich „Celebrate Women“ voll und ganz Frauen und ihren Geschichten – nahbar, authentisch und empowernd.

Die Themen sind vielfältig und reichen von Persönlichkeitsentwicklung über Wellbeing bis hin zu konkreten Skills für Karriere und Finanzplanung. Denn Female Empowerment hat viele Facetten. Alle Infos findest du auf RTL.de/celebrate-women.


Verwendete Quellen: dsw-info.de, manager-magazin.de, spiegel.de, forbes.com, capital.de, personalwirtschaft.de, de.statista.com, destatis.de. tagesschau.de, deutschlandfunkkultur.de, bmfsfj.de, zeit.de, regensburger-nachrichten.de, antidiskriminierungsstelle.de

Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel