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Frauen in der Piratenpartei: Respekt statt Gebrüll

Sexismus, Mobbing, Rangeleien: Frauen haben es nicht leicht in der Piratenpartei. Auf der Konferenz "PiratinnenKon" diskutierten die Mitglieder über Geschlechterrollen und eine bessere Gesprächskultur. BRIGITTE sprach mit Initiatorin Christiane Schinkel über die Ergebnisse.

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Zwei Tage lang debattierten Mitglieder der Piratenpartei auf der Konferenz PiratinnenKon über Geschlechterrollen und eine bessere Frauenförderung. Denn dass es Frauen in der männerdominierten Partei nicht leicht haben, zeigt sich immer wieder. Politikerinnen berichteten wiederholt von sexistischen Äußerungen und Mobbing, die "Jungen Piraten" schrieben 2012 einen offenen Brief, in dem sie die zunehmende Diskriminierung in ihrer Partei beklagten. Auf der ersten PiratinnenKon sollten Lösungen für das Problem gefunden werden. Wir haben mit Mit-Initiatorin Christiane Schinkel gesprochen.

BRIGITTE.de: Die Piratenpartei wird auch gerne als "sexistischer Männerbund" bezeichnet. Haben Sie selbst Erfahrungen mit Sexismus gemacht?

Ja, zum Beispiel wurde ich in meiner Zeit als Vorsitzende des Berliner Landesverbands mit Sexismus und Angriffen von Parteimitgliedern konfrontiert, weil ich die männlichen Konkurrenzrituale nicht mitmachen wollte. Solche Konflikte kosten viel Kraft, nicht nur für Menschen persönlich, sondern auch für die politische Arbeit. Darüber muss man offen sprechen. Deshalb haben wir die PiratinnenKon veranstaltet.

Christiane Schinkel, links, initiierte gemeinsam mit Ursula Bub-Hielscher die erste PiratinnenKon. Die 47-Jährige war von Mai bis September 2012 Vorsitzende des Berliner Landesverbandes der Piraten.
Christiane Schinkel, links, initiierte gemeinsam mit Ursula Bub-Hielscher die erste PiratinnenKon. Die 47-Jährige war von Mai bis September 2012 Vorsitzende des Berliner Landesverbandes der Piraten.
© Peter Tschunke/dpa

Schon bei der Ankündigung der PiratinnenKon wurden Sie massiv angefeindet. Was war da los?

Oh ja, auf Twitter brach im Vorfeld ein heftiger Shitstorm über uns hinein. Nicht von Piraten, sondern von so genannten "Männerrechtlern". Diese Gruppe ist relativ klein, aber sehr aktiv im Netz und sehr laut. Wir wurden wegen der PiratinnenKon wüst beschimpft. Von der "Diktatur des Feminismus" war da die Rede, oder es wurde uns unterstellt, wir würden Männer ausschließen. Für diese Männer sind Frauen, die für ihre Rechte kämpfen, ein Feindbild. Ich weiß nicht, ob da je eine Annäherung möglich ist, aktuell sehe ich das nicht.

Das heißt, es durften auf der PiratinnenKon auch Männer dabei sein?

Ja, wir haben sie nicht gezählt, aber ich schätze, dass fast die Hälfte der Teilnehmer männlich war. Ich habe das als angenehm und konstruktiv empfunden. Und es ging ja schließlich auch um einen Dialog zwischen Frauen und Männern in der Partei.

Was ist auf der Konferenz herausgekommen?

Zu den greifbaren Ergebnissen gehört, dass wir eine bundesweite Diskriminierungsstelle einrichten, die sich um jede Form von Diskriminierung in der Partei kümmert, also nicht nur um Sexismus. Außerdem soll es "Awareness-Teams" geben, die zum Beispiel bei Konferenzen gebucht werden können und im Streitfall deeskalieren können. Wir haben auch Richtlinien für eine Entschuldigungskultur und eine achtsame, respektvolle Sprache erarbeitet.

Das klingt ein bisschen wie ein Benimmkurs für schlecht erzogene Jungs. Ist die aggressive Kommunikation ein Grundproblem bei den Piraten?

Ich denke schon. Sicher spielt eine Rolle, dass unsere Mitglieder viel im Internet kommunizieren. Man haut im Netz eben viel schneller einen blöden Spruch raus als im realen Leben, wenn man der Person in die Augen schauen muss. Ich glaube, dass das nicht nur ein Problem der Piraten ist, sondern der ganzen Gesellschaft. Es fehlt gerade bei den Jüngeren ein Bewusstsein dafür, wie mächtig die Sprache ist und wie sehr sie auch verletzen kann. Gleichzeitig gilt immer noch derjenige am stärksten, der am lautesten brüllt - und das sind eben oft Männer. Ich bin darum dafür, das Thema "gewaltfrei Kommunizieren" in den Schulen zu behandeln. Wenn wir alle respektvoller miteinander sprechen, haben wir schon viel gegen Diskriminierung getan.

Es gibt in ihrer Partei auch Vertreter, die glauben, dass das Geschlecht in unserer Gesellschaft gar keine Rolle mehr spielt.

Ja, die so genannte "Postgender"-Bewegung ist der Ansicht, dass Menschen geschlechtsneutral wahrgenommen werden sollten und dass dies auch schon passiert. Wenn es aber keine Unterschiede gibt, so ihre Überzeugung, könne es auch keine Diskriminierung mehr geben. Dem haben wir auf der Konferenz widersprochen. Wir sagen: Es gibt Geschlechtsunterschiede, sie werden von uns allen gesehen, und das ist auch gut so. Ich bin gerne eine Frau und möchte auch so wahrgenommen werden. Gleichzeitig wollen wir aber auch die Klischees aufbrechen. Denn jeder Mann hat auch weibliche und jede Frau auch männliche Anteile. Wir haben das "Liquid Gender" genannt, also ein offeneres, fließenderes Geschlechterkonzept.

In anderen Parteien wird das Diskriminierungsproblem über Frauenquoten gelöst. Das ist aber nach wie vor keine Option für die Piraten?

Nein, und es ist bezeichnend, dass während der gesamten Konferenz kein einziges Mal das Wort Quote fiel. Wir wollen das anders schaffen, durch eine schrittweise Änderung der politischen Kultur.

Trotzdem: Fakt ist, dass der Frauenanteil in der Piratenpartei sehr niedrig ist.

Es gibt keine genauen Zahlen, da wir ja das Geschlecht nicht erfassen. Aber ich schätze, dass er ungefähr bei 20 Prozent liegt.

Wie wollen Sie die Partei für Frauen attraktiver machen?

Wir Frauen müssen unser Gesicht zeigen. Es muss offensichtlich sein, dass es viele Frauen in der Partei gibt und dass diese auch kompetent sind. Dann werden wir auch für andere Frauen interessant, die sich engagieren wollen. Im Übrigen hat sich da auch schon etwas getan, es sind in den letzten Jahren viele Frauen eingetreten, die auch eine große Bandbreite an Themen vertreten.

Streben Sie selbst auch wieder eine wichtige Position an?

Wenn Sie damit ein Vorstandsamt meinen - nein. Mir ist es derzeit wichtig, an konkreten Inhalten und Ergebnissen zu arbeiten. Das geht manchmal ohne Amt besser.

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