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Neues Gesetz in den USA "Periode" soll zum Tabu an Schulen werden – wie bitte?!

Frauen mit zugeklebten Mund
© Jorm Sangsorn / Adobe Stock
In den USA soll ein Gesetz verhindern, dass Mädchen über die Periode aufgeklärt werden. In welchem Horrorfilm sind wir gelandet?

Ein schüchternes, von ihren Mitschüler:innen regelmäßig schikaniertes Mädchen steht unter der Dusche und bemerkt auf einmal, wie ihr Blut die Beine herunterläuft. Das Mädchen weiß nicht, was mit ihrem Körper geschieht, sie gerät in Panik, schreit und weint, während ihre grausamen Klassenkameradinnen zusehen und über ihr Unwissen lachen.

Das Mädchen heißt Carrie, sie ist die Hauptfigur des gleichnamigen Films aus 1976. Im Film wurde die Tochter einer religiösen Fanatikerin nicht über die Menstruationsblutung aufgeklärt – sie wusste schlicht nicht, was in dem Moment unter der Dusche mit ihr passiert. Dass es eine vollkommen natürliche körperliche Reaktion ist und sie nichts zu befürchten hat. 

Es scheint, als würden bestimmte Männer in den USA es in Kauf nehmen, dass kleine Mädchen ebenfalls so eine traumatische Erfahrung machen müssen. Nur, dass diese Erfahrung dann im wahren Leben, bald ein halbes Jahrhundert später, stattfinden wird. Und zu befürchten ist, dass die Klassenkameradinnen in jener Szene ebenfalls panisch reagieren, denn auch sie wird niemand aufgeklärt haben – zumindest nicht in der Schule, dem Ort, der sich der Bildung seiner Kinder eigentlich verschrieben hat. Ist das noch ein Horrorfilm aus den 70ern oder reden wir wirklich von der Realität?

Ein Gesetzesentwurf soll frühe Aufklärung über die Periode verhindern

Florida ist gerade dabei, sich mit großen Schritten zurück ins Mittelalter zu befördern. Die Zügel hierfür halten Republikaner:innen in der Hand, die eine Reihe von Gesetzesentwürfen einbringen und vorantreiben, die sich zum Ziel gesetzt haben, Themen wie Gender und Diversität aus den Köpfen der Kinder und Erwachsenen zu verbannen. Und das Schlimmste dabei: Es ist davon auszugehen, dass der republikanische Gouverneur von Florida, Ron DeSantis (auch bekannt als "Trump mit Hirn"), diese Entwürfe unterzeichnen wird. 

Während einer Anhörung des Unterausschusses für Bildungsqualität des Repräsentantenhauses von Florida befragte am Mittwoch (15. März) die Abgeordnete Ashley Gantt (Demokrat:innen) ihren republikanischen Kollegen Stan McClain zu einem Gesetzesvorschlag, der die Verwendung von Unterrichtsmaterialien zum Thema Menstruation einschränken würde. Demnach dürfte Unterricht über sexuelle Gesundheit sowie sexuell übertragbare Krankheiten und menschliche Sexualität nur in den Klassenstufen 6 bis 12 stattfinden. In der sechsten Klasse sind die Kinder meist zwischen elf und zwölf Jahre alt.

Gantt fragte ihren Kollegen: "Wenn also kleine Mädchen ihre Periode in der fünften oder vierten Klasse erleben, verbietet ihnen dieses Gesetz Gespräche darüber, weil sie in einer niedrigeren Klasse als der sechsten sind?" Die Antwort von McClain so simpel wie erschütternd: "Das würde es."

Der Staat bestimmt über Geschlecht und Ehe

Schaut man sich den Gesetzesentwurf genauer an, scheint es sich um einen Rundumschlag zu handeln: "Geschlecht" sei demnach die Klassifizierung einer Person als entweder männlich oder weiblich, das Geschlecht sei eine "unveränderliche biologische Eigenschaft" und es sei "falsch", einer Person ein Pronomen zuzuschreiben, das nicht dem Geschlecht der Person entsprechen würde. Meint: Lehrer:innen dürften ihre Schüler:innen nicht mit dem Pronomen ansprechen, dass sie sich selbst zuschreiben. Weiterhin müssen Schulen Männern und Frauen lehren, dass "biologische Männer biologische Frauen befruchten" und dass diese reproduktiven Rollen "binär, stabil und unveränderlich" seien. 

Und um die heteronormative Bullshit-Liste komplett zu machen: Die Schule solle doch bitte noch vermitteln, dass Abstinenz von sexuellen Aktivitäten außerhalb der Ehe "erwarteter Standard" für alle Schüler:innen sei und "gleichzeitig die Vorteile der monogamen heterosexuellen Ehe" vermitteln. Wow. Hier muss man aber fair sein: Diese Absätze sind nicht neu und waren schon in der älteren Version vorhanden. Die Männer und Frauen an der Macht in Florida werfen große Schatten auf den so genannten "Sonnenscheinstaat", der sich mehr und mehr für queere Menschen und Frauen zum Höllenstaat entwickelt.

Was hat die Periode eigentlich mit Sex zu tun?

Eine brennende Frage mögen sich einige Leser:innen im Laufe dieses Artikels gestellt haben: Was hat die Menstruation eigentlich mit sexueller Gesundheit zu tun? Was mit Sex allgemein? Der Vorwurf vieler Menschen, man würde die Kinder mit Themen wie Queerness, Gender und sexueller Vielfalt zu früh "sexualisieren" – er scheint in diesem Fall nicht zu greifen. 

Wie viele Menschen wissen – abgesehen offenbar von der Regierung Floridas – ist die Periode ein normaler Vorgang im Körper, der absolut nichts mit Sex zu tun hat. Jeden Monat reifen in den Eierstöcken Eizellen heran, meist verlässt dabei nur ein reifes Ei den Eierstock und wandert den Eileiter entlang in Richtung Gebärmutter (Eisprung). 

Die Zelle nistet sich an der Gebärmutter ein und stirbt ab, sollte keine Befruchtung stattfinden (die, wie wir nun wissen, nur von "biologischen Männern" bei "biologischen Frauen" möglich ist). Dann öffnen sich einige Blutgefäße in der Gebärmutterschleimhaut, die oberste Schleimhautschicht löst sich, das Gewebe wird abgestoßen und fließt zusammen mit etwas Blut durch die Scheide aus dem Körper. Die Blutung am Ende dieses Zyklus nennt man Periode oder eben auch Menstruation.

Diese Erklärung werden sich Mädchen vor der sechsten Klasse in Florida womöglich bald nicht mehr in der Schule geben lassen dürfen. Lehrer:innen wird verboten sein, darüber zu sprechen. Erneut bestimmen Männer über den Körper der Frau, erneut wird der Versuch unternommen, Frauen zum Schweigen zu bringen. Das passiert gerade, im Jahr 2023, in den USA und in vielen Ländern dieser Welt. 

Menschenrechte sind für manche Menschen nur ein Ärgernis

Was aktuell in Florida geschieht, ist nur eine von vielen bitteren Erinnerungen an die Tatsache, dass all die Fortschritte der letzten Jahrzehnte, all die Dinge, für die Frauen und andere Menschen gekämpft haben, wofür sie leiden und teilweise sterben mussten, keine Selbstverständlichkeit sind. In den Köpfen mancher mögen Menschenrechte und ihre Einhaltung und Wahrung ein fester Bestandteil der Realität sein – doch für andere sind sie nur ein Ärgernis, das es zu beseitigen gilt.

Der Ausgang in Florida ist noch nicht entschieden. "Ich hoffe, dass wir alle verstehen, dass wir unseren Kindern die Fähigkeit nehmen, kritisch zu denken, indem wir ihnen sagen, dass wir ihre Unschuld schützen wollen", sagte Gantt während der Anhörung. "Sie werden eines Tages Erwachsene sein und sie müssen informierte Erwachsene sein. Wir bekommen keine zweite Chance für Kinder, wir bekommen diese Gelegenheit nicht noch einmal", sagte sie. "Warum also führen wir Maßnahmen ein oder schlagen sie vor, die kleine Mädchen davon abhalten, ihren Körper zu verstehen?"

Ja, warum?

Verwendete Quellen: washingtonpost.com, stern.de, flsenate.gov, aok.de

Brigitte

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