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Schönheits-OPs: Wie sag ich's meinem Kind?

Papa will sich die Nase operieren lassen, Mama wünscht sich einen schöneren Bauch. Aber wie erklären sie das ihrem Nachwuchs? BRIGITTE-Redakteurin Susanne Gerlach über ein neues Bilderbuch - mit fragwürdiger Botschaft.

"Mommy, blinkt deine Nase dann?" Das kleine Mädchen ist verwirrt. Mit seiner Mutter war es gerade bei Dr. Michael. Er soll sie operieren, ihre Nase und ihren Bauch schöner machen. Was das genau bedeutet, hat das Mädchen noch nicht verstanden. Das Wort Operation kennt es nur aus einem Spiel ihres größeren Bruders Billy, und in diesem Spiel blinkt eben die Nase eines Clowns. Und warum braucht Mommy überhaupt eine neue Nase und einen strafferen Bauch, wo sie doch die schönsten in der ganzen Welt ist, fragt sich das Mädchen. "Weil ich dann noch schöner bin und wieder in meine Kleider passe.", sagt Mommy. "Und es tut ja nur ein kleines bisschen weh."

Wie bitte? Was hat Mommy gesagt? Es tut nur ein kleines bisschen weh? Wäre Mommy real und nicht die Heldin eines neuen Bilderbuches, man wäre versucht, ihr die Leviten zu lesen. Aber nein, sie ist nur fiktiv. Mommy und das kleine Mädchen spielen die Hauptrolle in Dr. Michael Salzhauers kürzlich erschienenem Kinderbuch "My beautiful Mommy". Salzhauer ist Schönheits-Chirurg in Bel Harbour (Florida) und kennt die Erklärungsnöte von Eltern, die sich einer Schönheits-Op unterziehen, nur zu gut. Immer wieder haben ihm Patientinnen, die sich nach der Geburt ihres Kindes von ihm operiert ließen, von den Schwierigkeiten erzählt, die sie hatten. Richtig verstört seien ihre Kinder beim Anblick ihrer "neuen" Mutter gewesen. Auch Salzhauer selbst, hat diese Erfahrung schon gemacht: Als seine Tochter vier Jahre alt war, ließ er sich die Nase verschönern. Seine Tochter reagierte entsetzt, als sie ihn sah: bandagiert und mit blutunterlaufenen Augen.

So kam Dr. Salzhauer auf eine Idee: Um Kindern möglichst schonend auf den Anblick ihrer operierten Eltern vorzubereiten, verfasste er das Bilderbuch "My beautiful Mommy". Es erzählt aus der Perspektive eines Mädchens im Vorschulalter, dessen Mutter sich die Nase und zwei Minifalten am superschlanken Bauch operieren lassen will. Die Idee dahinter: Damit Mama und Papa endlich nach Herzenslust an sich herumschnippeln lassen können, ohne den Nachwuchs zu traumatisieren, drücken sie ihm das hübsche Comic mit schönheitswahnsinnigen Botschaft in die Hand.

Eine gute Idee? Fragt man deutsche Fachleute ist die Antwort eindeutig Nein. Dr. Marita Eisenmann-Klein etwa, Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie am Caritas-Krankenhaus St. Josef in Regensburg, hat ein Problem mit der Verherrlichung von Schönheits-OPs in dem Buch. "Nicht jede Mutter sieht hinterher aus wie ein Glamour-Girl. Da wird eine Machbarkeit suggeriert, die es so gar nicht gibt", sagt die Ärztin. Sie hält das Bilderbuch für verniedlichend und eine "geschickte Form der Selbstdarstellung" seines Autors. Diplom-Psychologin Claudia Clasen-Holzberg warnt vor allem vor den psychologischen Folgen: "Das Buch kann Ängste auslösen, die aber nicht thematisiert werden." Bis zum Alter von etwa zehn Jahren sehen Kinder ihre Eltern nämlich noch ohne Vorbehalt: Körperlichkeit ist etwas Vertrautes, egal ob Papa einen dicken Bauch oder Mama schlaffe Brüste hat. "Diese kindliche Unvoreingenommenheit gegenüber den Eltern wird erschüttert.", sagt Clasen-Holzberg. Auch das Verhältnis zum eigenen Körper könne sich ändern: "Statt zu lernen, sich zu akzeptieren wie man ist, sinkt die Schwelle, etwas an sich verändern zu lassen."

Dass viele Jugendliche sich längst nicht mehr so akzeptieren, wie sie sind, belegt die Statistik: Allein in Deutschland legen sich jährlich 100.000 Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren unters Messer. Ein Bilderbuch wie "My Beautiful Mommy", das Operationen mit Sätzen wie "Es tut ja nur ein kleines bisschen weh." verharmlost und den Schönheitswahn bereits in Kinderjahren weckt, braucht angesichts solcher Zahlen niemand.

Text: Susanne Gerlach Bilder: Michael Salzhauer

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