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Laura Bates: Schluss mit "Everyday Sexism"!

Die Britin Laura Bates kämpft im Netz mit dem "Everyday Sexism Project" gegen sexuelle Belästigung im Alltag.

Boris Johnson hatte noch nie von Laura Bates gehört, als er Anfang Juli auf einer Konferenz sagte, Frauen würden sich an der Uni einschreiben, um einen Ehemann zu finden. Der frauenfeindliche Kommentar des Londoner Bürgermeisters wurde prompt im Internet dokumentiert - auf der Website von Laura Bates. Auf dem Twitter-Account ihres "Everyday Sexism Project" gegen Sexismus machten sich Akademikerinnen über Johnson lustig. Eine schrieb: "Oh, ich habe gar keinen Mann gefunden. Bekomme ich meine Studiengebühren nun erstattet?"

"Ein Typ langte mir an die Brüste - am helllichten Tag. Zu geschockt, um zu schreien."

Bis zum Ende ihres Studiums glaubte Bates, Männer und Frauen seien heute gleichgestellt. Dann jobbte sie als Schauspielerin und erduldete am Set Sprüche wie "Zieh mal dein T-Shirt hoch". Sie schwieg auch, als ihr in einem Bus ein Mann in den Schritt grapschte. Doch irgendwann reichte es ihr, und sie wehrte sich mit ihrer Website. Das war neun Monate, bevor in Deutschland die Internet-Aktion "Aufschrei" gegen sexuelle Belästigung ins Leben gerufen wurde. Sofort folgten hunderte von Frauen Bates' Aufruf und erzählten ihre Erfahrungen: "Ein Typ langte mir an die Brüste - am helllichten Tag. Zu geschockt, um zu schreien."

Was als Angebot für Frauen begann, sich über alltäglichen Sexismus auszutauschen, wird inzwischen als politisches Forum in 16 Ländern genutzt. Laura Bates erhielt Mails von Frauen aus Brasilien, Frankreich oder Deutschland, die fragten, ob sie auch in ihrem Land eine Version des Projekts starten könnten. Ihr Twitter-Account zählt rund 90 000 Follower, und Facebook nahm auf ihre Forderung hin Seiten mit frauenfeindlichen Inhalten aus dem Netz.

Die 26-Jährige, inzwischen eine gefragte Aktivistin, spricht an Schulen oder mit Politikern über feministische Grundwerte, kürzlich war sie auf einer Konferenz des Europarates in Amsterdam. Sie wird gehört - und stößt doch immer wieder auf Unverständnis. Wenn sie etwa in einer Talkshow gefragt wird: "Brauchen wir den Feminismus überhaupt noch?", kontert sie: "Es geht um Themen wie elterliche Gleichstellung, gleiche Gehälter und um Vergewaltigungen und sexuelle Belästigung - und gerade da liegt noch vieles im Argen."

Eine aktuelle Londoner Studie gibt ihr recht: Demnach gilt die Angst vor sexueller Belästigung als größtes Problem im öffentlichen Nahverkehr, Übergriffe werden aber fast nie gemeldet. Gegenwärtig arbeitet die Londoner Polizei mit Ergebnissen aus dem Sexismus-Projekt: 5000 Erfahrungsberichte hat sie ausgewertet, 2000 Polizisten wurden von Laura Bates für ihre Einsätze beraten - ebenfalls auf der Grundlage der Stimmen aus ihrem Twitter-Account.

Text: Silke Weber Foto: Bulls Press BRIGITTE 21/13

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