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Porträt: Claudia Fischer-Appelt

Die Hamburger Designerin Claudia Fischer-Appelt gibt mit ihrer Initiative mamamoto dem heutigen Lebensgefühl von Familien ein Gesicht - fernab von Bärchen und sonstigen Klischees.

CLAUDIA FISCHER-APPELT IST ...

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... unsere Frau der Woche, weil die Designerin mit ihrer Initiative mamamoto dem heutigen Lebensgefühl von Familien ein Gesicht gibt - fernab von Bärchen und sonstigen Klischees. Die Hamburgerin Claudia Fischer-Appelt (40) gründete im März 2005 die Familieninitiative mamamoto. Als Mutter von zwei Kindern fühlte sie sich von hässlichen Bärchen-Wickelunterlagen und Alete-Werbebildern umzingelt. Mit kreativen Aktionen, ästhetischen Produkten und einem Manifest kämpft sie für ein modernes, authentisches Familienbild. Ziel: Lust auf Familie machen. Jetzt erscheint ihr erstes Buch: "Family Business - Das Buch für Eltern, die nicht perfekt sein wollen".

Wie kam Claudia Fischer-Appelt dazu, ihre Initiative zu gründen? Dafür gibt es mehrere Gründe. Sie ist ...

... stilbewusst: Manchmal ist es produktiv, wenn eine Mutter sich ärgert. "Als ich Anton bekam, suchte ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Babymarkt auf. Plötzlich fand ich mich in einer Parallelwelt mit quietschbunten Plastik und Knubbelhäschen wieder! Ich stand da und dachte, wo bin ich hier gelandet?!", sagt Claudia Fischer-Appelt. "Überall die gleichen einfallslosen Babyprodukte!" Doch so richtig sauer wurde sie erst beim zweiten Kind. "Es hatte sich nichts geändert! Aber auch Eltern haben gutes Design verdient!"

... angriffslustig: Die ratgebergestählten Mütter auf dem Spielplatz setzten der Hamburgerin ebenfalls zu. Wie, du bist in keiner Pekip-Gruppe? Wie, du warst nicht beim Kinderschwimmen? "Dieses ganze Gute-Mutter-Thema hat mich aufgeregt und wütend gemacht. Aber auch die öffentliche Debatte, die mich in ihrer ideologischen Verbohrtheit an Krieg erinnert," so Claudia Fischer-Appelt. Mit dem Lebensgefühl der heutigen Familien habe dies alles gar nichts zu tun. Und genau das möchte die zweifache Mutter in ihrem ersten mamamoto-Buch darstellen. Ohne erhobenen Zeigefinger, aber mit viel Humor.

... kreativ: "Schluss mit verstaubten Familienbildern“ fordert Claudia Fischer-Appelt folgerichtig im mamamoto-Gründungsmanifest von 2005. Sie verteilte in Hamburg alternative Grußkarten zum Muttertag und initiierte einen T-Shirt-Tausch-Tag (hässlich bedruckte gegen hübsche im mamamoto-Design). Im letzten Jahr kamen noch selbst entworfene Produkte wie Babyfläschen und Buttons dazu. Auf der Website www.mamamoto.de kann man sich etwas andere Stundenpläne und Malvorlagen für die lieben Kleinen herunterladen. Für ihr Buch machten Familien aus dem Freundes- und Bekanntenkreis mit. Als nächstes plant die Designerin eine "Beschützermonster"-Serie.

... eigenwillig: Alle mamomoto-Aktionen realisiert Claudia Fischer-Appelt innerhalb ihrer Design-Agentur. Dabei war ihr wichtig, dass nicht nur Väter und Mütter im Team sind. "Damit der Blick von draußen bleibt." Schnell stellte sie fest, wie hartnäckig das Kindchenschema in den Köpfen feststeckt. "Die Graphiken macht ein junger Illustrator, der keine Kinder hat. Seine ersten Entwürfe waren pastellfarben, rund und knubbelig! Ich wollte es tougher haben. Sein Einwand lautete: 'Es ist doch für Kinder!'" "Ja, aber auch für mich", entgegnete ihm seine Chefin. Es dauerte ein halbes Jahr, bis sie zufrieden war.

... humorvoll: Verspielt statt kitschig, authentisch statt gekünstelt, türkis statt babyblau - kindliche Formen finden sich auch in der mamamoto-Welt wieder, nur ironisch gebrochen. So bietet der (bärchenfreie) Onlineshop etwa dicke Spinnen und gutgelaunte Fledermäuse als Tattoos feil. Die Barbie-Farbe Rosa wiederum spielt in Fischer-Appelts Buch eine tragende Rolle in der Glosse "Ein Mann sieht rosa". Auch ihre eigene Mission nimmt die Mutter nicht bierenst: "Ich will die Bärchen ja gar nicht verbannen, in erster Linie will ich Alternativen aufzeigen."

... provokant: Ein Affe hält eine Kokosnuss in der Hand. Womit soll er die Nuss knacken? Mit einer Bombe? Oder lieber mit einer Machete? Die Idee zu der mamamoto-Tapete kam Claudia Fischer-Appelt, als sie selbst nach Kinderzimmertapeten suchte und nichts fand, was ihr gefiel. Die ersten Reaktionen im firmeneigenen Intranet waren heftig. "Kaum war diese Tapete draußen, haben sich die Leute aufgeregt, das Motiv sei gewaltverherrlichend." Dass sie aneckt, nimmt Claudia Fischer-Appelt in Kauf: "Ich finde, dass ein Produkt für Kinder frech und witzig sein darf. Auch wenn es gegen die Political Correctness verstößt."

... bescheiden: Vier Design-Auszeichnungen erhielt mamamoto bisher. Nun der Ritterschlag: Für den renommierten Designpreis der Bundesrepublik Deutschland 2008 wurde die Familieninitiative gleich zweimal nominiert. Kein Grund für Claudia Fischer-Appelt abzuheben: "Natürlich freuen wir uns über jeden Preis. Und speziell eine Nominierung für den Designpreis der Bundesrepublik ist eine Auszeichnung, weil man sich nicht bewerben kann, sondern rausgepickt wird. Trotzdem - ich würde diese ganze Preis-Geschichte nicht überbewerten."

... nicht allein: 2006 gab Claudia Fischer-Appelt eine Meinungsforschungsstudie zum öffentlichen Familienbild in Auftrag. Das Ergebnis: Fast die Hälfte aller kinderlosen Befragten hielt das aktuelle Familienbild für unästhetisch und abschreckend. Claudia Fischer-Appelt: "Ich hatte den Eindruck, ich muss beweisen, dass man Alternativen braucht. Wenn ich das vorherrschende Familienbild unattraktiv finde, schreckt es mich eher ab, eine eigene Familie zu gründen. Das war der Beweis, den ich führen wollte, und das hat die Studie bestätigt."

... anarchisch: Einmal im Monat ist im Haus Fischer-Appelt "Schweinetag", an dem Eltern und Kinder gemeinsam die Sau rauslassen. Wie das aussieht, kann man sich im Kapitel "Heute ist Schweinetag" im mamamoto-Buch ansehen. Einzige Regel: Jeder darf sich am Tisch so benehmen, wie er möchte. Zur Nachahmung absolut empfehlenswert, findet Claudia Fischer-Appelt. "Dieses ständige 'Tu dies nicht' und 'Tu das nicht' ist unglaublich anstrengend. Also habe ich einen Ausnahmetag erfunden, an dem man rumschweinern darf." Ihre Söhne Anton (8) und Fritz (4) finden es großartig.

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Buchtipp: Claudia Fischer-Appelt: Family Business - Das Buch für Eltern, die nicht perfekt sein wollen, Edition Braus, 128 Seiten, 19,90 Euro

Text: Elke Polomski

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