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FDP-Frauen: "Entweder hübsch oder Kampfmaschine"

Die FDP steckt tief in der Krise. Liegt das auch daran, wie mit den Frauen in der Partei umgesprungen wird? Ja, meint Brigitte Susanne Pöpel, ehemalige Vorsitzende der Liberalen Frauen Hessen. Sie trat nach 25 Jahren aus der FDP aus, weil sie sich als Frau gemobbt fühlte. Im Interview erklärt sie, warum an der Quote kein Weg vorbeiführt.
Brigitte Susanne Pöpel, 45, war 25 Jahre lang FDP-Mitglied und zuletzt Vorsitzende der Liberalen Frauen in Hessen. Enttäuscht über die FDP-Politik und "den frauenfeindlichen Ton" trat sie aus der Partei aus. Die Steuerberaterin hat zwei Kinder und sitzt heute als Parteilose im Wiesbadener Stadtparlament.
Brigitte Susanne Pöpel, 45, war 25 Jahre lang FDP-Mitglied und zuletzt Vorsitzende der Liberalen Frauen in Hessen. Enttäuscht über die FDP-Politik und "den frauenfeindlichen Ton" trat sie aus der Partei aus. Die Steuerberaterin hat zwei Kinder und sitzt heute als Parteilose im Wiesbadener Stadtparlament.
© Sonja Thomas

BRIGITTE.de: Frau Pöpel, die FDP hat am Wochenende im Saarland ein desaströses Wahlergebnis eingefahren. Wie haben Sie das als ehemaliges Parteimitglied erlebt?

Brigitte Susanne Pöpel: Ich habe natürlich mitgelitten, weil ich ja immer noch für die liberalen Werte einstehe. Leider hat sich die FDP in den letzten Jahren aber immer mehr von diesen Werten entfernt. Ich habe lange versucht, vor dieser Entwicklung zu warnen. Statt ein Wahlversprechen nach dem anderen zu brechen, muss die FDP wieder für die Inhalte eintreten, für die sie gewählt worden ist. Leider ist das bislang nicht passiert, und diese Wahl ist das traurige Ergebnis dieser Entwicklung.

BRIGITTE.de: Sie haben sich bei Ihrem Austritt über den "frauenfeindlichen Ton" in der FDP beschwert. Stünde die FDP besser da, wenn sie nicht so ein Macho-Verein wäre?

Brigitte Susanne Pöpel: Ich glaube schon, dass es der FDP besser ginge, wenn sie sich dem Thema Frauenförderung früher geöffnet hätte. Bei der Wahl in Rheinland-Pfalz zum Beispiel, bei der die FDP aus dem Landtag geflogen ist, haben nur drei Prozent der Frauen FDP gewählt. Da entgehen der Partei wichtige Wählerstimmen, die entscheiden können, ob man Politik mitgestalten kann oder nicht. Das haben die FDP-Männer entweder verschlafen oder sie sind es bewusst nicht angegangen, weil sie in jeder geförderten Frau eine Konkurrentin sehen.

BRIGITTE.de: Das klingt nach einer sehr überholten Einstellung, die doch eigentlich gar nicht zu den jungdynamischen Führungsmännern der FDP passt.

Brigitte Susanne Pöpel: Die jungen Männer, die in der FDP Karriere machen, geben sich natürlich modern und würden sich nie offen gegen Gleichberechtigung aussprechen. Aber meiner Erfahrung nach ist das viel Gerede. Wenn es wirklich hart auf hart kommt, wenn es den Männern um Macht und Einkommen geht, dann denkt doch jeder nur an sich selbst und nimmt sich nicht zurück, um der Frau den Vortritt zu lassen.

BRIGITTE.de: Was ja im Grunde eine sehr liberale Einstellung ist: Möge der Bessere gewinnen.

Brigitte Susanne Pöpel: Die liberalen Werte müssen bei den Männern oft als Erklärung herhalten, wenn es um Machterhaltung oder die Ablehnung der Frauenquote geht. Ich meine aber, dass das nur billige Rhetorik ist, die die Frauen davon abhalten soll, selbst voranzukommen. Denn auch die Männer kommen ja nicht nur wegen ihres Könnens nach oben. Auch sie brauchen die richtigen Netzwerke und Förderung von anderen. Und da können die Frauen noch so gut und qualifiziert sein - so lange an den wichtigen Positionen nur Männer sitzen, die wiederum andere Männer fördern, haben die Frauen keine Chance. Um dieses System aufzubrechen, braucht auch die FDP endlich eine Frauenquote.

BRIGITTE.de: Sie haben die Folgen dieses Systems am eigenen Leib erlebt. In Wiesbaden hat Ihnen ein Mann ein versprochenes Amt vor der Nase weggeschnappt. Wie wurde das begründet?

Brigitte Susanne Pöpel: Man sagte mir, ich könne als berufstätige Mutter mit zwei Kindern den Posten gar nicht ausfüllen. Aber auch das war wieder nur eine vorgeschobende Begründung. In Wirklichkeit ging es den beteiligten Männern nur um persönliche Interessen. Dass ich vielleicht für die FDP insgesamt die bessere Wahl gewesen wäre, weil ich die Partei besser repräsentiert hätte, spielte keine Rolle.

BRIGITTE.de: Denken denn Frauen wirklich weniger egoistisch als die Männer?

Brigitte Susanne Pöpel: Tendenziell schon. Frauen denken eher an das große Ganze und nehmen sich selbst zurück, um ein Projekt voranzubringen. Das habe ich oft erlebt, zum Beispiel bei meiner Arbeit als Vorsitzende der Liberalen Frauen in Hessen. Eitelkeiten spielen dort viel weniger eine Rolle.

BRIGITTE.de: In Hamburg wurde gerade eine Frau an die Spitze der FDP gewählt. Ist das schon eine Folge Ihres Austritts, um den es ja viel Presserummel gab?

Brigitte Susanne Pöpel: Ob das konkret den Ausschlag gegeben hat, weiß ich nicht. Aber es ist durch meine Kritik auf jeden Fall eine Diskussion in Gang gekommen in der Partei, das ist schon ein Erfolg. Denn das Thema Frauenquote ist ja überall in der Politik hochaktuell, sei es in der EU oder in den Ministerien von Ursula von der Leyen oder Kristina Schröder. Da wird sich noch einiges tun in nächster Zeit, und wenn ich mit meinem Austritt etwas zum Umdenken in der FDP beitragen konnte, dann freut mich das.

BRIGITTE.de: Was ist denn mit den Politikerinnen, die gar keine Quotenfrauen sein wollen? Die gibt es ja auch, vor allem in der FDP.

Brigitte Susanne Pöpel: Ich dachte früher ja auch, ich würde das ohne Quote schaffen. Manche müssen eben erst selbst an die gläserne Decke stoßen und feststellen, dass man die Seilschaften nicht durchdringen kann. Es wäre aber schön, wenn die Jüngeren den älteren Frauen zuhören und von ihren Erfahrungen lernen würden. Stattdessen stellen viele sich hin und wettern gegen die Quote, in der Hoffnung dadurch von den Männern gefördert zu werden.

BRIGITTE.de: Was ja womöglich auch klappt.

Brigitte Susanne Pöpel: Ja, aber schauen Sie sich doch die Politikerinnen an, die in der FDP gefördert werden. Da gibt es entweder das Modell Katja Suding, mit dem Motto: Sie ist hübsch und macht sich gut auf Wahlplakaten. Oder das Modell der Kampfmaschinen, die sich genauso verhalten wie die Männer. Ganz normale, selbstbewusste Frauen, die nicht immer nur die Ellbogen ausfahren wollen, haben es aber schwer.

BRIGITTE.de: Könnte eine Frau an der Spitze die FDP retten?

Brigitte Susanne Pöpel: (Lacht.) Es gibt ja in der Politik den schönen Begriff der Trümmerfrau, die dann ran darf, wenn Hopfen und Malz ohnehin verloren sind. Aber gut, wenn dadurch dann eine tolle Frau an die Spitze käme, eine, die einen neuen weiblicheren Stil reinbringt, die mehr Frauen fördert und so die liberalen Ideale verkörpert - dann würde das der FDP sicher gut tun.

BRIGITTE.de: Würden Sie dann wieder eintreten?

Brigitte Susanne Pöpel: Ich stehe nun erstmal zu meiner Entscheidung. Aber ich bin ja trotzdem noch durch und durch Liberale und kann mir vorstellen, mich an der einen oder anderen Stelle wieder zu engagieren. Alles andere wird sich dann zeigen.

Interview: Michèle Rothenberg

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