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Schulranzen mit Peilsender: Einladung für Kinderschänder?

Schutzranzen: Junge mit Rucksack
© Sharomka / Shutterstock
Das Projekt "Schutzranzen" soll den Schulweg von Kindern sicherer machen – per GPS am Rucksack. An dem Vorhaben scheiden sich die Geister.

"Kindertracking stoppen!" – so formulieren es Datenschützer. "Die App, die Kinder im Straßenverkehr beschützt" – so nennen es die Verantwortlichen vom Projekt "Schutzranzen". Klar ist: Das Vorhaben polarisiert.

Worum geht's bei "Schutzranzen"?

Die Idee der Macher: Die Sicherheit von Grundschülern auf dem Schulweg zu erhöhen. Per GPS sollen sowohl Eltern ihr Kind immer im Blick haben, als auch Autofahrer vor herannahenden Schülern gewarnt werden. Möglich macht das ein Peilsender im Ranzen des Kindes.

Eltern können per App in Echtzeit den Standort ihres Steppkes abfragen; teilnehmende Autofahrer bekommen ein Warnsignal auf ihr Smartphone, sobald sie in die Nähe eines Kindes kommen. Durch den frühzeitigen Alarm könnten Unfälle, etwa an schlecht einsehbaren Straßenecken, vermieden werden.

Kritiker warnen vor Daten-Missbrauch

Datenschützerkritisieren das Projekt indessen scharf. Die App löse nicht das Problem der Gefahr im Straßenverkehr, sondern sammle lediglich massenhaft Daten der Nutzer und gebe diese an Server von Konzernen wie Google und Amazon weiter. Auch verführe das Programm Autofahrer dazu, unachtsamer zu sein, weil sie sich zu sehr auf die Warn-Funktion verließen.

Verantwortlich für "Schutzranzen" zeichnet die Coodriver GmbH, ein deutsches Start-up. Kooperationspartner sind unter anderem Volkswagen und Scout. Die Macher der App weisen die Kritik in mehrerenStellungnahmen zurück. Die Stadt Wolfsburg, die das Programm an zwei Grundschulen testen wollte, stoppte das Projekt dennoch. Man habe "den Schulleitungen und dem Anbieter empfohlen, den Start des Projektes entsprechend auszusetzen", zitiert das Portal "regionalWolfsburg" die Stadtverwaltung.

Zwei Sichtweisen – zwei Meinungen

Schulkinder per Peilsender tracken – eine gute Idee? Darüber haben sich zwei unserer Redakteurinnen Gedanken gemacht. Mit unterschiedlichen Ergebnissen.

Pro: Gar nicht so unattraktiv

Tracking im Schulranzen klingt für mich als Mutter auf den ersten Blick gar nicht so unattraktiv. Vor allem als Journalistin gehören die Nachrichten über verschwundene und verunfallte Kinder zu meinem Tagesgeschäft. Und das seit Jahren.

2016 hatte durchschnittlich alle 19 Minuten ein Kind im Straßenverkehr einen Unfall. Und jeden Monat starben sieben Kinder (bis 15 Jahre) bei einem Verkehrsunfall, gibt der ADAC an. Das sind auch Argumente, die der Hersteller, Coodriver, ähnlich auf seiner Seite erwähnt.

Und der Hinweis "Die Schutzranzen App macht Ihr Kind für Autofahrer 'sichtbar', auch wenn es sich hinter geparkten Autos oder einer Häuserecke befindet" erinnert mich an die traurigen Unfälle, bei denen Eltern ihre eigenen Kinder in der Garage oder Einfahrt übersehen haben. Damit können solche schrecklichen Unfälle vielleicht verhindert werden.

Kein Wunder also, dass die Idee von einem Peilsender am Kind mir mehr Sicherheit zu geben scheint. Ich bin keine Helikopter-Mama. "Leuchtturm", sagt mein Kind über mich. Auf der einen Seite möchte ich meinem Kind die größtmögliche Freiheit geben, seine Welt selbst zu erkunden. Auf der anderen Seite möchte ich es natürlich vor allen Gefahren bestmöglich schützen. So gut ich es kann. Und da kommt er dann wieder ins Spiel, mein besonderer Reporter-Blick auf unsere Welt. Gemischt mit dem Herz einer Mutter. Ich möchte mein Kind nicht überwachen. Ich möchte nur im Fall der Fälle, dass es schnellstmöglich gefunden wird. Dass ein möglicher Unfall verhindert werden kann. Dass die Welt für Kinder einfach sicherer wird.

Einen Beigeschmack hat das Ganze für mich aber doch: dass Fremde durch den Ranzen-Tracker wissen, wo sich Kinder aufhalten, erscheint mir auch unheimlich. 
… sagt Mom-Redakteurin Nina Gaglio.

Contra: 'Big Brother' schon im Grundschulalter – geht's noch?!

Ich habe (noch) keine Kinder – das muss ich vorweg sagen. Doch als Irgendwann-mal-Mami, große Schwester und tägliche Autofahrerin kann ich beim Gedanken an die Schulranzen-Überwachung nur den Kopf schütteln. Erstens: Ja, die Daten werden laut "Schutzranzen" verschlüsselt übermittelt. Doch es gibt wohl kaum ein System, das sich nicht knacken lässt. Beim Gedanken, dass ein Fremder sich ins Programm hackt und gezielt beobachten kann, wann sich ein Kind wo aufhält, wann es über eine dunkle Allee bummelt, die Abkürzung durch den Waldweg nimmt … mich gruselt's. Wäre das tatsächlich möglich – eine größere Einladung für Pädophile ließe sich kaum ausdenken.

Und: Auch Kinder haben Privatsphäre! Ja, das Kind kann laut "Schutzranzen" per Knopfdruck selbst entscheiden, ob Mama und Papa den Standort gerade abfragen können. Doch nutzen sie die auch? Wenn, ist die Diskussion am Abendbrottisch doch programmiert. 

Ich schreie weiß Gott selten "Früher ging's doch auch alles". Aber ich finde, wir müssen uns nicht noch abhängiger von unseren Smartphones machen. Denn darauf liefe es ja hinaus: Eltern (und Kinder) würden dazu "erzogen", davon auszugehen, immer und überall Kontrolle zu haben. Vermeintlich jedenfalls. Denn passieren kann leider immer etwas. Und das muss nicht das herannahende Auto sein. 
… sagt News-Redakteurin Saskia Fröhlich.

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