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5 Jahre bei Taliban: Kinder halten Freiheit für „Wunderland“

Vater Joshua Boyle mit seinem in Taliban-Gefangenschaft geborenen Sohn Jonah.
© Gettyimages/Mike Carroccetto
Fünf Jahre verbrachte eine kanadische Familie in Taliban-Gefangenschaft. Die drei Kinder kennen kein Sonnenlicht, keine Klospülung. Vater Joshua Boyle erzählt, wie sich vor allem seine Söhne langsam an ein normales Leben herantasten müssen.

Ein 2012 in Afghanistan in Geiselhaft geratenes Paar ist wieder in Freiheit – zusammen mit seinen drei Kindern, die alle in Gefangenschaft zur Welt gekommen sind. Die beiden Jungen und ein Mädchen im Alter von vier und zwei Jahren sowie sechs Monaten haben nie zuvor das Sonnenlicht gesehen, geschweige denn eine Klospülung betätigt oder mit Spielzeug gespielt. Das berichtet der Vater jetzt Medien gegenüber.

Familie lebte jahrelang unterirdisch

Caitlan Coleman und Joshua Boyle hatten nach eigenen Angaben vor fünf Jahren eine Pilger-Reise unternommen, um Menschen in der Krisen-Region südlich von Kabul zu helfen. Dabei sollen die US-Amerikanerin und der Kanadier in die Fänge des Taliban-nahen Haqqani-Netzwerks geraten sein.

Jahrelang lebte das Paar überwiegend unterirdisch, teils in Zellen so klein wie eine Badewanne, berichtet der "Guardian". Für die Kinder sei die neugewonnene Freiheit wie ein "Wunderland", erzählt Vater Boyle. So habe der älteste Sohn Jonah Angst, das Haus zu verlassen – aus Furcht, die "magische" Reise würde enden. Bei den Terroristen war nur eine Schiefertafel und Kreide erlaubt. 

Toilette? Faszinierend – sie kennen nur Eimer

Stattdessen ist der Vierjährige fasziniert von Dingen, die für andere Kinder alltäglich sind. Eine Klospülung etwa hat Jonah nie gesehen. In Gefangenschaft gab es für die Familie nur Eimer. "Er versteht nicht, dass es draußen eine Sonne gibt", zitiert "Today.com" den Vater der Kinder. Man spreche hier nicht darüber, dass die Kinder ein paar Disney-Figuren wie Mickey Maus nicht kennen, sondern über viel grundsätzlichere Dinge. "Es ist nicht 'Willkommen in Kanada', es ist 'Willkommen im Leben'".

Großmutter Linda Boyle mit ihrer Enkelin Grace.
Großmutter Linda Boyle mit ihrer sechs Monate alten Enkelin Grace.
© Gettyimages/Steve Russell/Toronto Star

Auch der zwei Jahre alte Dhakwoen Noah habe Schwierigkeiten, anzukommen. So erinnere ihn vieles an die schrecklichen Erfahrungen in der Gefangenschaft: "Kameras verbindet er mit Geisel-Videos, Stifte mit den Spritzen, mit denen die Bewacher seine Eltern unter Drogen setzten", schrieb Boyle auf Nachfrage an den Sender CBC

Schwiegervater: "Gewissenlos"

Zum Zeitpunkt ihrer Entführung war Caitlan Coleman bereits mit ihrem ersten Kind im fünften Monat schwanger. Der Vater der heute 31-Jährigen äußerte deshalb bereits Kritik in Richtung seines Schwiegersohnes: "Deine schwangere Frau an einen sehr gefährlichen Ort zu bringen, das ist für mich gewissenlos." Coleman selbst äußerte sich bislang nicht öffentlich. Pakistanische Streitkräfte hatten die Familie am Mittwoch befreit.

Spekulationen, dass das Paar andere Motivationen gehabt habe als eine harmlose Pilger-Reise, wies der befreite Familienvater Joshua Boyle zurück. "Ich bin ein harmloser Hippie, ich töte noch nichtmal Mäuse", sagte der 34-Jährige dem "Toronto Star".

Begründung für's Kinderkriegen: "Ihre Uhr tickt"

Als Begründung, warum die beiden sich entschieden, in Gefangenschaft Kinder zu zeugen, sagte Boyle, seine Frau und er hätten sich schon immer eine große Familie gewünscht. Am liebsten hätte das gottesfürchtige Paar zwölf Kinder: "Wir wollten immer so viele wie möglich, und wir wollten keine Zeit verlieren. Cait ist in ihren Dreißigern, die Uhr tickt." 

Zurück in Kanada lebt die Familie jetzt in einem Haus nahe Ottawa. Aber trotz Freiheit und Platz: Noch immer schläft die Familie im kleinsten Raum des Hauses – gemeinsam. 

kia

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