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Was wir von Angela Merkel lernen können

Angela Merkel
© Getty Images/Adam Berry
Angela Merkels Erfolg hat viel mit ihrem Auftreten zu tun. Eine Analyse ihrer Stärken, die auf den ersten Blick oft gar keine sind.

Ob man sie nun mag oder nicht: Klar ist, dass Angela Merkel Einiges richtig gemacht hat. Wir haben mit der Kommunikations- und Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele darüber gesprochen, was Merkel so unschlagbar macht und was gerade Führungsfrauen von ihr lernen können.

1. Bescheidenheit kommt eben doch an

Bescheidenheit wird Frauen im Job immer wieder als Schwäche vorgeworfen. Doch Angela Merkel zeigt: Richtig eingesetzt kann sie eine große Stärke sein. Für Andrea Römmele besteht eine von Merkels Leistungen darin, "staatsmännisch und gleichzeitig sehr bescheiden" aufzutreten. Eine Gratwanderung, die vor allem Menschen schwerfällt, die schon länger an der Macht sind. Man denke etwa an Ex-Kanzler Gerhards Schröder und seinen überheblichen Auftritt in der so genannten "Elefantenrunde" 2005. Ganz anders seine Nachfolgerin, die wirklich allen Grund zum Prahlen hätte. "Doch selbst als die überwältigenden Wahlergebnisse am 22. September 2013 feststanden, hat sie sich nicht vor den Kontrahenten aufgeplustert, sondern einfach gesagt, dass sie sich eine solide Mehrheit wünscht", so Römmele. Das gefällt den Menschen.

2. Schlagfertig sein - nicht aggressiv

Auch wenn sie schon mal "Mutter der Nation" oder gar "Mächtigste Frau der Welt" genannt wird - ausruhen kann sich die Kanzlerin darauf nicht. Ständig muss sie ihre Macht verteidigen, Widersacher abwehren, Konkurrenten ausbooten. Bislang waren diese Konkurrenten ausnahmslos Männer. Wieso gelingt ihr, woran viele Frauen scheitern? Für Andrea Römmele ergibt sich eine interessante Parallele bei den wenigen anderen Frau-Mann-Duellen in der Welt-Politik: "Die Frauen haben immer dann verloren, wenn sie im Wahlkampf aggressiv auftraten." Offenbar wirken aggressive Frauen auf die Menschen unsympathischer als aggressive Männer, denen solches Verhalten eher als "Sportsgeist" ausgelegt wird. Angela Merkel trat im Zweikampf geschickter auf als ihre glücklosen Kolleginnen. Zwar reagierte sie im TV-Duell mit SPD-Kandidat Peer Steinbrück mehrmals schlagfertig auf dessen Hiebe. Doch sie griff ihn nie direkt an. Passiv zum Sieg - wieder hat Merkel eine ihrer vermeintlichen Schwächen als Stärke ausgespielt.

3. Authentisch bleiben

Der berühmte "Elfenbeinturm" ist schon für viele Menschen zur Falle geworden. Wer sehr lange in einer bestimmten Branche und Umgebung arbeitet, neigt dazu, den Kontakt zur Außenwelt zu verlieren - seien es Kunden, Leser oder auch Wähler. Für Andrea Römmele ist es daher ein Phänomen, dass Angela Merkel nach so vielen Jahren im Berliner Politikbetrieb immer noch so authentisch wirkt. Andere Politiker verlören in der "Berlin-Bubble" schnell ihren Instinkt, wirkten abgehoben. "Merkel hingegen ist sich treu geblieben. Das ist beachtlich."

4. Persönlichkeit zeigen (aber nicht zu viel)

Noch so ein Drahtseilakt. Wie viel gebe ich im Beruf von mir preis? Mache ich aus meinem Privatleben eine verbotene Zone, besteht die Gefahr, unnahbar und freudlos zu wirken. Erzähle ich hingegen allzu intime Details öffentlich, werde angreifbar. Gerade als Führungskraft kann mich das Respekt bei den Kollegen kosten. Angela Merkel entschied sich in ihren ersten beiden Amtszeiten für die erste Strategie. Was Merkel außerhalb der Politik so trieb, blieb immer ein Mysterium. Das hat sich laut Andrea Römmele geändert: "In letzter Zeit ist es ihr gelungen, Persönliches zu zeigen, ohne privat zu werden. Sie hat von Streuseln auf dem Kuchen erzählt, die ihr Mann so gerne mag, aber das sagt noch lange nichts über ihre Beziehung aus." So wirke Merkel sympathisch und menschlich, biete aber so gut wie keine Angriffsfläche.

5. Auf die eigenen Stärken verlassen

Für Andrea Römmele ist Angela Merkel der Beweis, dass solide Arbeit und Sachverstand am Ende doch mehr zählen als die große Show. "Natürlich ist der Habitus wichtig. Auch eine Frau muss als Chefin auftreten und Seriosität ausstrahlen." Aber an erster Stelle stehe die Kompetenz. "Angela Merkel hat sich immer auf ihre Stärken verlassen, und das war genau richtig." Römmele rät auch Frauen, die in anderen Branchen führen, sich immer wieder auf die eigenen Stärken zu besinnen und zu überlegen, welche besonderen Fähigkeiten sie an diese Stelle gebracht haben. "Da hat jede ihren eigenen Stil, und den sollte sie sich auch bewahren. Den Männern stumpf nachzueifern ist sicher die falsche Taktik."

Unsere Expertin:

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Andrea Römmele ist Professorin für "Communication in Politics and Civil Society" an der Hertie School of Governance in Berlin. Römmele ist Autorin zahlreicher Fachbücher und Beiträge sowie Herausgeberin der "Zeitschrift für Politikberatung".

Mehr unter andrearoemmele.de

Text: Michèle Rothenberg

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