Anzeige

Natascha Kampusch: Ihr Entführer filmte ihre Qualen

Natascha Kampusch: Ihr Entführer filmte ihre Qualen
© Johannes Simon/Getty Images
Kann die Geschichte von Natascha Kampusch wirklich wahr sein? Viele Menschen bezweifelten das. Doch nun sind Videos aufgetaucht, die das Martyrium der Österreicherin bezeugen.

3096 Tage. Mehr als acht Jahre war Natascha Kampusch Gefangene des Sadisten Wolfgang Priklopil. Als 10-Jährige wurde sie entführt, ihre gesamte Jugend verbrachte sie in seinem Keller, wurde gedemütigt, gequält und misshandelt, bis ihr die Flucht gelang. Priklopil selbst brachte sich daraufhin um.

Als Natascha Kampuschs Geschichte im Jahr 2006 bekannt wurde, waren die Menschen nicht nur in Österreich zutiefst geschockt. Wie kann ein Mann zu so etwas fähig sein? Was muss dieses Mädchen durchgemacht haben? Wie kann sie trotzdem so stark wirken?

Sogar ihr eigener Vater zweifelte an ihren Aussagen

Irgendwann wurde genau diese Stärke zu Natascha Kampuschs Problem. Zweifel kamen auf, ob sie wirklich die Wahrheit gesagt habe. Selbst ihr Vater glaubte ihr nicht alles. "Das Mädchen aus dem Keller ist ein Mythos", zitiert ihn der britische Autor Alan Hall in seinem Buch "Missing". Offenbar war er der Meinung, Natascha Kampusch sei freiwillig bei Wolfgang Priklopil geblieben.

Weitere Gerüchte, die um Kampuschs Entführung kreisten:

Kampusch sei schwanger gewesen von Priklopil, doch das Baby sei verschwunden. Priklopil sei Teil eines Kinderpornorings gewesen. Es habe zumindest mehrere Mittäter gegeben. Und immer wieder der Vorwurf, Kampusch erzähle Lügen.

Neues Buch bestätigt die Version von Natascha Kampusch

Nun ist ein Buch erschienen, das die Verschwörungstheorien größtenteils in Luft auflösen dürfte. Für "Das Entführungsprotokoll Natascha Kampusch. Die ganze beschämende Wahrheit" bekam der Autor Peter Reichard Einsicht in Dokumente und Beweisstücke des Falls.

Darunter auch: Jede Menge Videos, denn der Psychopath Proklopil hielt das Leben seiner Geisel regelmäßig auf Band fest. Und diese Bilder zeigen laut Reichard das Ausmaß des Grauens, das Kampusch jahrelang erdulden musste.

Einige Beispiele, die der "Welt am Sonntag" vorliegen:

Priklopil gab Kampusch kaum etwas zu essen, er vermaß und wog sie regelmäßig, und selbst als sie schon abgemagert war, beschimpfte er sie noch als "fett".

Kampusch musste fast immer nackt in ihrem Verlies herumlaufen und wurde auch so gefilmt.

Er hatte Sex mit ihr und nutzte jede Gelegenheit aus, um sie zu erniedrigen. Zum Beispiel gab er ihr Aufgaben zu lösen und strich dann Fehler an, die gar nicht da waren. Er beschimpfte das elfjährige Mädchen, dass ihre Nase laufen würde, gab ihr aber kein Taschentuch.

Mit mentaler Stärke gelang es ihr, sich nicht zerstören zu lassen

Peter Reichard ist ein ehemaliger Kriminalbeamter, kennt Kampusch und ihre Familie gut und beschäftigt sich seit zehn Jahren mit dem Fall.

In seinem Buch zeigt er auch, wie sich Natascha Kampusch vom wehrlosen Opfer langsam zu einer starken Frau verwandelte, und wie ihr ihre hohe Intelligenz und mentale Kraft dabei halfen, nicht an ihrer Situation zugrunde zu gehen. So habe sie dafür gesorgt, dass ihr Peiniger irgendwann abhängig von ihr war und konnte sich schließlich befreien.

Eine starke Frau, die sich nicht wie ein schwaches Opfer verhält - es ist leider typisch, dass solche Personen in der Gesellschaft Misstrauen hervorrufen. Dabei müsste man sie dafür einfach nur tief bewundern. "Sie trat für viele geradezu madonnenhaft auf, mit scheinbarer Distanz zu allem", so Reichard. Wäre sie als Häufchen Elend im Fernsehen vorgeführt worden, "hätte Österreich sie geliebt".

Doch Kampusch entschied sich, ihr Martyrium nicht mit der halben Welt zu teilen. Und dadurch am Ende nochmal zu erleben. "Jeder hat ein Anrecht auf Privatsphäre, und ich muss nicht alles erzählen", sagte sie vor ein paar Jahren gegenüber dem ORF. "Gewisse Dinge sind sehr persönlich und haben auch nicht wirklich etwas mit diesem Verbrechen zu tun, und warum soll ich dann demütigende Sachen preisgeben?"

Nun hat sie es doch getan. Es ist traurig, dass das offenbar nötig war, damit man ihr, dem Opfer, Glauben schenkt.

miro

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel