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Toxische Männlichkeit Warum redet niemand mit Jada Pinkett Smith?

Jada Pinkett Smith bei den Oscars 2022
Jada Pinkett Smith bei den Oscars 2022.
© Mike Coppola / Staff / Getty Images
Nach dem Ohrfeigen-Skandal bei der Oscarverleihung 2022 dreht sich alles – mal wieder – um den Mann. Aber sollte es nicht eigentlich um Jada Pinkett Smith gehen?

Es ist schon bezeichnend, dass die Google-Suche nach Schauspielerin Jada Pinkett Smith zurzeit vor allem ein Ergebnis liefert: Die Berichterstattung über ihren Mann, Will Smith, und seiner peinlichen Ohrfeige gegen Kollegen Chris Rock. Inzwischen dürfte jede:r gehört, gelesen und vielleicht sogar mehrfach gesehen haben, was genau in jener Nacht passiert ist, in der es doch eigentlich um andere Dinge hätte gehen sollen. 

Männer, die Gewalt antun

Chris Rock, Komiker, Schauspieler und Regisseur, war bei den diesjährigen Oscars einer der Verleiher:innen, die nicht immer den besten Job machen. Eigentlich soll es lediglich darum gehen, eine:n Gewinner:in zu verkünden, doch manche Menschen schaffen es, diese einfache Angelegenheit höchst unangenehm für alle Beteiligten zu machen. Man erinnere sich an das Debakel im Jahr 2017, als Faye Dunaway und Warren Beaty den falschen Gewinnerfilm nannten (es war "Moonlight", angekündigt wurde von ihnen allerdings "La La Land"). Oder als Schauspieler Sean Penn 2015 bei der Preisverleihung einen ziemlich taktlosen und allen voran rassistischen Witz auf Kosten des mexikanischen Regisseurs Alejandro González Iñárritu machte. Vor allem medial wurden und werden diese Patzer bis heute zerrissen. 

Rock wiederum erhielt für seinen "Patzer" nicht nur eine verbale, sondern auch eine hörbar physische Ohrfeige und zwar von Will Smith, nachdem er einen Witz auf Kosten seiner Frau Jada brachte. Der "Komiker" spielte auf den rasierten Kopf der Schauspielerin an und heimste damit einige Lacher (übrigens erst auch von Will Smith selbst) und ein genervtes Augenrollen von Jada Pinkett Smith ein. Denn die Schauspielerin leidet aufgrund einer Krankheit unter Haarausfall – der rasierte Kopf ist eine Konsequenz daraus.

Nachdem Will Smith seine (toxische) "Männlichkeit" vor einem Millionenpublikum demonstrierte, indem er seinem Kollegen körperliche Gewalt antat, erhielt er – oh, die Ironie – einen Oscar für seine Rolle als Richard Williams im Film "King Richard". Den echten Williams umgibt das Gerücht, er habe seiner Frau in den 90er-Jahren mehrere Rippen gebrochen. Unter Tränen entschuldigte Will Smith sich bei der Academy (nicht bei Rock, das kam Tage später und ziemlich lustlos) und demonstrierte uns seine pervertierte Definition von Liebe, die er als Begründung für sein Handeln vorhielt. 

Aber was sagt eigentlich Jada Pinkett Smith dazu?

Es ist wirklich bezeichnend, dass selbst der Text, der doch eigentlich den Fokus auf sie legen möchte, die ersten Absätze erst einmal darauf verschwenden muss, zu beschreiben, warum die Aufmerksamkeit gerade nicht auf ihr liegt. Auf einer Frau, die eine erfolgreiche Schauspielkarriere, ein eigenes Modelabel aufgebaut, eine Wohltätigkeitsorganisation gegründet, drei Kinder mit großgezogen hat und offen und für viele Betroffene vorbildhaft mit einer Krankheit umgeht, die sie die Haare gekostet hat, deren Fehlen Rock zu einer takt- und respektlosen Pointe verleitet hat. Stattdessen liegt der Fokus (wie so oft) auf zwei Männern, die Gewalt ausgeübt haben, einer zunächst verbal und der andere, wie zur Antwort, physisch. 

Die Oscar-Nacht hätte ein Triumph für Frauen sein sollen

Dabei hätte der ganze Oscar-Abend eigentlich ein Fest für die Frauen sein können, sein müssen: Regisseurin Jane Campion gewann den Oscar für ihren Film "The Power of the Dog", bei ihrer dritten Nominierung erhielt Jessica Chastain den Oscar für die beste Hauptdarstellerin in "The Eyes of Tammy Faye", und die erste offen queere Frau, Ariana DeBose, bekam den begehrten Preis als beste Nebendarstellerin in "West Side Story" – hier wurde doch eigentlich Geschichte geschrieben! Aber nein, das alles bleibt eine Randnotiz, denn zwei Männer, die eine sehr mitreißende Darbietung von toxischer Männlichkeit präsentieren mussten, haben sich in den Vordergrund gedrängt. 

Und warum redet eigentlich niemand mit Jada Pinkett Smith darüber? Vielleicht hat sie einfach keine Lust, etwas dazu zu sagen, und das ist natürlich ihr gutes Recht. Sie wurde gedemütigt und öffentlich bloßgestellt, wobei es absolut zweitrangig ist, ob Rock vorher von ihrer Krankheit gewusst hat oder nicht. Er selbst schweigt zu den Geschehnissen, vielleicht aus Respekt, wissend, dass er genug Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Vielleicht aber auch, weil es zu dem Thema außer einer ernsthaften, persönlichen Entschuldigung nichts weiter zu sagen gibt. Hierbei sollte er sich allerdings nicht an Will Smith orientieren, da muss schon ein bisschen mehr kommen. 

Jada Pinkett Smith erobert sich das Narrativ zurück

Kürzlich äußerte sich Jada Pinkett Smith zum ersten Mal – indirekt – zu dem Skandal um ihren Ehemann. Auf Instagram postete sie den Satz: "This is a season for healing and I’m here for it" (zu Deutsch etwa: "Dies ist die Zeit zum Heilen und ich bin dafür bereit.") – und erobert sich so das Narrativ zurück, das ihr gewaltsam entrissen wurde. 

So wird man hoffentlich schon bald bei der Internetrecherche nach Jada Pinkett Smith wieder auf Artikel stoßen, die diese Frau ins Zentrum stellen. Und die sie nicht degradieren zur "Frau von Will Smith". Keine Frau ist nur "die Frau von ... ", außer vielleicht noch in Serien wie "Bridgerton", die wir uns alle gerne anschauen. Doch solch ein Verhalten von Männern der "Ehre" und "Liebe" wegen und solch eine Degradierung von Frauen zur Randfigur möchten wir lieber da lassen, wo sie hingehören: in der Vergangenheit.

Verwendete Quellen: instagram.com

Brigitte

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