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Gelernte Sprache Wieso können Frauen eigentlich nur "überreagieren"?

Berufswunsch Mann: Frau schreit im Meeting
© Kate Kultsevych / Shutterstock
Schon mal von einem ambitionierten Könner gehört, der sich durchsetzen kann und eine Frau ist? Nein? Das liegt wohl daran, dass wir diese Beschreibung mit Männern verbinden. Es gibt nämlich einen anderen Wortschatz, um über Frauen zu sprechen. Wieso können sie zum Beispiel nur "überreagieren"?

Was ist eine alleinerziehende Mutter, die beruflich erfolgreich ist? Eine richtige Power-Frau, die Familie und Karriere super unter einen Hut bekommt? Das hat sich so in unseren Köpfen eingebürgert. Aber wieso gibt es eigentlich keinen "Power-Mann", der Familie und Kinder super vereinbart bekommt? Das Denken in Geschlechterrollen spiegelt sich in unserer Sprache wider. Und diese hat eine unglaubliche Macht – denn sie schafft unser Bild von der Welt. Und wenn sich unsere Art zu sprechen nicht verändert, bleibt die Gleichheit der Geschlechter ein fernes Ziel. 

"Power-Mann"? Ist doch selbstverständlich!

Wie wir etwas benennen, ist entscheidend. Denn unsere Wörter, die wir für beobachtete Situationen finden, enthalten auch immer einen Anteil an Interpretation. Diese Auffassung muss nicht unbedingt unsere Eigene sein. Die integrierte Interpretation in der Sprache fühlt sich vielleicht für uns "normal" an, weshalb wir sie nicht hinterfragen.

Wenn wir etwas also als "übertrieben" bezeichnen, ist das keine objektive Beschreibung, sondern eine Wertung. Es gibt allerdings auch Wörter, bei denen es nicht so eindeutig ist, ob sie eine Wertung oder eine objektive Bezeichnung sind. Das Adjektiv "emotional" ist ein solches Wort: Es beschreibt, dass ein Mensch Emotionen zeigt. Man würde das Wort "emotional" verwenden, wenn eine Frau im Meeting anfängt zu weinen. Aber würde man es auch verwenden, wenn ein Mann im Meeting anfängt zu schreien

Nein, vermutlich nicht. Einen solchen emotionalen Ausbruch eines Mannes würde man eher als "dominant", "bestimmend" oder auch als "durchsetzungsfähig" bezeichnen. Würde eine Frau in der gleichen Situation laut werden, wäre sie vermutlich "impulsiv". Es schwingt oftmals eine negative Interpretation mit, wenn Frauen beschrieben werden. Es wird mit zweierlei Maß gemessen: Kann eine Frau eigentlich auch einfach nur reagieren auf eine Situation? Oder nur überreagieren? Es liegt an uns, auf diesen scheinbar unsichtbaren Sexismus in unserer Sprache aufmerksam zu werden und den Kreislauf zu durchbrechen. 

Aber es kommt nicht nur auf das "wie" an, sondern auch auf das "ob". Also: Wird etwas überhaupt thematisiert? Allein der Nennung bzw. Aussprache einer Bezeichnung kommt eine unglaublich hohe Bedeutung zu. Denn der Begriff "Power-Frau" schließt zum Beispiel ein, dass es sich hierbei um keine normale Frau handelt. Da es den Begriff "Power-Mann" nicht gibt, bedeutet es, dass es wohl normal ist, dass alle Männer "Power-Männer" sind – es muss nicht extra durch ein Wort hervorgehoben werden. Bei einer Frau muss man das durch diese Bezeichnung außerordentlich feststellen. In unseren Köpfen ist verankert, dass nicht alle Frauen "Power-Frauen" sind. Und das ist Alltagssexismus.

Stellenanzeigen sind sexistisch

Besonders im Bereich der Inserate hat man beobachtet, dass sie durch ihre Wortwahl auf ein bestimmtes Geschlecht abzielen. Überraschung! Es sind meist nicht die Frauen. Denn von Bezeichnungen wie "ambitioniert", "High Performance", Brückenbauer", "Anpacker", "Durchstarter" oder eben auch "Könner" fühlen sich Frauen oftmals nicht angesprochen. Das ist natürlich deren Pech, offensichtlich. Trotzdem ist es ein Dorn im Auge einer jeden Feministin. 

Wenn die Stellenausschreibung auf eine Frau abzielt, werden hingegen Wörter wie "zuverlässig", "flexibel" und "freundlich" verwendet. Davon fühlen sich Männer wiederum nicht angesprochen. Denn auch wenn hinter der Beschreibung "Zuverlässige und freundliche Sekretärin mit flexiblen Arbeitszeiten" das obligatorische "(m/w/d)" steht, wissen wir alle, wer hier gemeint ist. Und das ist andersherum genau gleich.

Wir haben Angst vor Unbekanntem

Unabhängig davon werden bestimmte berufliche Fähigkeiten als erwünscht oder unerwünscht bezeichnet. Wie oft mussten Frauen bereits hören, sie wären "zu weich", um eine Führungsposition zu besetzen. Sensibilität oder auch Nettigkeit wird in diesem Kontext negativ bewertet. Doch wieso? Liegt es daran, dass viele (männliche) Führungskräfte lauter, härter und bestimmender sind? Nur weil diese Skills bisher wohl funktionieren, heißt das nicht, dass es andere nicht tun.

Biologisch gesehen sind Frauen und Männer nun mal unterschiedlich. Das wirkt sich zusammen mit der Erziehung auf unser Sozialverhalten aus. Aber dass ein festgelegter Werte-Kanon existiert, der gute Arbeitskräfte auszeichnet, ergibt wenig Sinn. Auch wenn es vielen schwerfällt, sich vom Bekannten und auch Bewährten abzuwenden, sollten wir lernen, umzudenken.

Und ja, allein das Gendern bei Stellenanzeigen würde einen Unterschied machen. Aber nur zusammen mit einer diversen genderfreien Sprache kann man gleiche Verhältnisse schaffen. 

Barbara

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