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Teil 3 der BRIGITTE-Studie 2008: Goodbye Märchenprinz!

Was junge Frauen von den Männern halten. Wie sie mit ihnen leben wollen - und wie nicht. Teil 3 der großen BRIGITTE-Studie 2008.

"Mein Freund soll mich mein Leben leben lassen"

Hauptsache verheiratet? Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Ehe für Frauen eine Art Rundumversicherung war. Noch bis 1977 brauchten sie sogar die Erlaubnis ihres Ehemannes, wenn sie eine Arbeit annehmen wollten. Kein Kerl, kein Geld, sorgten sich viele und waren froh, wenn sie mit Ende 20 noch einen Heiratsantrag erhielten - selbst wenn der Zukünftige ein nervtötender Pedant sein sollte. 30 Jahre später lächeln wir über diese Frauen. Ende 20 und kein Ehering? Ist doch kein Problem. Nur knapp ein Drittel aller Frauen findet Heirat überhaupt noch wichtig, hat die repräsentative BRIGITTE-Studie "Frauen auf dem Sprung" ergeben.

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Und sie zeigt: Die Frauen von morgen wollen vor allem eines - auf eigenen Beinen stehen. Sie sind selbstbewusst, gut ausgebildet und wissen, was sie können. Den Ehemann um Geld bitten? Albern, schließlich erwarten 85 Prozent ihr eigenes Gehalt. "Wir erleben den Verfall des Wertes Mann", erklärt die wissenschaftliche Leiterin der Studie Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). "Männer sind für Frauen einfach nicht mehr der Referenzpunkt, um den sich alles dreht."

Einen öden Typen heiraten, nur um abgesichert zu sein? Das lehnen Frauen heute dankend ab. Sie sind auf dem Sprung - auch in eine neue Dimension von Partnerschaft mit Männern. Und da bleibt nichts so, wie es war. Denn die Studie zeigt ganz klar: Schon die 17-Jährigen wollen vor allem eines - Unabhängigkeit! "Mein Freund soll mich mein Leben leben lassen", meint die Gymnasiastin Silke L. "Ich will mich nicht eingeengt fühlen", betont Anne S., die gerade die Realschule beendet hat. Während der ideale Ehemann früher brav zu Hause bei Frau und Kindern zu sitzen hatte, erwarten über 90 Prozent der Frauen heute, dass er doch bitte eigene Freunde und Hobbys haben sollte und auch Zeit ohne seinen Darling verbringen kann.

Auch Freiheits-Freundinnen wollen Freunde

Statt "Schatz, wann kommst du heim?" heißt es jetzt: "Schatz, wann gehst du mal wieder weg?" Denn nichts ist schlimmer als ein Kerl, der klettet und klammert. "Diese freiheitsliebenden Frauen unterstreichen ihre Unabhängigkeit deutlicher als Männer", sagt Jutta Allmendinger, "das ist schon ein bemerkenswertes Ergebnis." Die alten Männerbilder verblassen. Der Versorger, der Beschützer, der Göttergatte, dem die Frauen ihr Leben unterordnen? Das war einmal. 97 Prozent finden, dass ein ausgewogenes Verhältnis von Geben und Nehmen eine gute Beziehung bestimmt und nicht Zwang und Verpflichtungen - das bedeutet allerdings keinesfalls, dass Frauen Partnerschaft unwichtig wird. Unabhängigkeit heißt nicht Unverbindlichkeit!

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Auch die neuen Freiheits-Freundinnen wünschen sich jemanden an ihrer Seite. Über 90 Prozent wollen mit ihm gemeinsame Ziele erreichen und zusammen alt werden - er soll nur lieber aussehen wie Johnny Depp und nicht wie Testosteron- Ikone Bruce Willis. Klingt ja richtig altmodisch? Stimmt! Die Liebe, die vom "Wir" statt vom "Ich" träumt, bleibt modern, und dazu passt, dass fast 90 Prozent der Frauen Treue extrem wichtig finden. "Das ist kein Widerspruch zum Wunsch nach Unabhängigkeit", meint Jutta Allmendinger, "denn treu sein heißt ja auch, eine Partnerschaft nicht durch jeden Flirt zu gefährden. Das ist nicht altmodisch, sondern guter Traditionalismus." Und Treue 2008 bedeutet ebenso: Ja, aber nicht um jeden Preis.

Wenn der Traumtyp zum Albtraum wird, dann sind die Frauen souverän und selbständig genug, um aus einer Partnerschaft auszusteigen. Gemeinsame Ziele. Entscheidungen auch mal unabhängig vom anderen fällen. Füreinander sorgen. Bemerkenswert ist, dass Männer die Partnerschaftsideale der Frauen jederzeit unterschreiben würden. "Was Männer und Frauen von einer guten Beziehung erwarten, ist nahezu deckungsgleich", hat Prof. Jutta Allmendinger durch eine Vergleichsstudie mit Männern herausgefunden. Kampf der Geschlechter? Den gibt's eigentlich nur noch auf dem Papier. Bleibt die Frage, warum es in Partnerschaften so oft nicht klappt. Vielleicht, weil trotz der Übereinstimmung der Wünsche so viele Missverständnisse über das andere Geschlecht existieren.

Alte Überzeugungen: Männer reden nicht über Gefühle!

Und die sind beträchtlich. So scheint es, als hätten Männer noch lange nicht realisiert, dass Frauenträume nicht mehr bedingungslos ums künftige Eheglück und den passenden Nagellack zum Hochzeitskleid kreisen. "Deren Frauenbild stammt aus einer alten Welt, egal, ob ich jetzt von 18- oder 28-Jährigen spreche", meint Jutta Allmendinger. "Gerade das Unabhängigkeitsstreben von jungen Frauen unterschätzen sie sehr."

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Gleichzeitig überschätzen Männer die Bedeutung der Ehe für die Frauen. 80 Prozent glauben, dass Frauen sehr viel Wert auf gutes Aussehen legen, obwohl das nur für 60 Prozent wichtig ist. Und Männer wissen auch nicht, dass Frauen mit ihrem Leben viel zufriedener sind als sie selbst. Und dass sie ein gutes Selbstwertgefühl besitzen. Wie groß die Macht der Stereotype ist, hat selbst Expertin Jutta Allmendinger überrascht.

Tatsächlich stecken auch die Frauen fest in alten Überzeugungen: Männer reden nicht über ihre Gefühle! Das sagen mehr als 80 Prozent. Sie halten Männer für sexgierig und desinteressiert an verantwortungsbewussten Beziehungen. Dabei ist das falsch, die Untersuchungen belegen etwas ganz anderes: Partnerschaft ist für Männer sogar wichtiger als für Frauen! Immerhin 35 Prozent würden für ihre Liebste Freundschaften vernachlässigen, während nur 18 Prozent der Frauen dazu bereit wären. Der Irrtum ist, dass Frauen und Männer zu wissen glauben, was das andere Geschlecht bewegt. Ihre Fehleinschätzungen überprüfen sie nur selten an der Wirklichkeit. Die Studie zeigt, dass Frauen vor allem mit Frauen reden und Männer mit Männern.

Männerbild orientiert sich an Papa

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Die Kommunikation zwischen den Geschlechtern findet erst gar nicht statt. Und viele Frauen haben es anscheinend aufgegeben, das Denken und Fühlen von Männern verstehen zu wollen. Typen? Kapiert man eh nicht! Oder wie die 27-jährige Kauffrau Silvia S. meint: Männer bleiben einfach immer, wie sie sind, und manchmal sind sie schlicht ein bisschen kindisch. Vor allem die traditionelle Rollenverteilung in den Herkunftsfamilien scheint ein Grund für dieses Männerbild zu sein. Dort sind die Väter überwiegend Vollzeit berufstätig und entsprechend wenig zu Hause. "Während sich die Frauen ihren Müttern sehr nah fühlen, sind die Väter in vielen Aspekten nahezu bedeutungslos", erklärt Allmendinger. Kann man sich auf Papa verlassen? Kaum! Würde ich mit ihm Freizeit verbringen? Eher selten! Würde ich ihm Vertrauliches erzählen? Nö!

Das fehlende Verständnis zwischen Töchtern und Vätern scheint sich in den Partnerschaften fortzusetzen. Da wundern realitätsferne Geschlechter- Stereotype nicht. Das Selbstbewusstsein und die Souveränität, mit der sich Frauen von Männern abgrenzen, zeigen allerdings auch, dass sie längst in ihrer neuen gesellschaftlichen Rolle angekommen sind. Frauen verlassen sich nur noch auf sich selbst. Sie lassen sich nicht mehr verunsichern. Sie sind zielstrebig und glauben, dass sie ihre Ziele auch erreichen. Dieses ungebrochene Selbstbild der Frauen findet Jutta Allmendinger symptomatisch für die neue Generation. "Die wirkt stabil und kaum noch zu manipulieren. Dagegen zeigt die Selbsteinschätzung der Männer deutlich mehr Brüche."

Kein Wunder. Denn die Männer haben die Ochsentour durch den Geschlechterparcours noch vor sich. Während Frauen dank Emanzipation und Gleichstellungs- Debatten schon jahrzehntelang ihr neues Selbstverständnis definieren, fängt die Transformation für Männer gerade erst an. Sie sehen sich mit vielfältigen Erwartungen konfrontiert, sollen Familie und Job unter einen Hut bekommen, sie sollen gut aussehen und aufregende Interessen und Freunde haben. Sie sollen in jeder Hinsicht perfekt sein - diesen Stress lassen die Frauen gerade hinter sich. Das müssen die Männer erst noch lernen. Doch die Gesellschaft unterstützt diesen Lernprozess bislang nur minimal. Ob im Beruf oder in den Medien - überall fehlen runderneuerte positive Männervorbilder. "Da stehen wir am Anfang einer wichtigen Entwicklung", meint Allmendinger. Erziehungsgeld und Elternzeit reichen eben noch lange nicht aus, um die neuen Männer Normalität werden zu lassen.

Auf jeden Fall Kinder

Doch Männer stehen jetzt unter Druck. Denn die Frauen erwarten, dass sich etwas ändert, ihr Märchenprinz ist nicht länger der Karrieretyp oder der Versorger. Der Traummann der Zukunft übernimmt vor allem Verantwortung fürs gemeinsame Kind. Nur als Väter sind Männer noch Helden. Die 27-jährige Hotelfachfrau Mareike S. meint, dass sie natürlich darauf geachtet habe, ob ihr Freund auch für den Nachwuchs im Job zurückstecken würde. Die 17-jährige Annelie F. rechnet sogar damit, dass es in ein paar Jahren normal sein wird, dass Männer auch hauptberuflich auf ihre Kinder aufpassen.

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Fast alle befragten Frauen wollen schließlich Kinder haben. Aber das heißt für sie nicht, dass sie den ganzen Tag mit ihnen zusammen sein müssen. Fremdbetreuung durch Kinderkrippen oder eben Väter? Damit haben die wenigsten ein Problem. Dagegen ist der Vollzeit arbeitende Feierabendpapa ein Auslaufmodell. Denn Geld verdienen die Frauen selbst - und wenn ihr Einkommen gut genug ist, übernehmen sie auch bereitwillig die Ernährerrolle im Haushalt. "Das werden wir in Zukunft häufiger erleben, auch weil der Mann vielleicht die schlechtere Ausbildung hat oder arbeitslos ist", meint Allmendinger.

Die Amerikaner haben bereits einen Begriff dafür: "dating down". "Und das ist für Frauen kein Problem, wenn der Mann dafür zuverlässig ist", sagt der Psychologe Michael Cunningham, "drei Viertel der Frauen würden einen Lehrer mit freien Nachmittagen einem Chirurgen vorziehen, der achtmal mehr verdient." Der Verfall des Wertes Mann? Das ist vor allem ein Verfall der Geschlechterklischees. Typisch Frau? Typisch Kerl? Das wird es vielleicht bald nicht mehr geben.

Denn trotz der mächtigen Stereotype sind die Rollenbilder in Bewegung. Und nichts zeigt das deutlicher als die Antworten der Männer auf die Frage, wer die Gesellschaft in Zukunft prägen sollte. Da liegt bei den 18-Jährigen ganz klar der fürsorgliche Vatertyp vorn. Deutlich weniger wählten den karriereorientierten Businesstypen. Auch in diesem entscheidenden Punkt sind Frauen und Männer einer Meinung, obwohl sie ihre Ziele und Werte doch für so unterschiedlich halten. Ein Widerspruch - und vielleicht besteht die wichtigste Aufgabe der Zukunft darin, dass Männer und Frauen begreifen, wie ähnlich sich ihre Geschlechterideale in den letzten Jahrzehnten geworden sind.

Einige haben das schon verstanden. Unterschiede? "Ach was", sagt die 27-jährige Lehramtsanwärterin Anne B., "mein Freund kann genauso zickig sein wie ich." Bis es so weit ist, erfordert das Spiel mit den Stereotypen Lässigkeit und Sensibilität: Dürfen Frauen Spaß an Hausarbeit haben? Sollen Männer Frauen aus dem Mantel helfen? Liz Kelly, Autorin des Ratgebers "Smart Man Hunting", sieht das ganz locker: "Bezahlen im Restaurant kann ruhig Männersache bleiben: Die Frauen sehnen sich schließlich nach Romantik und nicht nach einer kostenlosen Mahlzeit." Gentleman-Benehmen ist also weiterhin erlaubt - solange ein Mann nicht erwartet, dass eine Frau dafür seine stundenlangen Erläuterungen zur letzten Hobbykellersanierung erträgt. Denn dass Frauen nervtötende Pedanten als Glücksgriff empfinden, das ist ein für allemal vorbei. Dahinter gibt es wirklich kein Zurück!

BRIGITTE Heft 10/08 Text: Christa Thelen

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