Natürlich gab es Witze und böse Kommentare im Netz. "Jeder, der sich selbst verteidigt, kriegt 100 Euro Schwertprämie", war da auf Twitter zu lesen. Oder: "Tarnanzüge jetzt auch in Größe 146?" Sogar die ARD twitterte eine ziemlich geschmacklose Lara-Croft-Collage - Ursula von der Leyen, halbnackt im Kampfoutfit. Bei der Vorstellung, dass eine Frau, noch dazu blond, die Verantwortung für das Militär trägt, scheint mit manchen Männern immer noch die Fantasie durchzugehen.
Doch es gab auch diese Szene: gestern Abend, bei "Günther Jauch". In der Talk-Show geht es um die Aufgaben der großen Koalition, und die Regierungsparteien haben mit Andrea Nahles und Ursula von der Leyen zwei Frauen in die Runde geschickt. Von der Leyen erklärt gleich am Anfang sehr ausführlich, was sie sich als Verteidigungsministerin vorgenommen hat - und in den Augen von Jauch, ARD-Moderator Ingo Zamperoni, ja sogar von Linken-Chef Gregor Gysi sieht man sie ganz deutlich: Bewunderung. Keiner unterbricht die CDU-Politikerin. Es ist der Abend nach Bekanntgabe des neuen Kabinetts und in Deutschlands meistgesehener Talkshow spricht man über Auslandseinsätze und das posttraumatische Belastungssyndrom bei Soldaten. Hat je ein Verteidigungsminister so eine Aufmerksamkeit bekommen? Wohl kaum.
"Respekt erwirbt man sich am besten durch gute Arbeit."
"In Spanien ist gerade eine Verteidigungsministerin vereidigt worden, die jetzt mit schwangerem Bauch Militärparaden abnimmt. Das lässt auch für Deutschland hoffen."
"Ein weiblicher James Bond wäre nicht so brutal, sie wäre viel subtiler. Und das fände ich interessant. Zudem wär ich gespannt, wie der Bond-Boy aussieht."
"Ich bin keine Maschine. Ich bin in die Politik gegangen, weil ich aus meiner Lebenserfahrung heraus etwas verändern wollte."
"Wo Frauen sich ändern, müssen auch Männer sich ändern. Noch sind die Männer irritiert über den Wandel. Aber ich bin sicher, dass sie bald auch den Vorteil eines weniger begrenzten und vielfältigeren Lebens zu schätzen lernen."
"Ich finde es nicht schlimm, dass Mädchen in Sachen Bildung an den Jungen vorbeiziehen."
"Die Jüngeren rennen zwar schneller, aber die Älteren kennen die Abkürzung."
"Es gibt keine Rabenmütter, nur einen Rabenstaat, der es Eltern schwer macht, Kinder in einer modernen Arbeitswelt groß zu ziehen."
"Erziehung, das sind ja weniger die schlauen Sprüche, das ist vor allem das, was man vorlebt."
"Wir wollen ja nicht erleben, dass alle paar Jahre neue Regierungen der Auffassung sind, die Party könne wieder beginnen."
Natürlich spielt eine Rolle, dass Ursula von der Leyen die erste Frau in diesem Job ist. Noch dazu in einem von Männern dominierten Ministerium. Aber der wichtigste Grund für den Hype um diese Personalie ist ein anderer. Es ist das Wissen, dass von der Leyen eine der wenigen Figuren in Berlin ist, die die Dinge wirklich anpackt. Man ist einfach gespannt darauf, wie sie ihre Aufgabe ausfüllen wird. Denn ob man ihre politische Einstellung nun teilt oder nicht - klar ist, dass sie sich mit Kleinklein nicht zufrieden gibt. Sie will Reformen und hat einen Blick dafür, welche die dringendsten Probleme unserer Zeit sind. Dafür legt sie sich auch mit der eigenen Partei an, wie der Zoff um die Frauenquote gezeigt hat. Dass sie bislang mit dem Militär nicht viel am Hut hatte, ist da eher zweitrangig. Westerwelle war auch nicht gerade ein Kenner der Außenpolitik, als er aufs diplomatische Parkett geschickt wurde. Und im Gegensatz zu ihm traut man Ursula von der Leyen zu, sich schnell einzuarbeiten. Daran dürfte selbst der starrsinnigste Feldwebel nicht zweifeln.
Die ehemalige Frauenministerin hätte es sich also nicht schöner ausmalen können: Zwar wird ihr Geschlecht in der Öffentlichkeit thematisiert, in erster Linie aber reden wir über Kompetenzen. Das gilt im Übrigen auch für von der Leyens Kabinettskolleginnen.
Und die wichtigste Frau im Haus, Angela Merkel? Was hat sie sich wohl dabei gedacht, als sie von der Leyen den Posten anbot? Einige vermuten, dass sie die Parteikollegin aufs Abstellgleis stellen will. Das Verteidigungsministerium gilt als extrem schwierig und hat schon viele Politiker ins Aus befördert. Aber es könnte auch ein anderes Kalkül dahinter stecken. Nach Familien- und Arbeitsmarktpolitik erweitert von der Leyen ihr Profil jetzt um ein komplett neues Ressort, in dem es auch um internationale Beziehungen und Deutschlands Außenwirkung geht. Statt Abstellgleis könnte man das auch Ausbildung nennen - zu Merkels Nachfolgerin.
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