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Beliebte Hunderassen "Röchelndes Schnaufen ist nicht süß, sondern ein Ringen um das Leben"

Haustiere Leid
© Branislav Nenin / Shutterstock
Des Menschen bester Freund? Die Erfahrungen des Tierpathologen Achim Gruber sprechen eine ganz andere Sprache. Er sagt: Unsere Hunde leiden genauso wie unsere Nutztiere – nur sind wir blind dafür.

Eine Liebe, die wehtut

Wir beklagen die Qualen, die Schweinen, Rindern und Hühnern zugefügt werden, sind gegen Tierversuche, Kükenschreddern, Pelzmäntel und den Einsatz von Zirkustieren oder Kutschpferden. Immer mehr Menschen leben vegetarisch oder sogar vegan, weil sie Tierleid verhindern möchten. Das Wohl der Tiere liegt uns zunehmend am Herzen.

Doch für das Elend unserer heiß geliebten Hunde sind wir offenbar blind – das zumindest behauptet Achim Gruber. Der Professor leitet die Tierpathologie an der Freien Universität Berlin und hat in seinem Leben schon unzählige Tiere obduziert.

Manchmal ist Gewalteinwirkung die Todesursache, ein Unfall, ein Virus oder Krebs. Aber unsere Tiere litten vor allem an einer gnadenlosen Züchtung – weil wir sie zunehmend vermenschlichten und dabei ihre Bedürfnisse aus dem Blick verlören. "Das Paradoxe ist, dass wir Tiere oft krank machen, indem wir ihnen Gutes tun wollen oder nur an unser eigenes Wohl denken", schreibt Gruber in seinem Buch "Das Kuscheltierdrama – Ein Tierpathologe über das stille Leiden der Haustiere", in dem er ein Gruselkabinett beliebter Defektzüchtungen seziert.

Wir degradieren unsere Vierbeiner zum Kuscheltier – um jeden Preis

Der Tiermediziner beruft sich auf eine Studie, derzufolge Niedlichkeit gepaart mit Hilflosigkeit zu einer engeren Bindung zwischen Mensch und Hund führt. Dies sei auch der Grund, warum wir unsere Vierbeiner gern klein, süß und menschenähnlich mögen und dabei Gendefekte in Kauf nehmen, die sie noch abhängiger von uns machen, als sie ohnehin schon sind.

Der Pathologe hat einen makaberen Trend ausgemacht: "Je üppiger das Leid der Tiere ausgeprägt ist, desto stärker sind unser Bindung, Hilfs- und Pflegebereitschaft und damit unser Kaufverhalten." Das wiederum nutzten Züchter mit ihren beliebten Defektzüchtungen aus.

Wir formen unsere Kuscheltiere wie es uns gefällt, und übersehen das Leid, das wir ihnen damit antun – Liebe, die weh tut.

Ein Leben am Rande des Erstickungstodes

Was Modehunde wie Mops und Bulldogge eint, ist, dass ihre Schnauze weitgehend weggezüchtet wurde: Wenn das Gesicht wie beim Menschen flach ist und die Augen nebeneinander stehen, kommt schneller ein "Wir-Gefühl" auf, so Gruber – anders als wenn wir beispielsweise einem Wolf in die Augen schauen. Dieses Gefühl täusche allerdings gewaltig: Der Experte ist sich sicher, dass wir unsere Tiere oft vollkommen falsch einschätzen.

Denn die Kurzköfigkeit (Brachyzephalie), die Bulldoggen, Möpsen, Pekinesen oder Boxern angezüchtet wird, um ihnen eine Ähnlichkeit mit dem Menschen zu verleihen, führt zu einer deformierten Nase. Deshalb leiden die Hunde häufig unter Atemnot und die verkrüppelte Nasenschleimhaut erlaubt keine Wärmeregulierung. Die Folgen laut Gruber: Ein qualvolles Leben am Rande des Erstickungs- oder Hitzetodes. 

"Röchelndes Schnaufen ist nicht süß, sondern ein Ringen um das Leben. Atemzug für Atemzug ein Todeskampf."

Wasserköpfe und Glubschaugen sind en vogue

Die begehrte Kurzköpfigkeit wird bei der Zucht von Toy Dogs wie Chihuahuas, Möpsen, Bulldoggen und Yorkshire Terriern oft mit einer Neigung zum Wasserkopf kombiniert – eine beim Menschen gefürchtete Gehirnmissbildung, die bei Hunden verniedlichend als "Apfelköpfchen" bezeichnet wird. Diese Züchtung begünstigt, dass eine Rasse dem Kindchenschema entspricht und dem Menschen noch liebenswerter erscheint. Doch mit einem Wasserkopf werden auch Fehlfunktionen des Gehirns bis hin zur Lebensunfähigkeit in Kauf genommen.

Auch der Hundeblick wird genetisch designt. Was manche als "süße Triefaugen" bezeichnen, seien jedoch Entzündungen, die durch die Züchtung begünstigt werden. Gruber berichtet von einem Mops, dem beim Sprung vom Sofa eines der hervorstehenden Augen ausfiel. Einige Tierärzte hätten sich laut Gruber daher "auf die Korrektur und Behandlung von angezüchteten Glubschaugen" spezialisiert.

Natürliche Geburt ausgeschlossen

Weil die Köpfe einiger Rassen unnatürlich groß gezüchtet werden, müssen die Jungen per Kaiserschnitt auf die Welt geholt werden. Hündinnen mit angezüchtetem Unterbiss sind außerdem nicht in der Lage, die Fruchtblase ihres Wurfs aufzubeißen, sodass schnell gehandelt werden muss, damit die neugeborenen Welpen nicht ersticken.

Bandscheibenvorfälle und kaputte Herzklappen

Auch die Hundebeine haben Züchter:innen im Visier. Die kurzen, krummen Beine, die wir bei Dackel, Mops, Bulldogge, Basset und Corgi so schätzen, beruhen auf einem angezüchteten Gendefekt bei der Knorpelbildung. Dieser führe aber zu einer Minderwertigkeit des Knorpels, weshalb diese Hunde oft schon in jungen Jahren Bandscheibenvorfälle erlitten. Dackel weisen außerdem besonders häufig eine Herzlappenverkrüppelung (Endokardiose) auf, was Atemnot und einen frühen Herztod nach sich ziehen kann. Andererseits begünstige die Züchtung besonders langbeiniger Tiere schnell metastasierenden Knochenkrebs. 

Wo ist meine Rute?

Die Stummelschwänze oder gänzlich fehlenden Ruten der gefragten Hunderassen sorgten außerdem für Schwierigkeiten beim Ausbalancieren von Bewegungen und bei der Kommunikation der Tiere. Die verkrüppelten Schwänze gehen oft mit Fehlbildungen der Wirbel, Kniescheibenverlagerungen und einer Fehlentwicklung der Hüften (Hüftgelenkdysplasie) einher.

Wer schön sein muss, muss leiden

In das Gruselkabinett der beliebten Defektzüchtungen gehören laut Gruber übrigens auch die scheinbar harmlosen Fellfärbungen bei Dalmatiner oder Merle-Hund. Sie entstehen durch angezüchtete Gendefekte, die unter anderem mit Blindheit oder Taubheit einhergehen können.

"Das Kuscheltierdrama - Ein Tierpathologe über das stille Leiden der Haustiere" von Achim Gruber (Droemer HC, 19,99 Euro).
"Das Kuscheltierdrama - Ein Tierpathologe über das stille Leiden der Haustiere" von Achim Gruber (Droemer HC, 19,99 Euro).
© PR
Brigitte

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