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Antirassismus Tupoka Ogette zeigt auch dir, dass du rassistisch sozialisiert bist – und wie du es verlernst

Tupoka Ogette
© Alina Schessler / Pressestelle
Rassismus versteckt sich im Alltag. Und in so gut wie jedem von uns – ob gewollt oder nicht. Die Diversity-Trainerin Tupoka Ogette klärt auf, wie man Antirassimus lernen kann und ist Teil unserer Reihe #dubiststark!

Kann man lernen, nicht rassistisch zu sein? Ja man muss nur vorher begreifen, dass man es ist. Denn Rassismus, davon ist die Berliner Diversity-Trainerin Tupoka Ogette überzeugt, kann man kaum entgehen, wenn man in Deutschland zur weißen Mehrheit gehört.

Aufklärung über unbewussten Rassismus

Es ist ein harter Weg der Selbsterkenntnis, auf den Tupoka Ogette die Menschen, die ihre Kurse buchen, schickt. Mit Workshops, Lesungen und Vorträgen klärt sie seit acht Jahren über unbewussten Rassismus und seine Folgen auf, in Firmen, Kultureinrichtungen, Schulen, Adoptionsagenturen. Ihr 2017 erschienenes Handbuch "exit Racism – rassismuskritisch denken lernen" ist inzwischen der Standard-Leitfaden für alle, die gängige Denk- und Sprachmuster hinterfragen wollen.

Rassismus vergleicht sie mit einer Art Smog, den von klein an alle einatmen, ob sie wollen oder nicht. "Rassismus findet sich in der Art, wie wir sprechen, in den Büchern, die wir lesen, in den Witzen, die wir machen, in der Art, wie wir über uns und über die anderen zu denken gelernt haben, und er findet sich dementsprechend in den Systemen, die wir kreieren", sagt sie. "Das macht ihn für jene, die nicht von ihm betroffen sind, schwer zu erkennen. Als schwarzer Mensch oder Person of Color bist du diesen Alltagsrassismen ständig ausgesetzt."

Tupoka Ogette, 40, kommt aus Leipzig, ihre Mutter ist weiße Deutsche, ihr Vater war Student aus Tansania, der nicht dauerhaft in der DDR lebte. Mit acht Jahren zog sie mit ihrer Mutter nach Westberlin, studierte später an der Uni Leipzig Afrikanistik und Deutsch als Fremdsprache, machte einen Wirtschafts-Master in Frankreich und arbeitete dort sechs Jahre für den Deutschen Akademischen Austauschdienst.

Die fünf Phasen der Selbsterkenntnis

Dass sie aktiv über Rassismus aufklären wollte, wurde ihr klar, als ihr jüngerer Sohn, heute neun, in Deutschland ähnliche Erfahrungen machte wie sie in ihrer Kindheit. "Das hat große Wut in mir ausgelöst", sagt sie. "Aber Wut lässt sich proaktiv nutzen. Ich habe sie quasi transformiert."

Fünf Phasen der Selbsterkenntnis muss man laut Tupoka Ogette durchlaufen, um sich über die eigenen Denkmuster klar zu werden: Verstehen, dass man in einer Welt lebt, die Weiße für Weiße geschaffen haben. Einsehen, dass einen das Thema betrifft, auch wenn man denkt, dass man andere niemals über ihre Herkunft definiert. Diese Erkenntnis aushalten, dann die Scham- und Schuldgefühle, die damit einhergehen. Und schließlich: Akzeptieren, wie es ist, und die Wurzeln anpacken.

Wenn ihr jemand im Seminar sagt, er habe aber doch schwarze Freunde, dann erklärt sie, dass das nicht wie ein Impfstoff gegen eine rassistische Sozialisierung wirkt; wohl aber offenes Zuhören, wenn schwarze Menschen oder People of Color über ihre Erfahrungen sprechen – ohne zu belehren, zu relativieren, Lösungen aufzuzeigen. Sie will den Menschen kein schlechtes Gewissen machen, sondern sie sensibilisieren. Deshalb beginnt sie schon in der Kita, schult Eltern und Pädagog*innen. "Kinder brauchen vorurteilsbewusste Umgebungen", sagt sie, "eine Sprache, um Ungerechtigkeiten zu benennen."

Gerade jetzt, im Zuge der Proteste gegen Rassismus in den USA und auch in Deutschland, ist Tupoka Ogette häufig befragte Expertin, ihr Buch ging im Juni in die 7. Auflage. Auch in Deutschland sei Rassismus institutionell und strukturell tief verankert, sagt sie. Das größte Problem sei die Art und Weise, wie er thematisiert werde. "Wir tun noch viel zu oft so, als säße Rassismus nur in der rechten Ecke. Das ist aber nur ein Teil des Problems. Wir müssen das Thema gesamtgesellschaftlich angehen und unter anderem eine Gesprächskultur über Rassismus entwickeln. Denn die echte Auseinandersetzung mit Rassismus eröffnet uns einen neuen Blick auf uns selbst." 

Tupoka Ogette, 40, ist Vielfaltsexpertin und Trainerin im Bereich Antirassismus, seit 2016 gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Bildhauer Stephen Lawson. Ihr Buch "exit Racism" (Unrast Verlag) gilt als Standardwerk in der antirassistischen Bildungsarbeit. Sie lebt in Berlin und hat zwei Kinder, neun und 21 Jahre alt.

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BRIGITTE 15/2020

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