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Nach der Wahl im Iran: Hört nicht auf zu protestieren!

BRIGITTE-Redakteurin Katrin Schmiedekampf war bis vor einer Woche im Iran unterwegs. Ihre Reaktion auf die Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadineschad.

Ich habe meine Freundin Sahra noch nie so erlebt. Ihre Stimme am Telefon klang unglaublich traurig. "Ich werde nie wieder wählen gehen", sagte sie. Und dass sie nicht wisse, wie ihr Leben nun weitergehen soll. Sie, eine der fröhlichsten und mutigsten Frauen, die ich kenne. Noch vor einer Woche sind wir gemeinsam mit ihrem Peugeot durch die Straßen von Teheran gefahren, haben die euphorische Stimmung vor den Präsidentschaftswahlen erlebt und uns gewünscht, dass es zu einem Wandel kommt.

Es ist nur eine einzige Woche her - und doch habe ich das Gefühl, als sei mindestens ein ganzes Jahr vergangen. Denn damals waren die Menschen noch voller Hoffnung. Es fühlte sich ein wenig an, wie bei uns während der Fußball-WM: Menschen fuhren im Autokorso durch die Stadt, trugen T-Shirts mit den Farben ihres Lieblings-Politikers, Sprechchöre schallten durch die Straßen. Graffitis wie "Bye-Bye Ahmadineschad" und "Change" schmückten die Häuserfassaden. Meine Freundin Sahra war zuversichtlich, dass sich auch im Land der Mullahs wirklich etwas verändern würde.

Und jetzt? Ich bin von meinem Verwandtenbesuch in Teheran zurückgekehrt, sitze in Hamburg und kann nicht fassen, was ich im Fernsehen sehe: Massenproteste und Straßenschlachten. Die Menschen, die auf einen Wechsel hofften, die sich wünschten, dass Präsident Mahmud Ahmadineschad endlich verschwinden würde, protestieren gegen die angebliche Wahlfälschung. Sahra ist nicht dabei. Sie sitzt mit ihrer kleinen Tochter in ihrer Wohnung in Teheran und traut sich nicht nach draußen. Seit zwei Tagen geht das schon so. Sahra hat Angst, in die Demonstrationen zu geraten. Ihr Bruder ist auf dem Weg zu einem Handyladen von Polizisten niedergeknüppelt worden und hat es nur mit viel Glück geschafft, zu fliehen. "Was wollt ihr von mir, ich habe nichts getan", sagte er - aber das interessierte niemanden. Geprügelt wird im Moment wahllos, die Menschen haben zu Recht Angst.

Nur Gerüchte dringen zu ihnen vor: Bereits zwei Stunden vor dem Schließen der Wahllokale soll es keine Stimmzettel mehr gegeben haben, weil diese angeblich aufgebraucht waren. Unabhängige Beobachter, die den Ablauf der Wahl überwachen sollten, durften bei der Auszählung der Stimmen nicht dabei sein. Offizielle Informationen zu all dem gibt es im Iran nicht. Die Zeitungen und das Fernsehen werden zensiert, das Internet gefiltert. Selbst die BBC-Nachrichten, die Sahra bisher immer über Satellit sehen konnte, sind ausgeschaltet worden. Es geht so weit, dass wir uns fragen, ob ihr Telefonanschluss abgehört wird, ihre Mails abgefangen werden.

Was die Menschen gegen Nachrichten-Zensur tun? Sie versuchen, die Internet-Filter zu knacken, die es ihnen verbieten, bestimmte Webseiten anzuschauen und nutzen dann zum Beispiel den Internet-Dienst Twitter, um sich auszutauschen. Protestgruppen organisieren über den Kurznachrichtendienst Demonstrationen. Einzelne Bürger streuen Informationen, indem sie Handy-Videos bei Youtube hochladen: Sie wollen einander Mut machen und den Rest der Welt nach Kräften über die Vorgänge in ihrem Land informieren. Doch ob diese Aktionen etwas bringen werden, weiß niemand.

Ich finde das alles wahnsinnig schlimm, denke die ganze Zeit an Sahra. Doch trotzdem sehe ich eine kleine Chance in dem Ganzen: Die Menschen draußen in der Welt merken in diesen Tagen, dass der Iran nicht mit Mahmud Ahmadineschad gleichgesetzt werden kann. Dass die Bürger des Landes nicht geschlossen hinter dem Mann stehen, der Israel am Liebsten von der Landkarte verschwinden lassen würde. Auch wenn die Bilder im Fernsehen bedrohlich erscheinen - es ist wichtig, dass sich diese Menschen wehren, dass sie nicht aufgeben. Sahra sagt: "Es ist ein wenig wie nach einem Fußballspiel: Die Verlierer-Mannschaft ist sauer und läuft pöbelnd durch die Straßen. Doch ihre Proteste werden schon bald verstummt sein." Ich hoffe sehr, dass sie Unrecht hat. Dass die Menschen sich auch weiterhin wehren werden. Und dass es doch irgendwann zu einem Wechsel kommen wird.

Katrin Schmiedekampf Foto: Getty

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