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Transsexuellengesetz "Den Staat geht der Geschlechtseintrag nichts an"

Das Transsexuellengesetz wird von Betroffenen als Demütigung gesehen
Das Transsexuellengesetz wird von Betroffenen als Demütigung gesehen.
© ink drop / Adobe Stock
Das Transsexuellengesetz wird von Betroffenen als demütigendes und ausgrenzendes Gesetz gesehen. Jj ist nicht-binär und wünscht sich endlich einen Abschied von der "Gesetzesruine".

Das Transsexuellengesetz (kurz: TSG), dass Menschen die Möglichkeit geben soll, dass ihnen bei der Geburt zugewiesene Geschlecht zu ändern hat eine bewegte Geschichte: Seit der Verabschiedung im Jahr 1980 wurden Stück für Stück besonders menschenunwürdige (und verfassungswidrige) Aspekte des Gesetzes entfernt. Dazu zählt unter anderem der Zwang, sich sterilisieren zu lassen oder bereits erste Maßnahmen zur körperlichen Anpassung an das angestrebte Geschlecht vollzogen zu haben.

Transsexuellengesetz soll durch Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden

Doch noch immer sind die Hürden hoch und Menschen, die ihren Geschlechtseintrag oder Namen ändern wollen, müssen sich unter anderem psychiatrischen Gutachten und deren Beurteilung von richterlicher Seite stellen. Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) beschreibt dies auf seiner Webseite als Prozess mit einer "langwierigen und demütigenden Begutachtung".

Das Selbstbestimmungsgesetz soll das ändern: Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grüne und die FDP darauf geeinigt, dass die rechtliche Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags zukünftig beim Standesamt möglich sein soll. Hierfür soll dann auch lediglich die Selbstauskunft der Person reichen – ein Gerichtsprozess, in dem Richter:innen und Gutachter:innen involviert und sowohl Gerichtskosten als auch Kosten für die Gutachten von bis zu 2.000 Euro enthalten sind, die betroffene Personen aktuell selbst zu zahlen haben, sollen zukünftig wegfallen. Bisher gibt es noch keinen Gesetzesentwurf für das Selbstbestimmungsgesetz, welches das TSG ersetzen soll.

In einem Interview sprachen wir bereits 2022 über das TSG in seiner jetzigen Form mit Jj Link (ausgesprochen: "Jay-Jay". Der Name steht für Jjs Vor- und Nachnamen Jasmin Janosch), einer nicht-binären Person und Elternteil. Jj wünscht sich von der Regierung eine längst überfällige Abschaffung des TSG und eine Politik, die sich an den Lebensrealitäten aller – und nicht nur einiger – Menschen orientiert. Auch ein Jahr später sind die Ansichten von Jj nicht weniger aktuell.

BRIGITTE: Hallo Jj, mit welchen Pronomen darf ich dich ansprechen?

Jj Link: Mir wäre es am liebsten, wenn du versuchst, ohne Pronomen auszukommen. Im Englischen würde ich "they" verwenden, aber im Deutschen gibt es noch kein Pronomen, was sich etabliert hat. Also kannst du gerne einfach meinen Namen wiederholen.

Sehr gerne. Magst du zunächst unseren Leser:innen ein wenig von dir erzählen?

Ich bin 40 Jahre alt, habe Medieninformatik studiert und bin Elternteil von zwei Kindern im Alter von zehn und 13 Jahren. Seit sieben Jahren mache ich eine Transition von einem weiblich gelesenen Menschen hin zu einem nicht-binären Menschen. Bei mir bedeutet das, dass ich Hormone nehme und eine Mastektomie gemacht habe (Anmerkung der Redaktion: Das meint eine Operation, um eine flache Brust zu erhalten) – beides Dinge, die ich nicht unbedingt vorhatte. 

Ich wurde oft gefragt: 'Willst du jetzt ein Mann werden?' und ich sagte dann: 'Nein, ich möchte Ich werden.'

Nach näherer Beschäftigung damit dachte ich dann, dass es mir wahrscheinlich besser gehen würde, wenn ich das versuchen würde. Und: Es geht mir auch besser so! Ich wurde oft gefragt: "Willst du jetzt ein Mann werden?" und ich sagte dann immer: "Nein, ich möchte einfach Ich werden." Und dieses Ich ist ein bisschen männlicher, als ich früher aussah, – aber es ist eben auch nicht so, dass es sich für mich richtig anfühlt zu sagen: "Ich bin ein Mann." Das heißt, ich bezeichne mich als nicht-binär und auch als trans. Und ich bin bi. Das war vor meiner Transition so und ist es auch jetzt noch.

Inwiefern ist deine Nicht-Binarität ein Thema in deinem Alltag?

Es ist eine Besonderheit für viele Menschen, weil sie es teilweise nicht kennen – für sie gibt es eben Männer und Frauen. Und dass sich jetzt jemand als "weder noch" oder als "dazwischen" oder "beides" bezeichnet, das ist erst einmal ungewohnt. Für beide Seiten ist das dann so eine Sache: Die anderen Leute müssen damit klarkommen, dass sie in einer ungewohnten Situation sind. Ich muss damit klarkommen, dass ich die Leute in eine Situation bringe, in der sie unsicher werden. Dabei muss ich mir jedes Mal überlegen, wie viel oder wie wenig ich erklären möchte. Mit der Zeit bin ich besser geworden im Erklären.

Ich möchte die Unsicherheit anderer Leute beim Thema Nicht-Binärität so kurz wie möglich halten.

Das heißt, inzwischen kann ich relativ schnell erzählen und vor allem positiv. Ich habe festgestellt: Je sicherer ich in solchen Erklärungen bin, desto leichter können die anderen Leute auch annehmen, was ich sagen möchte. Der panische erste Gedanke von vielen ist: "Okay, jetzt komme ich in diesem Gespräch mit Herr oder Frau Link nicht weiter, was soll ich dann machen?!" Für mich war es ein wichtiger Prozess, mich selbst schnell und gut erklären zu können, damit andere Leute nicht diese Angst bekommen und erschrecken – ich möchte das Erschrecken so kurz wie möglich halten, damit die Leute einfach verstehen können. Und deshalb stelle ich mich meistens so vor: "Hallo, mein Name ist Jj, ich habe 35 Jahre als Jasmin gelebt, so lautet meine E-Mail-Adresse auch noch. Ich benutze den Namen aber nicht mehr, sondern würde mich freuen, wenn Sie Jj zu mir sagen."

Trans wird mitunter als Dachbegriff für beispielsweise Nicht-Binarität betrachtet – ist das korrekt so?

Jein. Ich glaube, es ist hierbei gut zu unterscheiden: Verwendet die Person, um die es geht, diesen Begriff für sich selbst oder nicht? Es gibt Personen, die eine Transition gemacht haben, aber sich selbst nicht als trans bezeichnen bzw. bezeichnen wollen, weil sie sagen: "Ich bin eine Frau bzw. ein Mann mit transgeschlechtlicher Vergangenheit." Im Alltagsgebrauch würde man das vielleicht als trans bezeichnen, aber es ist immer wichtig zu unterscheiden: Reden wir hier gerade von einer Selbstbezeichnung oder einer Definition? Der Definition nach fällt nicht-binär unter trans, denn in beiden Fällen passt das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht nicht zu dem Geschlecht, das die Person selbst empfindet. Aber die Selbstbezeichnung muss damit nicht übereinstimmen: Es gibt auch nicht-binäre Menschen, die sich nicht als trans bezeichnen oder andersherum. Leider und zum Glück gibt es eine sehr große Bandbreite, die es manchmal auch etwas unübersichtlich macht.

Vor unserem Gespräch haben wir einmal telefoniert und du hast mir erzählt, dass du gerne deinen Namen ändern möchtest. Im Rahmen des TSG ist dies allerdings mit großen Hürden verbunden. 

Ja, ich warte seit mindestens vier Jahren darauf, dass es endlich eine bessere Regelung gibt. Ich hatte die Hoffnung, dass es mit der dritten Option im Geschlechtseintrag endlich eine Möglichkeit gibt, sodass alle, die wissen, das ihnen zugewiesene Geschlecht passt nicht, die Möglichkeit haben, den Eintrag zu ändern. Aber die dritte Option wurde an recht enge Kriterien geknüpft, die für mich nicht gelten. Viele Menschen sind bis heute fleißig dabei, mit Klagen auch die letzten Reste vom TSG zu kippen. In dem Kontext passt vielleicht eher der Begriff "Gesetzesruine" – es ist so wenig übrig von diesem Gesetz, da verstehe ich nicht, warum es das überhaupt noch gibt. Ich finde es nicht richtig, dass ich ein Gerichtsverfahren durchlaufen muss, um meinen Namen zu ändern. Wenn ich heirate, würde ich auch meinen Nachnamen ändern und so etwas passiert einfach auf dem Standesamt und ich sehe es nicht ein, warum die Änderung des Vornamens oder die Berichtigung des Geschlechtseintrags nicht auch dort stattfinden soll.

Keine cis Person muss nachweisen, dass sie sich wirklich mit ihrem zugewiesenen Geschlecht identifiziert.

Es gibt ja bereits Entwürfe für ein Selbstbestimmungsgesetz, allerdings ist das nicht ganz unumstritten. Manche Menschen sind eben der Meinung, dass es Hürden geben muss, die eine Änderung des Geschlechtseintrags erschweren. Wobei es ja nicht so ist, dass eine cis Person nachweisen muss, dass sie sich wirklich mit ihrem zugewiesenen Geschlecht identifiziert. Da gibt es also schon eine Asymmetrie. Andere Länder, bei denen die Hürden für eine Korrektur des Geschlechtseintrags nicht so hoch sind, zeigen ebenfalls, dass so etwas problemlos möglich sein kann. Ohnehin verstehe ich nicht so ganz, wofür man den Geschlechtseintrag überhaupt braucht. Wir haben keine Wehrpflicht mehr. Männer, Frauen und diverse Menschen sind gleichberechtigt, also was geht den Staat dieser Geschlechtseintrag dann überhaupt noch an?

Wie du selbst sagst, ist das Selbstbestimmungsgesetz umstritten. Manche Menschen haben die Sorge, ihres "Safe Spaces" – zum Beispiel einer Toilette, auf der tendenziell cis Frauen sind – beraubt zu werden. Was sind hierzu deine Gedanken?

Eigentlich möchte ich nichts zu dieser Diskussion sagen. Nur eine Sache zu den Safe Spaces: Eigentlich geht es hierbei nur um die Verwaltung eines Mangels. Wenn es genug Safe Spaces gäbe, auch eben für trans Personen, dann wäre das ja nicht das Problem. Es wird aber zum Problem – und das haben wir ja aktuell –, wenn es nicht genug Safe Spaces gibt. Es ist nicht die Lösung und sollte auch nicht das Ziel sein, die Interessen von trans Frauen, die Gewalt erfahren haben, gegen die Interessen von cis Frauen, die Gewalt erfahren haben oder gegen die Interessen von lesbischen Frauen auszuspielen. Es muss vielmehr die Lösung sein, genug Safe Spaces für alle Menschen zu etablieren. Denn: Das gemeinsame Problem all dieser Menschen ist es doch am Ende, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der sich verschiedene Gruppen nicht sicher fühlen und nicht, dass es diese Gruppen gibt. 

Verwendete Quellen: personenstandsrecht.de, lsvd.de, Interview

Brigitte

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