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Weltmusik-Star Sona Jobarthe ist die einzige professionelle Kora-Spielerin der Welt

Sona Jobarthe mit der Kora
Sona Jobarthe
© R. Diamond / Getty Images
Mit ihrer Musik füllt sie die Hamburger Elbphilharmonie oder das Londoner Barbican Centre. Nahe Gambias Hauptstadt Banjul hat sie eine Schule gegründet, die ganz Afrika verändern soll.

An die Sätze, sagt Sona Jobarteh, könne sie sich noch gut erinnern. Und an die Wut, die danach in ihr brannte. Ach, die Kora, hatte einer ihrer Lehrer am Londoner Royal College of Music gespottet. Das sei "Ethno-Zeug". "Willst du erfolgreich sein", hatte ein anderer prophezeit, "wird das nicht Teil davon sein."

Für Jobarteh, Tochter einer britischen Künstlerin und eines gambischen Musikers, war das der Wendepunkt, so erinnert sie es: "Ich begriff, dass ich aufhören muss, mich einer Welt anzupassen, in der ich stets anecken würde. Von da an schuf ich mir meinen eigenen Raum. Mit der Kora als Verbündeter."

Für das Zoom-Interview hat sie sich in eine ruhige Ecke neben der Bühne in Turin zurückgezogen, wo sie gleich vor Hunderten spielen wird – nicht auf dem Cello, wie ihre Lehrer es vor 23 Jahren wollten, sondern auf der Kora, der 21-saitigen traditionellen westafrikanischen Stegharfe, die in der Familie ihres Vaters seit Jahrhunderten gespielt wird; einer ihrer Cousins ist der Kora-Virtuose Toumani Diabaté. Denn Jobarteh, heute 39, eine ruhige Frau mit langen, eng an die Kopfhaut geflochtenen Zöpfen, ist inzwischen selbst ein Weltmusik-Star. Mit ihrer Band tritt sie in Konzerthallen wie der Hamburger Elbphilharmonie oder dem Londoner Barbican Centre auf. Das Video zu ihrem bekanntesten Song "Gambia" schauten sich im Netz 26 Millionen an. Das renommierte Berklee College of Music in Massachusetts verlieh ihr gerade für ihre Verdienste um die afrikanische Musik einen Ehrendoktor.

Sona Jobarthe: Darum ist sie so einzigartig

Es ist ein Triumph. Gegenüber der Arroganz ihrer ehemaligen Lehrer, die alles Nicht-Westliche als Folklore belächelten. Aber auch gegenüber den Regeln, nach denen die Kunst des Kora-Spiels in Gambia gewöhnlich an die nächste Generation weitergegeben wird.

Jobarteh stammt aus einem Griot-Clan, so nennt man in Westafrika jene Familien, deren Vorfahren schon im Mittelalter als Lehrer und Musikanten für die Könige Malis arbeiteten. Die meisten waren Männer. Speziell das Kora-Spiel gaben die Väter nur an die Söhne weiter. Jobarteh brach damit. Mit 18 zog sie von London ins Dorf ihres Vaters in Gambia, vereinbarte mit ihm, sie an der Stegharfe auszubilden. Heute ist sie die einzige professionelle Kora-Spielerin der Welt.

Vor acht Jahren begann sie, auch die Griot-Tradition des Lehrens auf ihre Art fortzuführen: Nahe Gambias Hauptstadt Banjul hat sie eine Schule gegründet, die Modell sein soll für ein Schulsystem, das ihr Land, ach was: ganz Afrika verändern soll. Denn aktuell, findet sie, lernten die Kinder nicht wirklich, was sie bräuchten: "Viele Lehrpläne atmen noch den Geist des Kolonialismus. Die Kinder erfahren alles über die westliche Welt, aber wenig über ihre eigene Kultur und Geschichte. Und dann wundern sich alle, wenn jedes Jahr Zehntausende nach Europa gehen."

Tatsächlich hat Gambia mit die höchste Auswanderungsrate Afrikas, rund fünf Prozent der etwa 2,5 Millionen Gambier:innen leben im Ausland. Nach dem Ende der Diktatur Yahya Jammehs 2017, der das Land herunterwirtschaftete und politische Gegner:innen verfolgen ließ, geht es zwar etwas aufwärts. Trotzdem gehört Gambia noch zu den ärmsten Ländern Afrikas, ein wirtschaftliches Auskommen zu finden, ist schwer. Was könnte die Jugend trotzdem dort halten?

"Sie sollen Vertrauen gewinnen in sich und ihr Land"

Vor allem zweierlei, glaubt Jobarteh: praktische Fähigkeiten, etwa in der Landwirtschaft – in ihrer Schule stehen daher neben Schreiben oder IT auch Hühnerzucht oder Ackerbau auf dem Programm. Und: die Verbindung mit der eigenen Kultur. Mit ihrem 16-köpfigen Team bringt sie den aktuell 31 Schüler:innen – darunter viele aus armen Familien, aber auch ihre zehnjährige Tochter und ihr 16-jähriger Sohn – bei, wie man die Kora spielt, wie man singt, tanzt, dichtet, und unterrichtet sie in afrikanischer Geschichte. "Sie sollen Vertrauen gewinnen in sich und ihr Land."

2017 hat sie ein Areal an der Küste gekauft. Dort soll aus der Schule eine Akademie werden für 300 Schüler:innen, der Besuch soll weiter kostenlos sein. Londoner Architekten hatten pro bono bereits die Pläne entwickelt, die Unicef stellte Gelder in Aussicht. Dann stoppte Corona alles. Erst kürzlich wurde der Grundstein gelegt. 2024 sollen die ersten Häuser fertig sein. Parallel arbeitet Jobarteh mit Fachleuten an einem Curriculum, das sich auf andere Länder übertragen ließe. Denn das ist ihr eigentliches Ziel: eine Reform, die Afrika umfasst.

Wie verwegen das klingt, weiß sie selbst. Doch war es nicht auch verwegen, als Frau die Kora zu lernen? Unermüdlich reist sie um die Welt, spricht vor den Vereinten Nationen, versucht, Investor:innen zu finden. Und wirbt bei ihren Konzerten für ihr Projekt, meist wenn sie den Song "Fondinkeeya" (Jugend) anstimmt. Er ist im treibenden 7/4-Takt geschrieben, sehr neu für die Kora. Doch für ihre Pläne – der beste Soundtrack.

Brigitte

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