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Mit nackter Haut gegen Sextourismus

Die Mitglieder der Organisation FEMEN kämpfen gegen den Sextourismus in der Ukraine. Ihre Waffen: Nackte Haut, Strapse und Provokation. Anna Hutsol, 24, Gründerin der Organisation, zieht Bilanz nach einem aufregenden Jahr.

BRIGITTE.de: Die Mitglieder von FEMEN laufen in Strapsen durch die Innenstadt oder demonstrieren in sexy Schwesterntracht. Würde irgendjemand Ihnen zuhören, wenn Sie bloß eine Gruppe ganz normaler Frauen im Kampf gegen Sextourismus wären?

Anna Hutsol: Nein, ich denke nicht. Wir sehen das aber ganz pragmatisch: Wir wollen etwas Wichtiges im sozialen Bereich erreichen, und dafür nutzen wir die Mechanismen der Massenmedien. Und die springen nun mal an auf Humor, Show, Skandal, Erotik und Schock. Auf gewisse Weise verstehen wir unseren Protest als eine ganz eigene Kunstform – eine, die auffällt und beachtet wird. Wir haben auf diese Weise viel erreicht.

BRIGITTE.de: Wie reagieren Männer auf Ihre Aktionen?

Anna Hutsol: Ganz unterschiedlich. Gebildete, kreative und schlaue Männer unterstützen uns. Nicht nur mit Worten, manche nehmen auch als Schauspieler an Aktionen teil. Aber es gibt natürlich auch viele Männer, die grundsätzlich keine unabhängigen Frauen akzeptieren. Die glauben, wir seien bloß eine Gruppe von Feministen und grässlichen Hexen. Wir werden viel beleidigt und beschimpft. Aber das lassen wir an uns abprallen. Wenn wir darauf reagieren, begeben wir uns doch nur auf das gleiche Niveau.

Fotoshow: Die FEMEN-Aktivistinnen in Aktion

BRIGITTE.de: Was fordert FEMEN?

Anna Hutsol: Unsere Forderungen sind einfach und deutlich: -Männer, die sexuelle Dienstleistungen kaufen, müssen kriminalisiert werden. Bislang ist lediglich die Prostitution illegal, nicht aber dessen Nutzung - das ist ein Paradox im Rechtssystem. -Die Staatsorgane der Ukraine müssen das Problem des Sextourismus als solches anerkennen und eine rechtliche und morale Haltung dazu entwickeln. -Ausländer, die bereits als Sextouristen auffällig geworden sind, dürfen keine erneute Einreisegenehmigung in die Ukraine erhalten. -Das Strafmaß für Zuhälterei muss erhöht werden

BRIGITTE.de: Die Regierung der Ukraine hat trotz Ihrer Aktionen und Medienaufmerksamkeit in aller Welt mit keinem Wort auf Ihre Forderungen reagiert. Woran liegt das?

Anna Hutsol: Wir glauben, dass es innerhalb des Parlaments Gruppierungen gibt, die in die sehr einflussreiche Sex-Mafia der Ukraine verstrickt sind. Ein Hinweis darauf ist zum Beispiel, dass der Gesetzesentwurf von FEMEN für die Kriminalisierung von Freiern beim Parlament zwar angemeldet wurde, aber im letzten Moment unter seltsamen Umständen von der Tagesordnung verschwand.

BRIGITTE.de: Was können andere Europäische Länder tun?

Anna Hutsol: Das Mindeste, was ausländische Regierungen tun sollten, ist, ihre Bürger über die Situation in der Ukraine zu informieren. Viele Touristen wissen gar nicht, dass Prostitution in der Ukraine illegal ist. Abgesehen davon sollten Touristen sich bewusst machen, dass sie ins Blickfeld der Mafia geraten sobald sie sich mit einer Prostituierten einlassen. Aber auch auf diplomatischer Ebene lässt sich vieles tun: Wir haben zum Beispiel einen gut funktionierenden Informationsaustausch mit der Deutschen Botschaft über deutsche Staatsbürger, die in der Ukraine in Geschäfte mit Sextourismus verwickelt sind. Diese Kooperation wurde von der Deutschen Botschaft selbst initiiert. Aber es gibt auch Negativbeispiele: Die Botschaft der Türkei verweigert jeglichen Kontakt mit uns - dabei sind türkische Männer nach unseren Daten die Mehrheit unter den Sextouristen.

BRIGITTE.de: Nach einem Jahr FEMEN - was haben Sie erreicht?

Anna Hutsol: Wir sind stolz darauf, dass durch uns die ganze Welt von den Problemen der Ukraine mit Sextourismus erfahren hat, und dass ukrainische Frauen sich bereit machen, um sich selbst, ihre Ehre und die Ehre unseres Landes zu schützen. Auf unsere Kampagne "Die Ukraine ist kein Bordel" gab es zwar von offizieller Seite keine Reaktion, aber viele Verantwortliche sympathisieren mit uns und glauben an unser Potential. FEMEN konnte eine Lücke füllen, eine nationale Frauenbewegung gab es in der Ukraine bisher nicht. Wir haben heute etwa 500 aktive Mitglieder, weitere 23.000 junge Frauen in der Ukraine stehen über das Internet mit uns in Kontakt, und unsere offizielle Registrierung als Frauenrechtsorganisation steht kurz bevor. Für den Sommer sind zahlreiche spektakuläre Aktionen geplant. Wir träumen davon, die größte und einflussreichste Frauenbewegung in Europa zu werden.

Text: Stefanie Hellge

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