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Umstrittenes Urteil: Seniorin mit Behinderung aus Wohnung geschmissen!

Schockierendes Urteil: Behinderte Seniorin aus Wohnung geschmissen
© Marlinde / Shutterstock
Eine 78-jährige gehbehinderte Mieterin musste wegen "Eigenbedarfs" die Mietwohnung räumen. Das Münchener Gericht gibt dem Vermieter Recht. Ist niemand mehr vor einer Räumung geschützt?

Was wiegt schwerer: Die Bedürftigkeit einer körperbehinderten Mieterin oder der Eigenbedarf des Vermieters? Diese kontroverse Frage musste das Amtgericht München klären.

Im konkreten Fall ging es um eine 78-jährige gehbehinderte Frau, die seit rund 30 Jahren eine 2-Zimmer-Wohnung (erste Etage mit Aufzug) im bayerischen Neuhausen anmietete. Im Grunde würde sie auch heute noch friedlich dort weiterleben können, gäbe es nicht einen Haken.

Eigentümer geht vor Gericht

Die Eigentümer übertrugen die Wohnung an ihren 36-jährigen Sohn. Der Sohn, praktizierender Arzt in Augsburg, wollte nach München wechseln und meldete so den Eigenbedarf bei der alten Mieterin an. Sie boten ihr stattdessen die Wohnung in der dritten Etage an. Doch das war der gehbehinderten Mieterin zu hoch.

Die Mieterin jedoch wollte nicht umziehen. Der Eigentümer ging vor Gericht. Die Mieterin sagte aus, aus finanziellen und gesundheitlichen Gründen (Schwerbehinderung, Gleichgewichtsstörungen, psychiche Beeinträchtigung) nicht umziehen zu können. Die Mieterin berief sich somit auf Härtegründe, die ihrer Meinung nach schwerer wiegen als das Kündigungsinteresse des Vermieters. Festgeschrieben ist das in der sogenannten Sozialklausel. Die darin beschriebenen Härtegründe können sein:

  • fehlender Ersatzwohnraum
  • hohes Alter
  • Invalidität / schwere Erkrankung
  • Gebrechlichkeit
  • Schwangerschaft
  • Kinder / Schwierigkeiten bei Schul- oder Kindergartenwechsel
  • bevorstehendes Examen
  • geringes Einkommen
  • lange Mietdauer

Richter stellt Eigenbedarf über Sozialklausel

Nichtsdestotrotz stellte sich der Richter auf die Seite des Eigentümers: Eigenbedarf stehe laut Gesetz über der Sozialklausel und somit über der Bedürftigkeit der Mieterin. Die gebrechliche Mieterin muss nach Paragraph 573 BGB die Wohnung räumen. Da die Mieterin über acht Jahre dort gelebt hat, hätte sie eine Kündigungsfrist von neun Monaten, wie der Mieterbund informiert. Das Gerichtsurteil gab ihr lediglich eine Räumungsfrist von sechs Monaten.

Hat der Richter ein berechtigtes Urteil gefällt? Eigentlich gilt: Das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Grundgesetz, Paragraph 2) steht über der freien Lebensgestaltung (in dem Fall des Eigentümers). Droht der Vermieterin also eine Gesundheitsbelastung durch den Umzug, müsste das Urteil zu ihren Gunsten gefällt werden.

In der Urteilsverkündung heißt es jedoch: "Es ist für das Gericht nachvollziehbar und vernünftig, dass der Kläger aufgrund seiner Verbindung zur Stadt München seinen Lebensmittelpunkt nach München verlagern möchte." Dort habe er eine neue Arbeitsstelle gefunden, seine Lebensgefährtin sowie Freunde und Familie wohnen dort. "Im Hinblick auf die grundgesetzliche Gewährleistung des Eigentums gemäß Artikel 14 GG" sei der Eigentümer im Recht.

Das Urteil (Aktenzeichen 433C 19586/17) ist rechtskräftig.

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