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Sorgerecht: Unverheiratete Väter werden bessergestellt

Das Sorgerecht wird reformiert: Künftig können unverheiratete Väter auch gegen den Willen der Mutter das gemeinsame Sorgerecht beantragen. Das hat der Bundestag beschlossen - und ist damit endlich in der Gegenwart angekommen.
Sorgerecht: Unverheiratete Väter werden bessergestellt
© Lise Gagne/istockphoto.com

Es hat lange gedauert. Schon 2009 urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass das deutsche Sorgerecht ledige Väter diskriminiere. Das Bundesverfassungsgericht zog kurze Zeit später nach und forderte die Bundesregierung auf, das Recht zu reformieren. Das hat sie nach fast vier Jahren nun endlich geschafft. Am Donnerstag hat der Bundestag eine Gesetzesreform zum Sorgerecht für nicht verheiratete Paare verabschiedet. Im Sommer soll die neue Regelung in Kraft treten.

Bislang galt: Ein unverheiratetes Paar bekam nur das gemeinsame Sorgerecht für sein Kind, wenn die Mutter dem zustimmte. Lehnte sie eine Beteiligung des Vaters ab, wurde der Mutter das alleinige Sorgerecht zugesprochen. Der Vater hatte keine Chance, vor Gericht dagegen vorzugehen.

Künftig werden Bedenken der Mutter vom Familiengericht geprüft

Die neue Regelung sieht vor, dass die ledige Mutter nach der Geburt zwar zunächst das Sorgerecht bekommt. Doch der Vater kann jederzeit gerichtlich die Mitsorge beantragen. Die Mutter muss sich dann innerhalb von sechs Wochen dazu äußern. Lehnt sie den Antrag ab, prüft das Familiengericht ihre Gründe und die familiäre Situation. Lässt sich tatsächlich belegen, dass das Kindeswohl durch das gemeinsame Sorgerecht gefährdet ist, kann der Antrag abgelehnt werden. Reagiert die Mutter gar nicht auf den Antrag des Vaters, wird beiden das gemeinsame Sorgerecht zugesprochen.

Ein bloßes "Nein, ich mag aber nicht" von der Mutter reicht den Gerichten also künftig nicht mehr – und das ist gut so. Kinder haben ein Recht auf beide Elternteile, und wie wichtig es den Kindern ist, zu beiden eine enge Beziehung zu haben, belegen viele Studien. "Das Kindeswohl steht im Mittelpunkt", betonte auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die das Gesetz entworfen hatte. Die gemeinsame Sorge sollte daher immer das Ziel aller Beteiligten sein – Entscheidungen nach dem Motto "Mami weiß schon, was gut ist für das Kind" sind in der Tat diskriminierend und werden modernen Familien nicht gerecht.

Denn schon lange ist die Ehe als Form des Zusammenlebens auf dem Rückzug. Jedes dritte Kind kommt heute unehelich zur Welt. Und trotzdem standen ledige Väter bislang da wie unmündige Besamer, während verheiratete oder geschiedene Väter vor dem Gesetz automatisch als gleichberechtigte Versorger galten. Das ist nicht fair. Eine Regierung, die den Erfolg der Vätermonate bejubelt, muss die neuen engagierten Vätern auch rechtlich auf eine Stufe mit den Müttern stellen.

Eine faire Beurteilung hängt stark von der Sorgfalt der Gerichte ab

Natürlich gibt es sie, die schwarzen Schafe. Väter, die sich nicht um ihre Kinder kümmern wollen oder nicht dazu in der Lage sind. Die kurze Affäre, die sich nach dem Verhütungsunfall aus dem Staub macht. Oder so zerfahrene Zustände, dass jede Begegnung der Eltern im Streit endet. Insofern ist es gut, dass sich Leutheusser-Schnarrenberger in ihrer Reform dafür entschieden hat, nicht automatisch beiden ledigen Elternteilen das Sorgerecht zu geben. Stattdessen ist es nun an den Familiengerichten, die Lebensumstände der Eltern und Kinder zu prüfen.

Allerdings verbirgt sich hier auch die Schwachstelle der Reform: Kritiker beanstanden, dass die Gerichte in einem "Schnellverfahren" das Sorgerecht erteilen können, wenn sich die Mutter nicht innerhalb der Sechs-Wochen-Frist geäußert hat. Diese sei aber womöglich nach der Geburt noch gar nicht richtig in der Lage, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Hier wird sich im Praxistest zeigen, wie gut die Mütter über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt werden, und wie sorgfältig die Gerichte am Ende entscheiden. Denn auf eine behutsame und individuelle Prüfung haben alle Familienmitglieder ein Recht, ohne Ausnahme. Erweisen sich die Fristen als zu knapp, muss nachgebessert werden.

Text: Michèle RothenbergAktualisiert am 1.2.2013

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