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Anmache auf der Straße: Fotografin schießt zurück

Anmache auf der Straße: Fotografin schießt zurück
© Screenshot / www.carolinetompkins.com
Anmache auf der Straße gehört für viele Frauen zum Alltag. Caroline Tompkins aus New York wollte die Sprüche nicht länger hinnehmen - und begann, die Männer zu fotografieren.
Die Künstlerin
Caroline Tompkins, 22 Jahre alt, lebt in New York und ist Studentin an der BFA School of Visual Arts. Seit sieben Jahren arbeitet sie als freie Fotografin.
© Molly Matalon

Jede Frau kennt diese Situationen. Wir gehen eine Straße entlang und irgendein Typ macht einen dummen Spruch. In der Regel ignorieren wir die Anmache, nicht zuletzt auch, weil wir Angst haben, dass der Mann noch aufdringlicher wird. Wir nehmen es hin, manche Frauen gewöhnen sich daran, andere tun es nie. Aber ein Ärgernis ist es für die meisten.

Caroline Tompkins gehört zu den Frauen, die sich nicht daran gewöhnt haben. Vor drei Jahren zog die Fotografin von Ohio nach New York, in den Stadtteil Brooklyn. Und musste erfahren, dass Anmache auf der Straße von nun an zu ihrem Alltag gehörte. "Ich kann meine Wohnung nicht verlassen, ohne dass ich irgendeinen Kommentar über mein Aussehen höre." Manche Männer rufen einfach nur "Hey Baby" oder machen einen Spruch über Carolines Klamotten. Aber viele Kommentare seien auch extrem vulgär. "Wenn die Männer mir sagen, wo sie ihre Genitalien reinstecken wollen oder welchen sexuellen Akt sie mit mir machen wollen - das sind die schlimmsten Kommentare für mich."

Caroline merkt, wie diese Pöbeleien ihre Freiheit und ihr Wohlbefinden beeinträchtigen. Und sie beschließt, sich dagegen zu wehren. Die 22-Jährige startet das Projekt "Hey Baby" und beginnt, die Männer, die sie anmachen, zu fotografieren. Kaum hört sie wieder einen Spruch, zückt sie die Kamera, sagt "Ich werde jetzt ein Foto von Ihnen machen." und drückt ab.

"Es war mir wichtig, selbst wieder die Kontrolle in der Situation zu übernehmen. Diese Männer haben mich nicht gefragt, ob sie mich belästigen dürfen, also fragte ich sie auch nicht, ob ich ein Foto machen kann", so Caroline gegenüber BRIGITTE. Natürlich könnten die Männer selbst entscheiden, ob sie posieren wollen, ihr Gesicht verdecken oder wegrennen wollen. "Aber egal, für was sie sich entscheiden, es ist in dem Moment klar, dass ihr Verhalten eine Konsequenz hat."

Caroline versuchte anfangs auch, mit den Männern zu reden und ihnen klarzumachen, wie unangenehm die Kommentare für sie seien. Doch das ging nach hinten los. Die Männer wurden aggressiver, versuchten sie weiter zu demütigen und sagten Sätze wie "Du führst dich ja auf, als hätte ich dich vergewaltigt." Inzwischen spricht Caroline kaum noch mit den Typen, die sie fotografiert. Und sie achtet darauf, dass die Fotos nur als Serie auf ihrer Website erscheinen und nicht einzeln, etwa in einem Blog. "Ich möchte diesen Männern nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken", sagt sie. "Indem ich die Bilder als ein Gesamtwerk zeige, neutralisiere ich das ein bisschen."

Obwohl bereits einige Medien Carolines Projekt gezeigt haben, hat sich bislang keiner der Fotografierten bei ihr gemeldet und das Löschen seines Bildes gefordert. "Ich bin ehrlich gesagt etwas nervös deswegen", gibt Caroline zu. Aber ihre Hoffnung sei, dass diese Männer nun zweimal darüber nachdenken, ehe sie wieder eine Frau auf der Straße belästigten.

Für Caroline ist es durch ihre Arbeit einfacher geworden, mit Anmache auf der Straße umzugehen. "Ich habe die Belästigung so lange einfach hingenommen, weil ich dachte, dass ich das selbst nicht unter Kontrolle habe." Durch das Fotografieren der Männer legitimiere sie nun sich selbst und ihren Platz in der Welt. Und offenbar trifft sie damit einen Nerv: Hunderte von anderen Frauen meldeten sich aufgrund des Projekts bei ihr, um von ähnlichen Erfahrungen zu berichten. "Diese Fotos haben eine sehr viel größere und kompliziertere Diskussion über Belästigung auf der Straße angestoßen", meint Caroline, und das sei ein wichtiger Schritt. "Ich glaube nicht, dass das Problem durch strengere Gesetze gelöst werden kann. Wir brauchen vielmehr ein Umdenken in der Gesellschaft. Es muss allen klar werden, dass so ein Verhalten nicht akzeptabel ist."

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