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Ursula Nölle

In unserer Serie stellen wir Ihnen jede Woche eine Frau vor, die uns beeindruckt hat. Ob bekannt oder unbekannt, bissig oder friedlich, laut oder leise - auf jeden Fall ein Mensch, der bemerkenswert ist.

URSULA NÖLLE IST ...

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... unsere Frau der Woche, weil sie sich für Schulbildung in Afghanistan einsetzt - und dafür am Dienstag mit dem "Prix Courage" ausgezeichnet wurde. Seit Jahrzehnten engagiert sich die 82-jährige Hamburgerin für den "Verein zur Unterstützung von Schulen in Afghanistan", den sie selbst gegründet hat. Der "Prix Courage" (verliehen gemeinsam vom ZDF-Magazin "Mona Lisa" und Clarins, dotiert mit 20.000 Euro) ist übrigens nicht ihre erste Auszeichnung. Im November 2006 wurde sie für ihr Lebenswerk mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse geehrt.

Außerdem ist Ursula Nölle...

... zielstrebig: Ursula Nölle arbeitete noch in ihrem Beruf als Turnlehrerin, als sie 1983 ihr erstes Projekt anschob: eine Mädchenschule in Peshawar. Inzwischen besuchen etwa 40 000 Kinder und Jugendliche Schulen, die Ursula Nölles Verein gegründet oder mit Sachspenden unterstützt hat. Der Verein hilft etwa beim Bau von Wasserbecken, veranstaltet Näh- und Englischkurse, spendiert Computer, bildet Lehrer aus, bereitet Schulabgänger auf Prüfungen vor. Insgesamt hat Ursula Nölles Verein schon über 100 000 Kindern eine Ausbildung ermöglicht. Im vergangenen Jahr vergab Indien erstmals fünf Studienstipendien an afghanische Schulabgänger - alle hatten eine von Nölles Schulen absolviert.

... idealistisch: Über zwei Jahrzehnte lang herrschte in Afghanistan Krieg. Nach dem Krieg kamen die Taliban, die bis zu ihrem Sturz im Jahr 2001 unter anderem sämtliche Schulen und Universitäten des Landes schlossen. 2004 fand die erste Präsidentenwahl statt, aber bis heute wird Afghanistan von Schrecken und Terror beherrscht. Ursula Nölle setzt die Kraft der Bildung dagegen: "Demokratie kann es in diesem Land nur geben, wenn den Menschen dort die Möglichkeit gegeben wird, eine Ausbildung zu machen. Wenn ich in Afghanistan bin, sage ich den Schülern immer: Ihr seid die Zukunft des Landes!"

... traurig: Ihr wichtigster Mitarbeiter Rahmanqul, ein Mann der ersten Stunde, wurde vor zwei Monaten erschossen. Ursula Nölle beginnt zu weinen, als sie davon erzählt. Sie wird ihr Engagement fortführen, aber anders als bisher: Anstatt alle Projekte von einer Person verantworten zu lassen, hat sie die Aufgaben nun auf mehrere Mitarbeiter aufgeteilt. 10 000 Euro, die Hälfte ihres Preisgeldes, geht als Unterstützung an die Familie von Rahmanqul.

... hartnäckig: Nie hat sie daran gedacht, aufzugeben - weder, als die Taliban alle ihre Lehrerinnen entließen, noch als sie ihren engsten Mitarbeiter verlor. Um Konflikte mit den Fundamentalisten weitgehend zu vermeiden, versuchte sie, Koranschulen mit einzubeziehen, ihnen zum Beispiel Räume oder Materialien zur Verfügung zu stellen. Während des Taliban-Regimes ermutigte Ursula Nölle ihre Lehrkräfte, heimlich zu Hause weiter zu unterrichten - so entstanden 29 Home Schools, in denen Tausende Kinder weiterhin Lesen und Schreiben lernen konnten.

... mutig: BRIGITTE-Redakteurin Beate Koma, die sie vor sechs Jahren anlässlich eines Interviews traf, erzählt von der Courage, mit der Ursula Nölle ihre Sache verfolgte: "Damals reiste die schon recht betagte Dame nur in Begleitung ihres Schwiegersohnes nach Afghanistan - und trug die gesamten Spendengelder, das waren damals 40 000 Mark, in einer Bauchtasche bei sich." Heute wird der Transfer der Gelder anders organisiert, der Verein nutzt ein Konto bei einer pakistanischen Bank. Eine Bank in Afghanistan wäre Ursula Nölle noch immer zu heikel.

... verehrt: Afghanische Patriarchen verliehen Ursula Nölle den Titel "die Mutter von Qurgan". Besonders wohl fühlte sie sich erst nicht damit, bis man ihr beim Auswärtigen Amt verriet, dass es sich dabei um eine besonders große Auszeichnung handelt - es sei absolut unüblich in Afghanistan, dass Männer eine Frau mit einem Titel ehren.

... dankbar: "Es ist ein Wunder, wie fabelhaft das alles klappt", dieser Gedanke sei ihr während ihres letzten Besuchs in Afghanistan im September 2006 gekommen, erzählt Ursula Nölle. Ihr Ansporn und ihr Rückhalt ist die Familie - fünf Kinder, 13 Enkelkinder, zwei Urenkel, und ihr Ehemann. "Sie lieben, was ich tue", sagt Ursula Nölle lachend. Und sie betont: "Ich mache das Ganze nicht aus Frust, oder weil ich eine 180-prozentige Feministin wäre - aber man kann neben einer Familie ja auch noch andere Aufgaben wahrnehmen!"

Text: Wiebke Peters

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