Anzeige

Russen in Deutschland "Wir schauen gemeinsam dem Schmerz ins Auge"

"Stop Wars" Tshirt
© maramade / Adobe Stock
Wie lebt es sich zur Zeit als Russin in Deutschland? Putin-Kritikerin Valeria* fühlt sich häufig sehr ohnmächtig. Doch ihre Community gibt ihr Halt.

"Ich bin 46 Jahre alt und lebe als Russin schon lange in Deutschland. Meine persönliche Identitätskrise begann 2014, als Russland die Krim besetzte und der Krieg im Osten der Ukraine begann. Mir war bald klar: Diese jubelnden Menschen sind nicht mein Volk. Wo ich vorher Verbundenheit gefühlt habe, war nur noch ein schwarzes Loch und die Angst: Was passiert weiter?

Mit dem großen Überfall auf die Ukraine vor zwei Jahren stellte sich die Identitätsfrage noch schärfer, und mir wurde klar, warum die Mehrheit der Bevölkerung sich nicht gegen diesen Angriffskrieg erhebt: sich einzugestehen, was wirklich geschieht, bedeutet anzuerkennen, dass dein Land ein Verbrecherstaat ist. Das können nicht viele ertragen. Verdrängung ist die Rettung. Russische Propaganda bietet hilfreiche Narrative.

Kürzlich habe ich einen Workshop mit anderen in Deutschland lebenden Russ:innen geleitet, bei dem es um die Frage ging, was unsere Herkunft für uns bedeutet. Danach ging es mir tagelang schlecht, ich hatte körperliche Schmerzen, weil ich verstanden habe: Was uns verbindet, sind kollektive Traumata, vieles reicht weit zurück bis in unsere Großelterngeneration.

Man kann sich sehr allein fühlen als kritische Russin. Aber immer wieder treffe ich eben auch Landsleute, die gegen den Krieg sind, sich für Menschenrechte und Gefangene einsetzen – und mit mein Bewusstsein teilen. Und ich denke: Ja, das ist das Russland, mit dem ich mich verbinden möchte! Wir sitzen zwischen allen Stühlen, aber wenn wir gemeinsam unserem Schmerz ins Auge schauen, gibt uns das auch Halt."

*Name und Wohnort sind der Redaktion bekannt

Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel