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Schutz der Urwälder: Eine Idee, die sich lohnt

Mit einer radikalen Idee sind Umweltschützer zum Weltklimagipfel in Kopenhagen gereist: Länder, die ihre Urwälder unter Schutz stellen, sollen Geld bekommen - richtig viel. WWF-Expertin Guenola Kahlert zum Vorstoß, dem wir die Daumen drücken.

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BRIGITTE: Beim UN-Klimagipfel werden Delegierte aus 190 Ländern vor allem wieder darüber streiten, wie viel Treibhausgas weiterhin in die Luft geblasen werden darf. Sie wollen aber noch etwas ganz anderes, nämlich: Gelder für Wälder. Wie stellen Sie sich das vor?

Guenola Kahlert: Ein Drittel aller Treibhausgase, die zur globalen Erwärmung beitragen, stammen aus der Verbrennung von Urwäldern. Deshalb stehen Brasilien und Indonesien weltweit an dritter und vierter Stelle bei der CO2-Emission - nach den USA und China -, obwohl es dort ja gar nicht so viel Verkehr und Industrie gibt. Das heißt: Die Vernichtung von Wäldern muss unbedingt gestoppt und in das gesamte Klimakonzept einbezogen werden. Außerdem erfüllen riesige Waldflächen, wie zum Beispiel der Amazonas-Regenwald, auch andere wichtige Funktionen: Sie wirken wie eine Klimaanlage. Durch die Verdunstung kühlt der Wald das Weltklima. Wenn diese Klimaanlage ausfällt, kann das dramatische Folgen haben.

BRIGITTE: Aber die Industrienationen können den Entwicklungsländern doch nicht einfach vorschreiben: Ihr dürft nichts mehr abholzen - seht zu, wie ihr klarkommt.

Guenola Kahlert: Genau, so geht es nicht. Den Entwicklungsländern entgehen Einnahmen, wenn sie den Wald und die Fläche nicht nutzen dürfen. Deswegen muss die internationale Staatengemeinschaft ihnen Geld zur Verfügung stellen. Weltweit rechnen wir mit ungefähr 33 Milliarden US-Dollar im Jahr, die dafür gebraucht würden.

BRIGITTE: Und woher soll diese Summe kommen?

Guenola Kahlert: Das REDD-Konzept* - so heißt die Idee, die wir jetzt in Kopenhagen einbringen - sieht dafür verschiedene Möglichkeiten vor. Diskutiert wird ein Fonds, den alle Länder füllen müssen, die zur globalen Erwärmung beitragen. Da könnten auch zum Beispiel Abgaben aus dem Luftverkehr einfließen. Eine andere Möglichkeit wäre, den Kohlenstoffmarkt für Wald-Zertifikate zu öffnen, also die Emission, die nicht entsteht, weil der Wald nicht abgebrannt wird, zu beziffern - aber dagegen gibt es große Vorbehalte. Wir vom WWF stellen uns eine kombinierte Lösung vor: ein Fonds plus Zertifikate, die belegen, welche Wälder geschützt werden sollen und wo das dafür eingezahlte Geld hinfließt.

* REDD steht für: Reducing Emissions from Deforestation and Degradation

BRIGITTE: Aber wer soll das kontrollieren?

Guenola Kahlert: Dafür wäre ein unabhängiges Gremium vom Klimarat zuständig. Ähnlich dem Gremium, das jetzt schon die Einhaltung des Kyoto-Protokolls kontrolliert. REDD-Gelder sollen für Maßnahmen eingesetzt werden, die die Entwaldung im Land stoppen. Auch Umschulungen von Holzfällern zu Ökotourismus-Guides können damit finanziert werden. Wir wollen ja nicht irgendwelchen Regierungen einfach Geld in den Rachen schmeißen.

BRIGITTE: Bleibt die Frage: Wer bewertet, welche Wälder erhalten werden sollen? Auch eine Eukalyptus-Plantage ist ja ein Wald - aber eben kein schützenswerter.

Guenola Kahlert: Das ist einer der Knackpunkte bei den Klimaverhandlungen. Deshalb kämpfen wir dafür, dass nicht jede geschlossene Baumdecke ins REDD-System aufgenommen wird, sondern nur Wald, der auch Artenvielfalt sichert und vielen Menschen als Lebensgrundlage dienen kann.

BRIGITTE: Wie stehen denn die Entwicklungsländer zu diesem neuen Konzept?

Guenola Kahlert: Viele Länder begrüßen es, weil es Geld gibt - das ist natürlich immer gut. Aber Brasilien beispielsweise will einen Fonds und keinerlei Verpflichtung, was dort genau mit dem Geld geschieht. Das kann es nicht sein. Die Balance zwischen der Autonomie der Länder und einer notwendigen Kontrolle von außen muss sensibel angegangen werden. Andere Länder wollen nur für einzelne Projekte Geld. Dagegen haben wir jedoch Bedenken. Denn dann kann es passieren, dass zwar ein Wald geschützt wird, aber ein paar Kilometer weiter eine andere Fläche abgeholzt wird. Deshalb brauchen wir verbindliche Vereinbarungen.

BRIGITTE: Wie schätzen Sie die Chance ein, dass sich dieses neuartige Konzept auf dem Weltklimagipfel auch durchsetzt?

Guenola Kahlert: REDD wird kommen, da bin ich sicher. Allerdings sind noch viele Detailfragen zu klären. Doch zunächst reicht es, wenn das Konzept grundsätzlich absegnet wird. Denn alles, was der Weltklimagipfel jetzt in Kopenhagen beschließt, wird ja ohnehin erst 2012 in Kraft treten, weil dann das Kyoto- Protokoll ausläuft. Und bis dahin haben wir genug Zeit, um an den Details zu feilen.

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Interview: Silke Baumgarten Fotos: iStockphoto, privat BRIGITTE Heft 26/2009

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