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"Besser Skin als Punk und drogenabhängig"

Der Vater von Uwe Mundlos sagte heute im NSU-Prozess aus. Schuld an den Verbrechen der NSU ist für ihn vor allem der Verfassungsschutz.
Siegfried Mundlos
Siegfried Mundlos
© Imago/Karina Hessland

Die Sache mit seinem Sohn ist für Siegfried Mundlos eine komplexe Rechnung mit einer Unbekannten. Das X in seiner Formel ist der Verfassungsschutz. Der Informatikprofessor scheint besessen von der Frage, welche Rolle die Behörde im "Nationalsozialistischen Untergrund" gespielt hat, der Terrorgruppe seines Sohnes Uwe Mundlos. "Ich werde alles daran setzen, um die Schweinerei dieser Schreibtischtäter aufzudecken", hat er vor dem NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen angekündigt, als er dort im November als Zeuge geladen war.

Wie schon Brigitte Böhnhardt, die Mutter von Uwe Böhnhardt, sucht auch Siegfried Mundlos die Verantwortlichen vor allem beim Staat. Für ihn ist klar: "Das ist kein NSU-Netz, sondern ein Verfassungsschutz-Netz." Sein eigener Sohn sei zu den Taten, zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen, zu denen sich der NSU immerhin bekannte, nicht fähig gewesen.

Der Vater scheint den Blick für die eigene Verantwortung verloren zu haben. Das könnte schwer erträglich werden für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer, auf die Siegfried Mundlos in Saal A101 des Münchner Oberlandesgerichts trifft. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl wird ihn dort zum Leben und zur Person seines Sohnes befragen, auch zu Beate Zschäpe wird er Auskunft geben müssen. Anders als deren Mutter hat er kein Auskunftsverweigerungsrecht.

200.000 D-Mark für Informationen

Doch wie gut kannte der große Mann mit dem weichen Gesicht seinen Sohn wirklich? Ob Uwe Mundlos Links- oder Rechtshänder war, wusste Siegfried Mundlos nach fast 14 Jahren nicht mehr. "Gezeichnet hat er wohl mit links, geschrieben hat er eher mit rechts", sagte er den Polizisten, die ihn rund einen Monat nach dem Selbstmord seines Sohnes befragten. Die Beamte wollten feststellen, mit welcher Hand er geschossen haben könnte - um ihn auf den Überwachungskameras der Banken identifizieren zu können, die er überfallen haben soll. Siegfried Mundlos hatte auf ein so einfaches Detail über seinen Sohn keine exakte Antwort.

Beim Verfassungsschutz hingegen ist er sicher: Das Thüringer Landesamt habe ganz gezielt den Thüringer Heimatschutz aufgebaut, jene Neonazi-Kameradschaft also, in der sein eigener Sohn zur Führungselite gehörte. Er wüsste heute, warum es so schwierig war, seinen Sohn aus dem braunen Sumpf herauszuholen. Schließlich sei das Gegenüber der Verfassungsschutz gewesen, mit 200.000 Mark, sagte er den Abgeordneten. Soviel hat der V-Mann Tino Brandt für seine Informationen bekommen. Brandt hatte auch nach dem Untertauchen von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe 1998 noch mittelbar Kontakt zu den dreien.

Nicht ganz zu Unrecht sagt Vater Mundlos heute: "Man hätte die in den ersten vier Wochen unbedingt fassen können. Alles andere ist Unfug." Er bezieht sich dabei auch auf die Kontaktliste seines Sohnes, die in der Bombenbau-Garage in Jena gefunden wurde. Die Fahnder hatten sie damals nicht ausgewertet, doch darauf stand auch Thomas S., ein Chemnitzer Kontakt und V-Mann des LKA Berlin – in Chemnitz hatten die drei zunächst Unterschlupf gefunden. Für Siegfried Mundlos ist es ebenfalls bezeichnend, dass auch Juliane W., die damalige Freundin von Ralf Wohlleben, der mit Beate Zschäpe auf der Anklagebank in München sitzt, Informantin des Verfassungsschutz war – und laut Mundlos’ Aussage in Erfurt zentrale Fluchthelferin. Ausgerechnet über sie, so hatten es die Zielfahnder der Polizei ihm sogar vorgeschlagen, sollte er seine Kreditkarte an die drei Flüchtigen weitergeben. Mundlos habe das abgelehnt, um später nicht als Unterstützer zu gelten.

Anwerbeversuch des Bundeswehr-Geheimdienstes

Über das Verhältnis seines Sohnes zu Zschäpe hat Siegfried Mundlos in seinen Vernehmungen bisher nicht viel erzählt. Sein Sohn hätte sich liebevoll um den gelähmten Bruder gekümmert und sei mit Beate gerne campen gegangen. Er habe die beiden öfter für einige Tage an den ehemaligen Braunkohlesee bei Zeitz gefahren. Beate Zschäpe und Uwe Mundlos waren Anfang der 90er Jahre ein Paar. Zschäpe habe er gar nicht für rechts gehalten, die hätte sich sogar geärgert, wenn sein Sohn Springerstiefel trug, sagt er.

Für ihn selbst scheint die rechte Ideologie seines Sohnes etwas gewesen zu sein, dass sich auswächst. Er habe immer gedacht: "Wenn er bloß erstmal Abitur hat, dann kommt er aus dem Milieu raus, dann wird er vernünftiger, seine Mitstudenten werden ihm helfen wieder klar zu sehen", sagt er. Neonazi-Symbole habe er in der Wohnung allerdings nicht toleriert.

Als bei einer Hausdurchsuchung im August 1994 Flugblätter der NPD und Neonazi-Musik sichergestellt wurden, habe er einen "Heidenärger" mit seinem Vater bekommen, berichtet Uwe Mundlos tatsächlich dem Militärischen Abschirmdienst (MAD), dem Bundeswehr-Geheimdienst, der ihn während seines Wehrdienstes als V-Mann anwerben wollte. Ansonsten habe sein Vater seine Mitgliedschaft in einer Skinheadgruppe immer akzeptiert. Er sei der Meinung: "Besser Skin als Punk und drogenabhängig".

Lieber Untergrund als Knast

Der Informatikprofessor macht heute sogar bei Böhnhardt und Zschäpe die Rechnung mit dem Verfassungsschutz auf: Bei Uwe Böhnhardt, der 1998 eine Haftstrafe hätte antreten müssen, sei das Motto gewesen: "Lieber zum Spitzeln in den Untergrund als in den Knast." Auch im besten Freund und Mordkumpanen seines Sohnes vermutet Mundlos heute einen Informanten. Und den BKA-Ermittlern hatte er bereits im Dezember 2011 von einem anonymen Schreiben berichtet, dass er in seinem Briefkasten gefunden hatte, dann aber wegwarf: Dass auch Zschäpe V-Frau sei, habe darin gestanden.

Siegfried Mundlos scheint dabei fast stolz zu sein auf seinen Sohn Uwe, der damals das Angebot vom MAD ablehnte. Niemals hätte Uwe als Spitzel gearbeitet, sagt der Vater: "Dafür war der zu geradlinig, zu ehrlich, das hätte der nicht gemacht."

Nachtrag: Eklat im Gerichtssaal Am Prozesstag am 18.12. beleidigte Mundlos den Richter und bezeichnete ihn als "kleinen Klugsch...". Mehr dazu auf stern.de

Text: Lena Kampf

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