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Rebecca Niazi-Shahabi: Auf Partnersuche in den Parteien

Ich suche einen Mann - aber nicht im Internet oder auf Single-Partys. Die 39-jährige Berlinerin Rebecca Niazi-Shahabi begab sich in den Parteien auf die Jagd.

Sie wirkt streng, fast spröde. Und kann herzhaft lachen, am liebsten über sich selbst. Zum ersten Sex mit einem Mann, so schreibt Rebecca Niazi-Shahabi in ihrem Buch, müsse sie sich immer zwingen. Trotzdem hat die 39-jährige Werbetexterin ein ungewöhnliches Experiment gewagt: Ein Jahr lang testete sie mit vollem Einsatz Parteien auf ihre Tauglichkeit als Kontaktbörse - in Ortsgruppen und Bezirksvereinen, auf V­eranstaltungen und Partys. Die Berlinerin wollte wissen, in welcher Partei es die interessantesten Männer gibt.

BRIGITTE: Parteien statt Parship - ist das empfehlenswert?

Rebecca Niazi-Shahabi: Parteien sind gute Kontaktbörsen. Man hat ein gemeinsames Thema und kann jeden ansprechen. Wenn mir jemand auffiel, habe ich mir von ihm erklären lassen, wo es Formulare gibt oder wer der nächste Redner ist. Ich hatte immer dann am meisten Erfolg, wenn ich interessierte Fragen stellte, statt zu flirten.

BRIGITTE: Sie mussten sich gegen Zudringlichkeiten wehren, hofften auf einen Anruf, der nicht kam, Sie erhielten Liebesbriefe. Also das ganz normale Gefühlschaos?

Rebecca Niazi-Shahabi: Ja, ich habe mich mit aufregenden Männern getroffen und mit solchen, die sich als nervig herausstellten. Mit einem hatte ich sogar eine längere Affäre, mit allen Höhen und Tiefen. Aber am meisten hat mich interessiert, wie es in den Parteien zugeht. Ich wollte wissen: Wie benehmen die sich? Auf die Idee war ich in einem Gespräch mit einer Freundin gekommen. Wir fragten uns: Können Menschen miteinander befreundet sein, die ganz unterschiedliche Meinungen und Wertvorstellungen haben?

BRIGITTE: Wie sieht Ihre Bilanz nach einem Jahr Parteiencheck aus?

Rebecca Niazi-Shahabi: In jeder Partei gibt es sympathische und unsympathische Männer. Aber es gibt auch so etwas wie eine Parteikultur. Am freundlichsten ist der Umgang in der SPD, höflich und herzlich. Wo auch immer ich hinkam, wurde ich angesprochen, eingeladen, auf einer großen Party holte mir Hertha Däubler-Gmelin einen Apfelsaft. Viele Menschen in der SPD sind sympathisch und gebildet, sehr interessiert an Kunst und Kultur. Aber insgesamt eher solide, die jüngeren sind fast alle verheiratet. Es gibt nur wenige Fremdgänger, selten wirkt jemand schillernd oder sexy. Und sie lästern viel über die Linken. Das fand ich uncool.

BRIGITTE: Und was ist Ihnen bei den Linken besonders aufgefallen?

Rebecca Niazi-Shahabi: Bei den älteren Männern bin ich gut angekommen, das hat mir gefallen. Man kann sich mit Einzelnen wunderbar unterhalten, aber hier finden sich auch die ruppigsten Menschen der Welt. Insgesamt sind die Linken extrem heterogen - und humorlos. Sogar in der CDU wird mehr gelacht.

BRIGITTE: Sie wollten einen Ortsverein der CDU besuchen und haben dreimal vor verschlossenen Türen gestanden. Sagt das etwas über die Partei?

Rebecca Niazi-Shahabi: Stimmt, der Einstieg war schwierig. Aber eigentlich geht es da am unkompliziertesten zu. Die CDUMitglieder haben konkrete Anliegen wie Parkuhren oder eine Umgehungsstraße. Es geht um Job und Karriere und gegenseitige Unterstützung. Ein unangenehmes Erlebnis hatte ich bei einem Unternehmerstammtisch: Keiner der anwesenden CDU-Männer griff ein, als eine adrette Endfünfzigerin Sprüche gegen Juden losließ. Übrigens waren diese Männer alle dick und unattraktiv.

BRIGITTE: Der Flirtfaktor in der CDU scheint gering zu sein. Trotzdem schwingen Sympathien in Ihren Schilderungen mit . . .

Rebecca Niazi-Shahabi: Ich fand diese Mischung aus Ignoranz und Großzügigkeit bemerkenswert. Als ich mal einen Flyer kritisierte, bot mir der Bezirksvorsitzende an, den Text umzuschreiben - obwohl ich mich als Grünen-Wählerin geoutet hatte. Auf Nachfrage habe ich immer wahrheitsgemäß gesagt, dass ich kein Parteimitglied bin. Die Reaktion fand ich tolerant. Sobald es aber um Auseinandersetzungen mit anderen Fraktionen ging, pöbelten die CDUler auf niedrigstem Niveau. Das war einzigartig. Na ja, und die Linken, die sich Freiheit und Glück für die Menschheit wünschen - die haben einen Umgang miteinander, das glaubt man nicht. Am meisten hat mich der besserwisserische Ton genervt.

BRIGITTE: Ihre Gefühle kannten keine Parteigrenzen. Um den smarten Mann namens Gabriel von der FDP - einer Partei, deren Mitglieder nach Ihrem Bekunden nicht zu Ihnen passen - für sich zu gewinnen, luden Sie ihn und andere zu sich nach Hause zum Essen ein.

Rebecca Niazi-Shahabi: Ja, Gabriel habe ich auf einer lustigen Party kennen gelernt. Wir haben uns einmal geküsst, ich wollte ihn wieder treffen. Aber er kam nicht zu meinem Abendessen, stattdessen musste ich seine langweiligen Freunde und deren verächtliche Reden über Hartz-IV-Empfänger ertragen.

BRIGITTE: Wo haben Sie die vielen Kontakte gesammelt? Die Versammlungen der Ortsoder Bezirksgruppen stellt man sich nicht gerade sexy vor. . .

Rebecca Niazi-Shahabi: Stimmt, aber ein solches Ausmaß an Langeweile hatte ich nicht erwartet. Ich habe mal eine Stadträtin beobachtet und dachte immer nur: Allein schon der Weg in dieses Amt muss die Hölle gewesen sein.

BRIGITTE: Und wie haben Sie es ausgehalten?

Rebecca Niazi-Shahabi: Ich habe sehr bald meine Strategie geändert und bin nur noch zu Veranstaltungen, Partys oder Vorträgen mit gutem Thema gegangen. Und da wird viel geboten. Tolle Ausstellungen und Partys bei der SPD, spannende Vorträge mit internationalen Gästen bei den Linken und den Grünen.

BRIGITTE: Bei den Grünen haben Sie aber auch ganz andere Szenen erlebt. In Ihrem Buch beschreiben Sie eine Prügelei . . .

Rebecca Niazi-Shahabi: Das war eine krasse Ausnahme. Das Treffen fand in einer Privatwohnung statt, man kannte sich sehr gut. Eine Frau beharrte verbiestert auf ihrem Standpunkt. Der Mann, zottelig und ungepflegt, zugleich gebildet und informiert, kam nicht gegen sie an. Sie hat ihn gereizt, immer wieder, und irgendwann ist er auf sie losgegangen. Ich konnte ihn verstehen.

BRIGITTE: Ihre Erfahrungen bei der Ihnen nahestehenden Partei waren sehr zwiespältig?

Rebecca Niazi-Shahabi: Ja, bei allen Parteien, aber besonders bei den Grünen. Ich habe erlebt, dass niemand mit mir sprach. Als ich den Raum betrat, in dem die Bezirksgruppe tagte, blaffte mich eine Frau an: "Der Volkshochschulkurs ist da drüben." Während Vorträgen wurde geschwätzt und Zeitung gelesen. Andererseits trifft man dort sehr viele kluge Individualisten, mit denen man bereichernde Gespräche führen kann.

BRIGITTE: Haben Sie nach diesem Jahr denn jetzt einen anderen Blick auf die Parteien?

Rebecca Niazi-Shahabi: Ich fand es komisch, dass in keiner Partei versucht wurde, mich als Mitglied zu werben. Und mich hat die Verlogenheit überrascht. Gerade die Parteien, die sich für Gerechtigkeit und Soziales starkmachen, gehen besonders mies miteinander um, abweichende Meinungen tolerieren sie gar nicht. Im Großen setzen sie sich für die Schwachen ein, aber im Kleinen hört die Solidarität bei vielen auf. Sie spenden 1800 Euro für Nicaragua, aber nichts für den Obdachlosenverein nebenan. Laden Künstler ein und streichen den Zuschuss für ein Literaturcafé. Es werden große Worte für die Armen und Entrechteten geschwungen, und dann weinen alle. Da ist viel Pathos dabei. Besonders in der SPD wird viel geweint.

BRIGITTE: Sebastian, mit dem Sie über mehrere Monate eine Affäre hatten, haben Sie bei der SPD kennen gelernt. Er entpuppte sich als zwanghaft, beanstandete Flecken in Ihrem frisch geputzten Badezimmer und legte Ihnen eine Punkteliste mit Eigenschaften seiner Idealfrau vor. Trotzdem blieben Sie dran.

Rebecca Niazi-Shahabi: Wir konnten viel miteinander anfangen. Er interessierte sich für Kunst, Literatur und den Orient. Und er war sehr zugewandt.

BRIGITTE: Wusste er von Ihrem Buchprojekt?

Rebecca Niazi-Shahabi: Nein, natürlich nicht, aber er hat ja kein Patent auf sein Benehmen. Die Namen habe ich alle geändert.

BRIGITTE: Sie haben am Ende Ihrer Recherche dann tatsächlich einen Mann kennen und lieben gelernt. Allerdings bei Freunden. Wusste er denn von Ihrem Projekt?

Rebecca Niazi-Shahabi: Ja, er fand das eine interessante Idee. Und wir sind immer noch zusammen.

BRIGITTE: Ja, er fand das eine interessante Idee. Und wir sind immer noch zusammen.Können Sie nach all Ihren Erlebnissen Politiker eigentlich noch ernst nehmen?

Rebecca Niazi-Shahabi: Nein. Es fällt mir schwer, noch irgend- etwas zu glauben, alles scheint so austauschbar. Am liebsten würde ich eine eigene Partei gründen. POP - Partei ohne Politiker.

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"Bündnispartner gesucht" (251 Seiten, 8,95 Euro, Rowohlt) ist das zweite Buch von Rebecca Niazi-Shahabi. Die 39-Jährige lebt in Berlin und arbeitet als freie Autorin und Werbetexterin

Zur Leseprobe

Interview: Claudia Kirsch Foto: Steffen Roth Ein Artikel aus der BRIGITTE 15/09

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