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Frauen und Mädchen in Karamoja Der Kampf gegen die Tabuisierung der Menstruation in Uganda

Frauen und Mädchen in Karamoja: Frau aus Karamoja schaut glücklich und hält die Arme in die Luft
© Mirjam Knickriem
Diskriminierung und Ausgrenzung aufgrund der Menstruation ist für viele Frauen und Mädchen in Uganda Alltag. Um gegen die Tabuisierung vorzugehen, gibt es das Hilfsprojekt "Eva" von der Welthungerhilfe, welches gemeinsam mit der Schauspielerin Gesine Cukrowski gegründet wurde. Im Interview berichtet sie uns von ihrem Herzensprojekt.

Kannst du dir vorstellen, einmal im Monat aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden? Als unrein und eklig bezeichnet zu werden? Es ist dir nicht erlaubt zu kochen, andere Menschen zu treffen und deinem Alltag nachzugehen? Eine Situation, die sich die meisten von uns sicherlich nicht vorstellen können. Die aber in vielen Teilen der Erde zur Realität gehört.

Karamoja ist eine Region im Nordosten Ugandas. Viele Frauen und Mädchen erfahren dort einmal im Monat, zur Zeit ihrer Periode, Diskriminierung und Benachteiligungen in der Gesellschaft. Hygieneartikel, wie wir sie kennen, gibt es dort nicht oder sind für die Menschen nicht praktikabel. Aufgrund dessen ist der Alltag vieler Frauen und Mädchen geprägt von Scham und Verzweiflung. So stark, dass es unvorstellbare Auswirkungen auf die mentale Gesundheit der Frauen, aber auch auf die ihrer Familienmitglieder hat.

In Karamoja beginnt die Geschichte des Projekts "Eva". Es wurde von der Organisation Welthungerhilfe gemeinsam mit der deutschen Schauspielerin Gesine Cukrowski gegründet und setzt sich gegen die Tabuisierung der Menstruation in Uganda ein. Mit Aufklärung und Bereitstellung nachhaltiger Menstruationsprodukte hat Projekt "Eva" das Ziel, in Gegenden wie Karamoja Frauen und Mädchen einen Zugang zu Hygienemitteln zu ermöglichen und das Thema Menstruation zu enttabuisieren und entstigmatisieren. 

Gesine Cukrowski engagiert sich seit Jahren für soziale Projekte der Welthungerhilfe und ist Botschafterin des Menstrual Hygiene Day. Projekt "Eva" ist ihr Herzensprojekt. Wir haben mit ihr über die Situation vor Ort gesprochen.

3 Monate im Jahr keine Schule aufgrund der Periode

2015 reiste Gesine Cukrowski zum ersten Mal nach Karamoja. Einst besuchte sie die Region für ein anderes Hilfsprojekt der Welthungerhilfe ("Ziegen für Frauen in Karamoja") und erfuhr vor Ort von der enormen Problematik aufgrund fehlender Hygieneartikel. Die Tatsache, dass viele Mädchen in Karamoja nicht mehr zur Schule gehen würden, sobald sie ihre Regel haben, wurde an den damaligen Projektleiter Dirk Ullerich getragen und das Team hat entschieden: Hier muss etwas passieren! "Das Mittel der Wahl für die Mädchen war, zu Hause zu bleiben", erzählt Gesine Cukrowski im Interview, denn die Scham der Mädchen aufgrund der fehlenden Hygieneartikel zur Zeit ihrer Periode war zu groß, um am Unterricht teilzunehmen.

Zu Beginn des Projekts hat die Welthungerhilfe eine Umfrage mit 700 ugandischen Frauen und Mädchen aus bisherigen Projekten der Welthungerhilfe durchgeführt, in der sie ihre gesellschaftlichen Probleme in eine Reihenfolge bringen sollten. "Bei fast allen Frauen kam Menstruation an erster Stelle. Vor Hunger – in einer Region, die von Dürren geplagt ist und wo Hunger ein großes Thema ist", verrät uns Gesine Cukrowski. Die Ergebnisse der Umfrage waren bestärkend dafür, dass Projekt "Eva" umgesetzt werden sollte.

Frauen und Mädchen in Karamoja: Gesine Cukrowski mit einer Schülerin
© Mirjam Knickriem

Ein elementarer Zusammenhang zwischen Ausgrenzung und Hunger

Während ihrer Periode werden viele Frauen und Mädchen in Karamoja aus ihrer Gesellschaft ausgeschlossen, denn die Menstruation wird als unrein und giftig angesehen. Daher dürfen sie für ihre Familien nicht mehr kochen und müssen das Dorf zu dieser Zeit meist sogar verlassen. Die Folge: Kinder und weitere Familienmitglieder sind hilflos, denn eine Frau ist in einer Region wie Karamoja elementar wichtig. Sie kümmert sich um Haushalt, Pflege, Essen, Kinder und noch vieles mehr. Schon dadurch ist es ein Projekt, das zur Organisation Welthungerhilfe passt, denn auch das Thema Hunger hängt mit den Folgen der Tabuisierung der Menstruation zusammen. Mangelernährung kann da anfangen, wo Mütter ihre Kinder nicht versorgen können.

Gesine Cukrowski sagt:

Die weibliche Periode war für mich anfangs eher ein individuelles als ein systemisches Problem. Dass es so viele Frauen und Mädchen betreffen könnte, war mir anfangs tatsächlich nicht bewusst.

Um zu verhindern, dass sich die Frauen mit Lumpen behelfen aufgrund von fehlenden Hygieneartikeln, was zu Infektionen führen kann, gab es den Versuch, African Pads, das sind waschbare Baumwollbinden, zu etablieren. Die Lebensumstände in Karamoja ließen dies aber nicht zu, da Wasser und Seife fehlen. 

Frauen und Mädchen in Karamoja: Gesine Cukrowski sitzt mit Frau aus Karamoja zusammen und spricht über Menstruationstasse
© Mirjam Knickriem

Im Rahmen des Projekts "Eva" suchten die Projekttreibenden nach Alternativen, die sich für die Gesellschaft besser eignen würden und sich etablieren ließen. Bei Menstruationstassen handelt es sich um becherartige Silikongefäße, welche lediglich ausgewaschen und nach der Periode einmal abgekocht werden müssen. Sie können 10 Jahre lang wiederverwendet werden. Und genau deswegen wären sie so gut geeignet für Frauen und Mädchen in wasserknappen Gegenden, die sich keine herkömmlichen Periodenprodukte leisten können. "Diese Tasse war ja eigentlich konzipiert für die globale Frau, die auf Reisen geht und unterwegs unabhängig sein will. Die Silikon-Tasse empfand ich zuerst als eine Luxusidee. Dass das vor allem ein nachhaltiges Produkt mit einer so großen sozialen Komponente ist, war mir vor 7 Jahren überhaupt nicht bewusst", verrät uns die Schauspielerin. 

Aufklärung als Schlüssel zur Enttabuisierung

Neben der Bereitstellung von Hygieneprodukten gehört zum Projekt "Eva" vor allem die Aufklärung. Zum einen wird gezeigt, wie genau die Menstruationstasse benutzt wird. "Es gibt Trainerinnen vor Ort, die alles erklären und richtig begleiten, das ist wichtig", so Cukrowski. Zum anderen wird zum Thema Menstruation aufgeklärt, um somit das Bewusstsein für Gesundheit und Sexualität zu stärken, wodurch die Menschen lernen, damit umzugehen – anstatt zu tabuisieren.

Um Nachrichten und Informationen zu verbreiten, gibt es in Karamoja Sänger:innen, die durch die Dörfer ziehen und den Menschen vorsingen. "Die Welthungerhilfe hatte gleich zu Beginn eine bekannte Sängerin vor Ort gebeten, ein Lied über die Menstruationstasse zu schreiben. Als ich das letzte Mal vor Ort war, habe ich erlebt, wie 'Lady Comfort' das Lied mit dem gesamten Dorf gesungen hat. Auch die Männer kannten den Text schon und haben mitgesungen“, erzählt uns die Schauspielerin.

Des Weiteren wird aber auch in den Schulen aufgeklärt. Es sei der beste Ort, um die Mädchen schon zu Beginn ihrer Periode zu bilden. Wichtig, um gegen die Tabuisierung anzugehen, ist, auch die Männer und Jungen aufzuklären. Bei der Frage nach Widerstand gegenüber dem Projekt von Seite der Männer berichtet Gesine Cukrowski uns, dass es sehr gut angenommen wurde. Die Männer seien dankbar und erleichtert, dass die Frauen bei der Versorgung durch die Menstruationstasse nicht mehr ausfallen müssen.

Frauen und Mädchen in Karamoja: Gesine Curkrowski steht mit Bewohnerinnen Karamojas zusammen, Erklärung der Menstruationstasse
© Mirjam Knickriem

Überall sollte das Thema Menstruation mehr akzeptiert werden – auch bei uns

Gesine Cukrowski ist der Meinung, dass hinsichtlich der Akzeptanz der Menstruation überall auf der Welt noch Verbesserungspotenzial besteht. Auch bei uns in Deutschland, kritisiert sie, trauten sich viele Frauen nicht, mit Männern über das Thema zu reden. "Immer noch fühlen sich Mädchen als 'Drückbergerinnen', weil sie aufgrund der Regelschmerzen nicht beim Sportunterricht mitmachen wollen“, sagt Cukrowski. "Dazu gehören die Schmerzen, die hormonelle Belastung. Es wird erwartet, dass wir das ertragen. Nein, wir müssen darüber reden!"

Projekt "Eva" hat erreicht, dass in den Hilfsprojekten der Welthungerhilfe, das Thema Menstruation einen hohen Stellenwert bekommen hat und Frauen und Mädchen vermehrt Aufklärung und Unterstützung geboten wird. "Wir bekommen die Rückmeldung, dass sich die Situation in den Dörfern, in denen wir diese Projekte schon haben und dadurch auch das Leben der Frauen verbessert hat", erzählt Gesine Cukrowski. Das Ziel, dass Frauen überall auf der Welt Zugang zu Hygieneprodukten haben, sei nicht so einfach zu erreichen. Doch wenn sich genügend Menschen weltweit damit auseinandersetzen und in Hilfsprojekten wie Projekt "Eva" engagieren würden – ob als Ehrenamtliche oder durch Spenden und finanzielle Unterstützung – könnte die Tabuisierung und Stigmatisierung der Menstruation eines Tages Vergangenheit sein.

Auch du kannst etwas tun: Gib auf der Website der Welthungerhilfe eine Spende und hilf Frauen und Mädchen in Uganda, einen besseren Zugang zu den nötigen Hygieneprodukten zu bekommen. 

Brigitte

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