Anzeige

"Ich wurde 43.200 Mal vergewaltigt"

"Ich wurde 43.200 Mal vergewaltigt"
© REUTERS/Tony Gentile
Mit 12 Jahren landete Karla Jacinto in der Hölle: Die Mexikanerin wurde von Menschenhändlern verschleppt und musste als Sexsklavin bis zu 30 Männer am Tag befriedigen. Jetzt kämpft sie dafür, anderen dieses Schicksal zu ersparen.

Ihre Geschichte ist so grauenvoll, dass man sich wünscht, sie sei ein Alptraum - und doch teilen Millionen Frauen weltweit ihr Schicksal: Die heute 23-jährige Mexikanerin Karla Jacinto wurde Opfer von Menschenhandel und musste vier lange Jahre als Zwangsprostituierte jeden Tag bis zu 30 Männer "bedienen". Das sind hochgerechnet 43.200 Vergewaltigungen, sagt sie. Bei ihrer Befreiung war Karla gerade einmal 16 Jahre alt.

Im vergangenen Jahr sprach sie erstmals öffentlich über ihr Martyrium - vor dem amerikanischen Kongress, im Vatikan und gegenüber dem US-Sender CNN, dem sie in einem bedrückenden Interview ihre Geschichte erzählte.

Wie Karla Jacinto mit 12 Jahren dem Menschenhandel zum Opfer fiel

Der Märchenprinz entpuppte sich als Zuhälter

Schon als Kleinkind wurde Karla immer wieder von einem Verwandten missbraucht. Von ihrer Mutter fühlte sie sich zurückgewiesen. Mit 12 Jahren wird sie in Mexiko-Stadt von einem Mann angesprochen, während sie an einer Bushaltestelle auf Freunde wartet. Er macht ihr Komplimente, sagt, er sei Gebrauchtwagenhändler. Sie tauschen Telefonnummern aus. Eine Woche später lädt der 22-Jährige sie zu einem Roadtrip in seinem teuren Wagen ein. Karla steigt ein, will vor ihrer Familie fliehen.

Er bringt sie nach Tenancingo, eine Stadt mit 13.000 Einwohnern, die seit Generationen bekannt dafür ist, Minderjährige anzulocken und zur Prostitution zu zwingen. Die ersten drei Monate scheint alles gut zu sein. Der Mann verhält sich wie ein Gentleman, schenkt ihr Kleider, Schuhe, Blumen, Schokolade. "Du wirst meine Prinzessin sein", verspricht er. Doch dann zeigt er sein wahres Gesicht - und zwingt das Mädchen zur Prostitution. In Bordellen, Motels, am Straßenrand. In verschiedenen mexikanischen Städten. Von morgens 10 Uhr bis um Mitternacht. Jeden Tag.

"Er sagte mir, was ich alles zu tun habe; die Positionen, wie viel Geld ich für was verlangen soll, welche Dinge ich wie lange mit dem Kunden tun soll, wie ich sie behandeln und mit ihnen reden soll, damit sie mehr zahlen", erzählt sie. Alles Geld ging direkt an ihren Zuhälter. "Einige der Männer lachten mich aus, wenn ich weinte. Ich schloss die Augen, damit ich nicht sehen musste, was sie mir antun, damit ich nichts fühle."

Auch Polizisten, Priester und Richter zählten zu ihren Kunden

Weglaufen oder sich den Behörden anvertrauen konnte Karla nicht, denn auch Richter, Polizisten und Priester vergingen sich an ihr. Eines Tages schließen 30 Polizisten das Bordell, in dem Karla gerade anschaffte, für eine Razzia. Doch statt die Mädchen - mitunter gerade mal 10 Jahre alt - zu beschützen oder gar zu befreien, vergehen sie sich an ihnen. Vier lange Stunden. Sie nehmen Videos davon auf und drohen den Mädchen, diese an ihre Familien zu schicken, sollten sie nicht schweigen und alles tun, was sie von ihnen verlangen.

Mit 15 Jahren bekommt Karla ein Kind von ihrem Zuhälter. Er nutzt das Baby, um Karla noch mehr unter Druck zu setzen: Wenn sie nicht gehorcht, tötet er das Kind. Einen Monat später nimmt er ihr die Tochter ganz weg. Als er einen Knutschfleck an ihrem Hals entdeckt, wirft er ihr vor, sich in einen Freier verliebt zu haben. Er zieht sie an den Haaren, prügelt auf sie ein, spuckt ihr ins Gesicht, verbrennt sie mit einem Bügeleisen, nennt sie eine Hure.

Menschenhandel ist noch immer Realität

Das Thema Menschenhandel ist auch heute noch aktuell. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen leben mehr als 21 Millionen Menschen weltweit als Sklaven; 4,5 Millionen werden sexuell ausgebeutet. Die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher liegen. Der Großteil der Opfer sind Mädchen und Frauen.

Auch in Deutschland werden Frauen ausgebeutet: Im Jahr 2014 wurden 392 Ermittlungsverfahren gegen den Menschenhandel abgeschlossen, wie aus dem vom Bundeskriminalamt veröffentlichten Bundeslagebild hervorgeht. Die meisten der Opfer stammen aus Ost- und Südosteuropa, insbesondere aus Rumänien und Bulgarien.

nw

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel