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Olympische Spiele "Am Ende des Tages sind wir nur Menschen": Wie Simone Biles und Naomi Osaka am Druck zu zerbrechen drohen

Simone Biles und Naomi Osaka: Simone Biles
© LOIC VENANCE/AFP / Getty Images
Auf Sportlerinnen wie Simone Biles und Naomi Osaka blickt bei Olympia die ganze Welt. Beide scheinen unter den Erwartungen zu leiden – Biles sagte nun auch den Mehrkampfstart ab. Und auch viele Athleten aus kleineren Sportarten stehen unter enormem mentalen Druck.

Hätte man vor dem Start der Olympischen Spiele in Tokio gefragt, wer die großen prägenden Figuren dieser Veranstaltung werden würden, hätten die meisten wohl zwei Namen genannt: Simone Biles, Ausnahmeturnerin aus den USA, und Naomi Osaka, Tennis-Ass aus dem Gastgeberland Japan. Beide waren mit riesigen Erwartungen angetreten, nicht nur als überragende Sportlerinnen, sondern auch als Idole einer ganzen Generationen und Symbolfiguren, die für viel mehr als Ergebnisse und Medaillen stehen sollten.

Doch schnell sind sowohl Biles als auch Osaka auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet. Bei Biles ist das durchaus wörtlich zu nehmen: Sie vertrat sich bei der Landung nach ihrem Sprung im Mannschaftsfinale den Fuß und musste aus dem Wettbewerb aussteigen. Osaka wurde die größte Ehre im Gastgeberland überhaupt zuteil: Sie durfte bei der Eröffnungsfeier das olympische Feuer entzünden – ein Moment, in dem sie ganz Japan verkörperte. Natürlich erwartete ihr Heimatland im Gegenzug eine Medaille, doch Osaka schied bereits in der zweiten Runde des olympischen Tennisturniers aus.

Simone Biles und Naomi Osaka unter enormem Druck

Beide Frauen scheinen dem immensen Druck, der auf ihnen lastet, nicht standhalten zu können. Sie sind jeweils noch sehr jung, auch wenn sie schon länger auf der großen sportlichen Bühne agieren: Simone Biles ist 24 Jahre alt, Naomi Osaka 23. Und beide gehen offen damit um, wie sehr ihnen die Erwartungen der Öffentlichkeit zusetzen.Biles hatte sich nach dem Qualifikationsturnen in einem Instagram-Post über den Druck beklagt: "Es war kein einfacher Tag oder mein Bestes, aber ich bin durchgekommen. Ich fühle mich wahrhaftig, als hätte ich zurzeit die Last der Welt auf meinen Schultern. Ich weiß, ich bürste es ab und lasse es so aussehen, als würde der Druck keinen Einfluss auf mich haben, aber verdammt, manchmal ist es hart hahaha. Olympia ist kein Witz." Schon in der Qualifikation hatte Biles nicht ihre gewohnte überragende Leistung abgerufen, den von ihr neu kreierten Jurtschenko mit doppeltem Rückwärts-Salto gebückt traute sie sich offenbar nicht zu.

Ihr Ausstieg im Mannschaftswettbewerb sorgte danach für Rätselraten, US-Medien berichteten erst von "mentalen Problemen", der Turnverband gab später ein "medizinisches Problem" als Grund an. Biles verneinte später, dass sie verletzt gewesen sei: "Ich muss mich jetzt auf meine mentale Gesundheit konzentrieren." Sie habe sich nicht hundertprozentig sicher gefühlt: "Am Ende des Tages sind wir nur Menschen. Ich wollte nicht rausgehen und etwas Dummes tun und mich verletzen. Es sind die Olympischen Spiele, aber wir wollen hier nicht auf einer Bahre rausgetragen werden."

Am Montagmorgen wurde nun bekannt, dass Biles auch auf den Start im Mehrkampf gänzlich verzichten wird (alle Informationen lesen Sie hier). "Simone wird weiterhin täglich bewertet, um herauszufinden, ob sie in den Einzel-Finals in der kommenden Woche teilnehmen kann", schrieb ihr Verband.

Olympia 2021: Auf Naomi Osaka schaute ganz Japan

Naomi Osakas geistige Gesundheit ist schon länger ein Thema in den Medien. Sie selbst war es, die gut sechs Wochen vor den Spielen ihre depressiven Phasen öffentlich gemacht hatte und deshalb die French Open abgebrochen hatte. Auch am Turnier in Wimbledon nahm Osaka nicht teil. Für ihre Offenheit hatte die Japanerin viel Unterstützung, aber nicht nur verständnisvolle Reaktionen geerntet. 

Bei Olympia setzte ein ganzes Land seine Hoffnungen auf die 23-Jährige, die dann in der zweiten Runde überraschend in zwei Sätzen an der Tschechin Marketa Vondrousova scheiterte. "Ich habe definitiv das Gefühl, dass es eine Menge Druck gab", sagte die sichtlich enttäuschte Tennisspielerin nach ihrer Niederlage – womöglich zu viel Druck für ihre erste Olympia-Teilnahme.

Vor allem in kleinen Sportarten bedeutet Olympia alles

Doch es sind nicht nur die Stars, die bei Olympia auf Teufel komm raus funktionieren müssen. Gerade in kleineren Sportarten dreht sich das gesamte Trainingsprogramm, eigentlich sogar das ganze Leben um den einen Moment, in dem es um olympisches Edelmetall geht. Kanuten, Sportschützen oder Ruderer betreiben ihren Sport normalerweise von der Öffentlichkeit unbeachtet, nur alle vier Jahre bei Olympia betreten sie einmal das große Parkett. Dann muss der eine Auftritt, auf den sie hingearbeitet haben, sitzen. Für viele hängen davon Sponsorengelder und die weitere Förderung ab.

Bei vielen versagen im entscheidenden Moment jedoch die Nerven – ganz abgesehen davon, dass es ohnehin nur einen Sieger geben kann und auch die übrigen Medaillenränge begrenzt sind. Es sind herzzerreißende Szenen, die sich abspielen, wenn sich vier Jahre Training und Entbehrungen in Luft auflösen. So wie beim Kanu-Slalom der Damen: Dort belohnte sich die deutsche Kanutin Ricarda Funk für ihre harte Arbeit und hätte nach ihrer Goldmedaille am liebsten die ganze Welt umarmt. Ihre Konkurrentin hingegen verpasste im entscheidenden Augenblick ein Tor und brach nach ihrem Fehler in bittere Tränen aus.

Quellen: "Reuters" / "Simone Biles auf Instagram"

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei stern.de.

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