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Abschied von Nelson Mandela

"Madiba ist tot." Ein ganzes Land trauert um Nelson Mandela, der im Alter von 95 Jahren gestorben ist. BRIGITTE-Mitarbeiterin Nadja Bossmann lebt in Südafrika und berichtet, wie sie den Abschied von diesem großen alten Mann erlebt.
Nelson Mandela, der afrikanische Supermann
Nelson Mandela, der afrikanische Supermann
© Imago/UPI Photo

Das Telefon klingelte heute morgen um halb 5. Unsere schwarze Haushälterin Blossom, im Hintergrund Trauermusik aus dem Fernseher: "Hast du schon gehört? Madiba ist tot. Ich kann es nicht glauben." Ja, das hatte ich schon gehört. Kurz vor neun gestern Abend im Radio: Nelson Mandela ist nach langer, schwerer Krankheit mit 95 Jahren gestorben. Klar war damit zu rechnen in seinem Alter, nach seinem langen Klinikaufenthalt im Juni, nach all den Gerüchten, dass er nur noch künstlich am Leben gehalten werde... Aber glauben wollte ich es auch nicht.

Das ganze Land verbrachte die letzte Nacht vor dem Fernseher. Auf allen Sendern die gleichen Archivbilder, die gleichen Zitate, die gleichen Kommentare: Der Vater der Nation, der große, alte Mann, der letzte von der Statue eines Ghandi ist nicht mehr da. Kaum jemand hat es ins Bett geschafft. Das muss man immer wieder hören und sehen, um es zu begreifen.

In einem Meer von Blumen und Kerzen halten schwarze Omis und weiße Teenager weinend Händchen.

In den Bussen, die morgens aus den Townships in die Stadt kommen, dröhnte heute keine laute Musik. Es war still auf den Straßen und Busbahnhöfen. Beim Friseur um die Ecke tragen alle schwarze Hemden. Blossom steht mit roten Augen in unserer Küche, macht den Abwasch mit Kopfhörern in den Ohren und Radio in der Kitteltasche. Sie müsse immer daran denken, wie Madiba nach 27 Jahren Haft seinen Gefängniswärtern bei der Entlassung die Hand geschüttelt habe. Da müssen wir beide heulen. So einer kommt nicht wieder.

Selbst sein Abschied war Madiba-Style: Nicht vor ein paar Monaten, als die Weltpresse vor seinem Krankenhaus stand und den Atem anhielt, sondern still und leise, als gerade keiner hinguckte. Damals lag vor der Klinik in Pretoria ein altes T-Shirt von einem, der kein Geld für Poster und Plakafarben hat. Darauf steht gekritzelt: Herr, nimm Jahre von meinem Leben und gib sie seinem. Gestern Nacht hielten in Company Gardens in Kapstadt in einem Meer von Blumen und Kerzen schwarze Omis und weiße Teenager weinend Händchen. Das ist auch Madiba-Style. Keine Krawalle, kein Chaos, sondern die Regenbogennation singend vereint vor seinen gerahmten Porträts: Ein freundliches Lächeln im runzligen Gesicht, eine winkende Hand, ein buntes Batikhemd - das war der südafrikanische Supermann.

Als Nelson Mandela 1994 der erste schwarze Präsident von Südafrika wurde, flüchteten die Weißen in Scharen. Aus Angst vor Gewalt und wirtschaftlichem Ruin. Heute kenne ich niemanden, der ans Packen denkt. Das ist das wahre Erbe von Madiba, dem großen Versöhner, der Gedanke von "Zusammen packen wir das schon!"

Das sieht auch Blossom so, deren Mann von Gangstern erschossen wurde, deren Schwester Aids hat, deren Großfamilie im Eastern Cape allein von ihrem Gehalt abhängt. "Ich muss mich noch durchkämpfen, aber meine Tochter wird ein besseres Leben haben als ich", sagt sie. "The big old man hat dafür gesorgt". Sie wird den großen alten Mann vermissen.

Text: Nadja Bossmann Foto: Imago/UPI Photo

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