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Emily Infeld Eine der besten US-Läuferinnen fehlt bei Olympia – nachdem ein Stalker ihr Leben zur Hölle machte

Emily Infeld: Läuferin im Wettkampf bei Olympia
© Alexander Hassenstein / Getty Images
Langstreckenläuferin Emily Infeld rechnete sich gute Chancen auf Olympia aus – dann trat ein Stalker in ihr Leben. Drei Jahre lang verfolgte der Mann die US-Amerikanerin. Darunter litten nicht nur ihre sportlichen Leistungen.

Wenn die Langstreckenwettbewerbe bei den Olympischen Spielen in Tokio eröffnet werden, wird Emily Infeld fehlen. Die US-Amerikanerin gehört zu den besten Läuferinnen ihres Landes, bei den Weltmeisterschaften 2015 gewann sie die Bronze-Medaille über 10.000 Meter, auch 2016 bei den Spielen in Rio de Janeiro war sie dabei. Für Tokio konnte sie sich jedoch nicht qualifizieren – auch weil sie in den vergangenen Jahren von einem Stalker verfolgt wurde.

Der US-Sportsender ESPN hat die Geschichte von Emily Infeld ausführlich aufgearbeitet. Drei Jahre lang lebte die 32-Jährige in Angst vor ihrem Stalker Craig Donnelly, musste vor ihm fliehen und sich verstecken, konnte nicht richtig trainieren. Auf ihre sportliche Karriere konnte sich Infeld kaum konzentrieren, ihre Laufleistungen ließen stark nach.

Läuferin Emily Infeld bekam aufdringliche Nachrichten von Stalker

Der Albtraum von Emily Infeld begann im Jahr 2018, berichtet ESPN. Damals trat Craig Donnelly zum ersten Mal in das Leben der Läuferin, ein ihr bis dahin unbekannter Mann, der ihr seltsame Nachrichten über ihre Social-Media-Kanäle schrieb. Zunächst sendete er ihr Ratschläge, wie sie eine Verletzung am besten auskurieren könne. Doch mit der Zeit wurden die Nachrichten immer persönlicher und aufdringlicher, Donnelly sprach von Hochzeit und machte konkrete Pläne für die Zeremonie. Infeld war zu dem Zeitpunkt bereits mit ihrem Verlobten Maxwell zusammen.

"Ich hatte ein komisches Gefühl in der Magengrube", erinnert sich die Läuferin. Zunächst glaubte sie noch, der Stalker könnte ihre Adresse nicht herausfinden – bis sie Post von ihm bekam. Daraufhin ergriffen sie und ihr Partner Schutzmaßnahmen: Sie installierten Überwachungskameras an ihrem Haus, im Kofferraum ihres Autos lag ständig ein Baseballschläger, neben der Haustür eine Eisenstange. Nachdem ein Gericht verfügt hatte, dass Donnely sich Infeld nicht nähern durfte, herrschte dann zunächst anderthalb Jahre lang Funkstille.

Übte der Sponsor Druck aus?

Dann aber meldete sich der Stalker über Twitter und Instagram zurück, in öffentlichen Beiträgen behauptete er, Infeld und er seien verheiratet gewesen und die Sportlerin würde ihm Geld schulden. "Ich dachte wirklich, es wäre erledigt gewesen", sagte Infeld ESPN. Im Juni 2020 kam der nächste Schock: Donnelly hatte ein Apartment in Portland gemietet, nur etwa drei Kilometer von ihrer Wohnung entfernt. Noch schlimmer: Auf LinkedIn hatte er gepostet, er sei nur nach Portland gezogen, um Emily Infeld zu töten. Infeld blieb nur noch die Flucht, zunächst in ein Hotel, dann nach Atlanta – weg von ihrem Zuhause und auch von ihrem Trainingszentrum, in dem sie sich seit Jahren auf die Olympischen Spiele vorbereitet hatte.

Trotz ihrer Notlage habe der Sportartikelhersteller Nike, der das Trainingszentrum betreibt, Druck auf sie ausgeübt, behauptet Infeld. Sie solle zurückkehren und bestimmte sportliche Voraussetzungen erfüllen, ansonsten würde ihre finanzielle Unterstützung gestrichen. Auch von der Polizei kam wenig Unterstützung. Da Donnelly den Bundesstaat wieder verlassen hatte, habe die Polizei in Oregon wenig Handhabe gehabt, teilten die Behörden ESPN mit.

Infeld fühlte sich alleingelassen – und entschied sich im März diesen Jahres schließlich dazu, ihre Geschichte öffentlich zu machen. Sie fühle sich "frustriert und hoffnungslos", schrieb sie auf Instagram: "Ich weiß nicht, was ich tun soll, und möchte das teilen für alle, die mit etwas Ähnlichem kämpfen und gekämpft haben." Anschließend erhielt sie unzählige Nachrichten von Frauen, die ähnliche Geschichten zu erzählen hatten. Besonders Läuferinnen sind von Belästigungen aller Art betroffen: Sie müssen im Training oft alleine lange Strecken zurücklegen, auf denen sie ungeschützt sind. Emily Infeld brachte kaum noch den Mut zu solchen Trainingsläufen auf, das machte sich in ihren sportlichen Leistungen bemerkbar. 

Stalker endlich gefasst – ihm droht eine lange Haftstrafe

Erst im Juni 2021 wurde Craig Donnelly endlich verhaftet. In gewisser Weise ist auch seine Geschichte tragisch: Donnelly war selbst Läufer, erlitt aber 2016 einen epileptischen Anfall. Laut ESPN musste ihm damals in einer Notoperation ein Teil seines Gehirns entfernt werden. Danach habe sich seine Persönlichkeit verändert und er begann, Infeld nachzustellen. Offenbar war die Läuferin nicht die einzige Frau, die Donnelly gestalkt hatte. Jetzt droht Donnelly eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren wegen Cyberstalkings.

Für Emily Infeld ist der Albtraum damit vorbei – trotzdem hat die Läuferin drei Jahres ihres Lebens quasi verloren. Nach Donnellys Verhaftung bestand zwar noch eine theoretische Chance auf eine Qualifikation für die Olympischen Spiele, Infeld verpasste aber die geforderte Zeit deutlich. Noch schlimmer sind jedoch die psychologischen Folgen: Immer noch fühlt sich Infeld nicht sicher, erzählte sie ESPN. Sie vermeidet, private Informationen im Internet zu posten, das Überwachungssystem an ihrem Haus ist immer noch aktiv. Ihr vorrangiges Ziel ist es nun, endlich wieder zurück zur Normalität zu finden.

Quelle: "ESPN"

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei stern.de.

epp/stern

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