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Angriff auf die Ukraine "Ich fürchte, dass Russland die Ukraine auslöschen will"

Foto aus besseren Zeiten: Olga Henriksson ist 2009 von Kiew nach Finnland gezogen - "der Liebe wegen", wie sie sagt.
Foto aus besseren Zeiten: Olga Henriksson ist 2009 von Kiew nach Finnland gezogen - "der Liebe wegen", wie sie sagt.
© privat
Olga Henrikssonn (40) stammt aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Wie geht es ihr und ihrer Familie angesichts der russischen Aggression in der Ukraine?

Hinweis: Das Interview mit Olga Henrikssonn haben wir im Februar geführt.

BRIGITTE: Wie fühlen Sie sich heute?

Olga Henrikssonn: Ich bin entsetzt, der schlimmste Albtraum ist wahr geworden. Russlands Angriff auf die Ukraine löst unterschiedliche und komplexe Gefühle in mir aus, aber die stärksten Emotionen sind Wut und die Angst vor der Zukunft. Was Putin macht, ist sehr falsch, sehr grausam und vor allem sehr unfair. Meine Familie und meine Freunde in der Ukraine teilen diese Gefühle.

Hatten Sie solch eine Entwicklung erwartet oder wurden Sie von Russlands Vorgehen überrascht?

Leider bin ich nicht sehr überrascht. Der Krieg in der Ukraine findet seit acht Jahren statt, er wurde in den letzten Wochen nur intensiver. Tief drin haben viele Menschen in der Ukraine damit gerechnet, dass es früher oder später zu einer Eskalation kommen würde. Doch wie viele andere hatte ich gehofft, dass der Aufmarsch an der Grenze zur Ukraine für Putin nur ein Mittel ist, um den Westen zu erpressen, damit dieser seine Forderungen erfüllt. 

Was, glauben Sie, ist Wladimir Putins Ziel?

Ich fürchte, dass es sein Ziel ist, die Ukraine vollständig zu eliminieren - vorausgesetzt, er hat die Macht und die militärischen Mittel dazu. Ich glaube aber, ein realistischeres Ziel ist es, Teile der Ukraine zu annektieren: den Osten und den Süden. Putin hofft, dass die Ukraine keine Möglichkeit bekommt, der Nato beizutreten. Er möchte, dass die Ukraine zumindest sein treuer Verbündeter wird, so wie Belarus. Aber die Menschen in der Ukraine werden diese Hoffnung nie erfüllen.

Was sind momentan Ihre größten Sorgen?

Ich mache mir um vieles Sorgen. Vor allem aber habe ich Angst, dass dieser Krieg Jahre dauern könnte, unschuldige Menschen töten, Armut hervorrufen und Städte zerstören wird. Ich habe Angst um meine Eltern und um meine Verwandten und Freunde, die in der Ukraine leben. Und ich habe Angst, dass dieser Konflikt ganz Europa und die Welt destabilisieren könnte.

Wie geht es Ihren Eltern?

Meine Eltern wohnen momentan bei uns in Turku. Wegen des russischen Aufmarschs an der ukrainischen Grenze sind sie Mitte Februar zu uns gekommen. Sie wollten mindestens bis Ende März bei uns bleiben, wir hatten gehofft, dass bis dahin etwas Klarheit herrscht. Doch wie wir erleben müssen, ist Russland unberechenbar. Meine Eltern sind sehr aufgebracht und haben Angst. Sie lieben ihr Land und ihre Stadt Kiew und möchten in eine intakte Heimat zurückkehren. 

Was erhoffen Sie sich von der internationalen Gemeinschaft und auch Deutschland?

Die Lage ist sehr komplex und ich weiß zu wenig, um konkrete Forderungen an den Westen stellen zu können. Aber ich hoffe, dass die internationale Gemeinschaft gut überlegt handelt, um die Situation zu deeskalieren. Und ich glaube, es war eine sehr gute Idee von Deutschland, die Zertifizierung von Nord Stream 2 zu stoppen. 

Was erwarten Sie von der Zukunft?

In dieser Situation ist es sehr schwer, die Zukunft zu planen, und das bringt mich sehr auf. Ich hoffe, dass die Ukraine mit ihren Partnern im Westen einen Weg findet, um den ganz großen Krieg zu verhindern.

Zur Person: Olga Henrikssonn (40) ist in Kiew aufgewachsen und zog 2009 nach Finnland. Sie lebt mit ihrer Familie in Turku und arbeitet im internationalen Marketing der Stadt.

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Brigitte

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